Manche Leute glauben ja, das zu wissen. Das Thema taugt noch allemal dazu, im Leipziger Stadtrat für Gemurmel, verbale Entgleisungen und Häme zu sorgen. Auch wenn sie so nett verpackt daher kommt wie in der Rede von CDU-Stadtrat Michael Weickert, der sich ein Gaudi daraus machte, über die Männerbilder der Grünen-Fraktion zu lästern. Thema nicht verstanden, könnte man sagen. Brisanz ebenso wenig, wenn man den Beitrag von Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten) dazu hört.

Denn beantragt hatte die Grünen-Fraktion eigentlich nur zwei ganz simple Dinge: Eine Überarbeitung der Leipziger Website an der Stelle, an der es um die Rubrik „Männer“ geht. Diese soll durch das Referat für Gleichstellung bis Ende des II. Quartals 2024 überarbeitet werden. „Neben der Rubrik ‚Männer‘ werden auch die Rubriken ‚Frauen‘ und ‚LSBTIQ‘ gründlich überarbeitet. Die Seiten zum Thema ‚Männer‘ werden in Hinblick auf das Thema ‚vielfältige Männerbilder‘ ergänzt.“

Das zweite war ein Beitritt der Stadt zum Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“.

Die Seite „Männer“ des Referats für Gleichstellung spricht die Kompliziertheit der Lage durchaus schon an: „Die Erwerbs- und Arbeitswelt verändert sich rasant. Geschlechtliche Rollen- und Wertevorstellungen werden infrage gestellt. Für den Einzelnen bedeutet das oft eine große Herausforderung, denn neue Lebensmodelle für Männer sind bislang nur ungenau umrissen und gesellschaftlich kaum verankert.“

Denn das Referat hat seine Arbeit in der Vergangenheit durchaus ernst genommen und sich eben nicht nur um die Gleichstellung der Frau gekümmert. Trotzdem sei man sowieso „seit über einem Jahr mit der Erarbeitung des dritten Gleichstellungsaktionsplanes beschäftigt und dieser befindet sich nun in der finalen Phase der Erarbeitung“, heißt es im Verwaltungsstandpunkt zum Grünen-Antrag.

Und darin soll es auch um das vom Grünen-Antrag benannte Schwerpunktthema gehen: „Die beiden im Antrag erwähnten Handlungsfelder ‚Kampf gegen Geschlechterstereotype‘ und ‚Geschlechtsspezifische Anti-Gewaltarbeit‘ werden Teil des fortgeschriebenen Aktionsplanes sein und befinden sich in Überarbeitung.“

Die Problematik veralteter Männerbilder

Dass Ute Elisabeth Gabelmann die Formel vom „problematischen Männerbildern“ nicht verstehen wollte, erzählt wohl eher von ihrer Weltfremdheit. Die täglichen Nachrichten sind voll von Gewalt, die Männer mit sehr wohl sehr problematischen Männerbildern gegen Schwächere verüben – und immer wieder auch gegen Frauen.

Leipzig ist keine Insel der Unschuld. Auch hier kommt es immer wieder zu Femiziden. Die Dunkelziffer zur sogenannten „häuslichen Gewalt“ ist hoch. Die Kosten, die die Stadt Leipzig für den zunehmend wichtiger werdenden Gewaltschutz ausgibt, steigen von Jahr zu Jahr. Natürlich hat das mit – falschen – Männerbildern zu tun. Und Männern, die Gewalt für ein legitimes Mittel zur Konfliktbewältigung ansehen.

Und das ist eben nicht nur ein Fall für Polizei und Gerichte, sondern auch einer für den Stadtrat. Auch wenn Gabelmann und Weickert das bestritten. Denn Bilder, wie Männer sein sollen, werden gesellschaftlich geprägt. Sie werden angelernt. Und sie werden bestärkt, wenn auch öffentlich immer wieder nur alte Stereotype bedient werden.

Das ist auch für Männer ein Problem.

Das hat der Grünen-Antrag, den die Fraktionsvorsitzende Katharina Krefft am 13. März vorstellte, eigentlich sehr deutlich beschrieben.

Leistungsdruck und falsche Stärke

„Männer stehen in unserer Gesellschaft häufig unter Druck – dem Druck, Leistung zu erbringen, erfolgreich zu sein, keine Schwäche zu zeigen und sich gegenüber Anderen im Wettbewerb durchzusetzen. Vielerorts wird noch immer ein solch rigides Männerbild propagiert. Gleichzeitig steigt die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt, unter der vor allem Frauen und Kinder leiden. Die Schutzhäuser und Hilfsangebote sind überlastet“, kann man da lesen.

Herr Michael Weickert (CDU) im Leipziger Stadtrat am 13.03.24. Foto: Jan Kaefer
Michael Weickert (CDU) im Leipziger Stadtrat am 13.03.24. Foto: Jan Kaefer

Und: „Die hauptsächlich Betroffenen von häuslicher Gewalt sowie Partnerschaftsgewalt sind Frauen. Täter sind dabei in der weit überwiegenden Mehrheit der Fälle Männer. Häusliche Gewalt ist im Wesentlichen eine Folge problematischer Rollenvorstellungen und erlernter Verhaltensmuster, die auf männlicher Dominanz und Kontrolle basieren. Einstellungs- und Verhaltensmuster, die emotionaler, psychischer und körperlicher Gewalt den Boden bereiten, werden auch als sogenannte ‚Toxische Männlichkeit‘ bezeichnet.

Toxische Männlichkeit bezeichnet ein Rollenverständnis, in welchem Männer möglichst dominant auftreten sollen, Gefühle wie Schwäche, Angst oder Unsicherheit nicht zeigen dürfen, stattdessen Wut und Aggression als einzig zulässige männliche Gefühle gelten. Sowohl Frauen als auch nicht der dominant-männlichen Norm entsprechende Personen werden hier als untergeordnet angesehen.“

Alles Themen, mit denen sich der Verein Lemann e. V. seit Jahren intensiv beschäftigt. Denn natürlich macht das auch Männer psychisch krank, wenn sie keine Schwäche zeigen dürfen, Fehler nicht eingestehen dürfen, immer dominant sein sollen usw. Alles Rollenmuster aus Zeiten des Patriarchats, das eben durch solche Rollenmuster bis heute überlebt.

„Diese Vorstellungen von Männlichkeit haben nicht nur negative Auswirkungen auf Frauen und Mädchen, sondern auch gravierende Folgen für die Gesellschaft insgesamt sowie für Männer selbst“, heißt es im Grünen-Antrag.

„So geht das Aufwachsen mit diesem Männlichkeitsbild für Männer häufig mit negativen gesundheitlichen Folgen einher. In einer aktuellen Umfrage von Plan International geben 50 Prozent der männlichen Befragten an, sie würden gesundheitliche Probleme nicht beachten – in der Annahme, diese gingen von selbst weg. 63 Prozent geben an, dass sie sich in ihrem Innern manchmal traurig, einsam oder isoliert fühlen.

Und 71 Prozent der befragten jungen Männer glauben, persönliche Probleme selbst lösen zu müssen, ohne um Hilfe zu bitten. Ein rigides Männlichkeitsbild führt darüber hinaus zu Gewaltbereitschaft, mit sich selbst, untereinander und gegen andere – in Form von Trans-, Queer- und Frauenfeindlichkeit, Gewalt gegenüber Kindern sowie Diskriminierung und Rassismus.“

Höhnen wie auf dem Schulhof

Und Höhnen gehört dazu. Das war in den Beiträgen von Weickert und Gabelmann nicht zu überhören. Denn wenn man etwas nicht hören will, weil man dann auch selbst anders handeln müsste, dann verhöhnt man es eben, macht es lächerlich. Und tut so, als ginge es bei anderen Männerbildern tatsächlich nur um queere Menschen oder Gendern. Statt um einen anderen Umgang miteinander – ohne Herrschsucht, Bedrohung und permanente Überforderung.

Denn dieses alte Macho-Gehabe überfordert die Gesellschaft immer wieder, richtet Milliarden-Schäden an, schafft eine ungerechte Politik mit Drohkulissen gegen Schwächere und sorgt vor allem für den Erhalt von Machtungleichgewichten und alten, bestens vernetzten Seilschaften.

FRau Ute Elisabeth Gabelmann (Freibeuter/Piraten) im Leipziger Stadtrat am 13.03.24. Foto: Jan Kaefer
Ute Elisabeth Gabelmann (Freibeuter/Piraten) im Leipziger Stadtrat am 13.03.24. Foto: Jan Kaefer

Ein ganz großes Thema. Das aber nicht so klein und schäbig ist, wie es Weickert und Gabelmann dargestellt haben.

Aus gutem Grund meldete sich auch Linke-Stadträtin Beate Ehms ziemlich erzürnt zu Wort. Denn mit ihren Reden haben Weickert und Gabelmann „ein ganz wichtiges Thema“ wieder einmal ins Lächerliche gezogen.

„Es ist von entscheidender gesellschaftlicher Bedeutung, vielfältige Bilder von Männlichkeit zu fordern und zu fördern, damit Gewalt, Unterdrückung und emotionale Belastung abnehmen und ungleiche Geschlechterverhältnisse ausgeglichen werden. Außerdem müssen Angebote der Täterarbeit in der Stadt Leipzig ausgebaut werden“, hieß es im Grünen-Antrag.

„In manchen Kontexten wird als Gegenentwurf zu den benannten problematischen Männlichkeitsvorstellungen von ‚gesunder Männlichkeit‘ oder ‚positiver Männlichkeit‘ gesprochen. Wichtig ist bei diesen Gegenentwürfen, dass Männer ihre Gefühle ausdrücken können und mit anderen in Mitgefühl und Respekt interagieren, sich für Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit einsetzen.

Eine so gefasste ‚positive Männlichkeit‘ ermutigt Männer dazu, eine größere Breite von emotionalen Ausdrucksformen zu entwickeln und jene Vorstellungen von Männlichkeit zu überwinden, die mit Dominanz, Kontrolle und Machtausübung einhergehen.“

Und das sollte sich dann eben auch auf der Website der Stadt spiegeln.

Dass da eine Menge Stadträte und Stadträtinnen trotzdem ein veritables Problem haben, männliche Rollenbilder anders zu sehen als in den alten Macho-Mustern, das wurde dann in der punktweisen Abstimmung des Antrags deutlich. Selbst der Punkt, die „Männer“-Seite der Stat Leipzig zu überarbeiten, fand mit 32:27 Stimmen eine ziemlich knappe Mehrheit.

Den Beitritt zum Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“ lehnte dann aber eine denkbar knappe Mehrheit mit 27:28 Stimmen ab. Da niemand zu diesem Bündnis gesprochen hatte, ist nicht ganz klar, welche Motivation hinter der Ablehnung stand – einfach nur die Sparsamkeit? Die Mitgliedschaft wäre eigentlich kostenlos.

Oder tatsächlich die Unfähigkeit, toxische Männlichkeit mit einem nach wie vor dominierenden Sexismus und seinen negativen Folgen in Zusammenhang zu bringen?

Eins jedenfalls wurde in diesem Abstimmungsergebnis deutlich: Das alte Denken in Männer-Schablonen ist noch immer lebendig.

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