Ein Schmierentheater der besonderen Art spielte sich in der vergangenen Woche in Großbritannien ab. Da wurde Donald Trump, Präsident der Vereinigten Staaten, der dabei ist, in den USA die freiheitliche Demokratie systematisch zu zerstören und ein faschistisch-rassistisches System zu installieren, in Großbritannien von King Charles III. nicht nur mit Pomp und Glamour empfangen.

Der britische Premierminister Keir Starmer umschleimte Trump mit einer angesichts der Brutalität, mit der Trump gegen Bürger/-innen vorgeht, die ihm nicht passen, unerträglichen Unterwürfigkeit. Wäre das auf einer Theaterbühne inszeniert worden, hätte man für ein solches Spektakel noch Verständnis aufbringen können. Doch hier geht es nicht um Theater, sondern um die Zerstörung all dessen, was für ein friedliches Zusammenleben in einem Land unerlässlich ist: demokratische Glaubwürdigkeit, Freiheitsrechte und Menschenwürde.

Um das ganze Ausmaß dieser unwürdigen Inszenierung zu erfassen, muss man bedenken: Der gleiche Donald Trump, der sich wie ein Halbgott auf Windsor Castle feiern ließ, schickt seine ideologischen Vasallen nach Großbritannien und in die Länder der EU, damit sie dort rechtsextremistische, rassistische Parteien und Gruppierungen unterstützen und die gleiche Zersetzungsarbeit an der Demokratie leisten wie in den Vereinigten Staaten.

Steve Bannon, Stephen Miller, Elon Musk, JD Vance fördern europaweit und mit aller Macht rechtsradikale Parteien und Bewegungen. Auf der Mitte September vom rechtsextremistischen Aktivisten Tommy Robinson organisierten Kundgebung gegen Migration in London war Elon Musk per Video zugeschaltet.

Er behauptete in seiner Rede, dass die Bevölkerung „Angst habe, ihre Meinungsfreiheit auszuüben“. Dem Sender BBC warf er vor, „an der Zerstörung Großbritanniens mitschuldig zu sein“. Dann rief er der Menge zu: „Ob ihr Gewalt wählt oder nicht, die Gewalt kommt zu euch. Entweder ihr wehrt euch oder ihr sterbt (…).“

Musk forderte dann noch, das Parlament aufzulösen, Neuwahlen vorzuziehen und einen Regierungswechsel herbeizuführen. Damit will er erreichen, dass Großbritannien so bald wie möglich von der rechtsextremen Reform UK Party des Nigel Farage regiert wird.

Damit ist die Agenda vorgezeichnet, derer sich seit über 100 Jahren Faschisten bedienen: die Delegitimierung demokratischer Institutionen und Organisationen und Aushebelung von Meinungsvielfalt, indem ohne jede Verschleierung die Umwertung aller Werte vorgenommen und skrupellos Lüge zur Wahrheit erklärt wird.

Vor allem öffentlich-rechtliche Medien, seriöse Zeitungen, demokratische Parteien sowie Richter/-innen werden pauschal bezichtigt, durch ihr Handeln die Meinungsfreiheit einzuschränken – um so einen Grund zu finden, die Medien, die für Meinungsvielfalt sorgen, durch Bedrohung, Einschüchterung und Klagen mundtot zu machen.

In den USA ist dieser Prozess schon weit vorangeschritten – so weit jedenfalls, dass Experten dazu raten, nicht mehr von einer drohenden Abschaffung der Demokratie und des Rechtsstaates zu sprechen, sondern von einer faktischen Diktatur.

Und der Hauptverantwortliche für dieses Zerstörungswerk, Donald Trump, wird in Europa ohne Not gehuldigt wie ein römischer Kaiser; und es wird immer noch so getan, als sei Europa auf diesen Faschisten politisch, wirtschaftlich, militärisch angewiesen? Wann endlich wachen die europäischen Regierungsvertreter/-innen auf und erkennen, dass mit einem Faschisten wie Donald Trump keine gemeinsame Politik zu verantworten ist!

Im Gegenteil: Die Staaten der EU müssen sich nicht nur schützen gegen die Zersetzungspolitik des Putin-Russland. Mit gleicher Klarheit muss die EU dem Versuch der Trump-USA entgegentreten, Europa in nationalistische Einzelteile zu zerlegen, die sich in absehbarer Zukunft mit der gleichen Gewalt neutralisieren, wie sie derzeit schon in den USA wütet und von dieser ausgeht.

Jeder von uns, der solche Gedanken für überzogen hält bzw. jetzt wieder an die sog. Interessenspolitik versus Werteorientierung appelliert, sei daran erinnert: Aufgrund dessen, was sich in Europa vor 100-80 Jahren abgespielt hat, kennen wir sehr genau die Mechanismen dieser Politik und vor allem ihre verheerenden Folgen. Insofern wissen wir auch, was jetzt zu tun ist: keinen Zentimeter vor Faschisten zurückweichen und sich so schnell wie irgend möglich aus ihrer Abhängigkeit befreien.

Das wird schwer genug sein. Aber wer jetzt nicht geistesgegenwärtig den Rechtsstaat und die Demokratie im Verbund der EU verteidigt, wird über kurz oder lang die gesellschaftlichen Verwerfungen erzeugen, die jetzt schon in den USA für ein raues Klima von Angst und Gewalt sorgen. Wie die Trump-Vance-Bande die Ermordung des fundamentalistischen Rechtsextremisten Charlie Kirk nutzt, um demokratische Freiheitsrechte einzukassieren, die Opposition auszuschalten und den weißen Rassismus zu fördern, erinnert an die gigantischen Propagandaveranstaltungen der NSDAP am Ende der Weimarer Republik, zu denen Beerdigungen von ermordeten Nazis aufgeblasen wurden.

Steve Bannon gibt die Tonlage vor: „Die Trump-Regierung muss die Antifa zur inländischen Terrororganisation erklären. Wir müssen hart werden, zeigen, dass wir es ernst meinen. Die Trump-Regierung muss Türen eintreten und all diese Leute verhaften.“ Trumps Vizestabschef Stephen Miller legt im Fernsehsender Fox News nach: „Die letzte Botschaft, die Charlie Kirk mir übermittelte, bevor er zu seinem Schöpfer im Himmel ging, war, dass wir die radikalen linken Organisationen in diesem Land, die Gewalt schüren, zerschlagen und bekämpfen müssen. Und wir werden das tun.“

Kein Zweifel kann darüber herrschen, wen Miller auch mit seinem Vorwurf der „heimischen Terroristen“ meint: Bürgerrechtsorganisationen und die Demokratische Partei. Diesen droht er: „Ihr wollt, dass wir in Angst leben? Wir werden nicht in Angst leben, aber ihr werdet im Exil leben.“ Trump selbst schürte in seiner Rede den abgrundtiefen Hass gegen jeden Menschen, der nicht seiner Meinung ist: „Ich hasse meine Gegner und wünsche ihnen nicht das Beste.“ Das ist keine Rhetorik – das ist die Marschroute seiner Politik.

Man kann nur hoffen, dass sich die Bundesregierung und die gesamte Führungsriege EU sehr schnell von Trump-USA emanzipieren und nicht länger der Illusion anhängen, man könne mit Faschisten eine gemeinsame wertebasierte Politik in und für ein demokratisches Europa machen. Doch noch wichtiger sind zwei Dinge:

Alle potenziellen Wählerinnen und Wähler mögen endlich erkennen, wohin eine Stimme für die AfD führen wird: in den braunen Sumpf einer die Freiheit erstickenden Diktatur.

Auch wenn es jeden Tag ausreichend Anlass gibt, Fehlentwicklungen innerhalb des demokratischen Spektrums zu beklagen – nichts davon kann und darf das Treiben der Trumps und Orbáns und ihrer Organisationen rechtfertigen!

Christian Wolff, geboren am 14. November 1949 in Düsseldorf, war 1992–2014 Pfarrer der Thomaskirche zu Leipzig. Seit 2014 ist Wolff, langjähriges SPD-Mitglied, als Blogger und Berater für Kirche, Kultur und Politik aktiv. Er lebt in Leipzig und ist gesellschaftspolitisch in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens engagiert. Zum Blog des Autors: https://wolff-christian.de/ 

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