Unter – gleichwohl äußerst hochgesteckten – Voraussetzungen ist es möglich, gegen den Rundfunkbeitrag zu klagen: Diesen Weg gab das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am Mittwoch, dem 15. Oktober, in einem mit Spannung erwarteten Urteil vor. Interessant ist nicht nur die Entscheidung der Leipziger Richter an sich, sondern auch das mediale Echo darauf. Ein Kommentar.
Eigentlich ging es nur um 63,53 Euro Rundfunkbeitrag, den die Klägerin nicht zahlen wollte: Auf den ersten Blick ein überschaubarer Sachverhalt, doch in der Begründung der Frau aus Bayern steckt gesellschaftlicher Zündstoff. Denn sie meint, aufgrund fehlender Staatsferne, Ausgewogenheit und Meinungsvielfalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) stehe es ihr zu, die aktuell 18,36 Euro pro Monat zu verweigern.
Die Hürden sind außerordentlich hoch gelegt
Was auch immer man davon halten mag – in jedem Fall trifft die Klägerin, die persönlich nicht in die Öffentlichkeit treten will, mit ihrem Rechtsstreit einen gesellschaftlichen Nerv. Das zeigt sich daran, dass das Leipziger Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) trotz zweier erfolgloser Klagen vor Gerichten in Bayern eine erneute Verhandlung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuließ.
Die Entscheidung von gestern sagt nun, grob zusammengefasst: Ja, eine Klage gegen den Rundfunkbeitrag ist denkbar, wenn der ÖRR bei der Gegenleistung, ein vielseitiges Programm anzubieten, nicht liefert. Das große „Aber“ ist dabei allerdings die hoch angesetzte Barriere, die vor einer erfolgreichen Klage steht: Wissenschaftlich belastbar muss vor einem Verwaltungsgericht nachgewiesen werden, dass der ÖRR in seiner Gesamtheit – Radio, TV, Telemedien – regelmäßig und systematisch beim Auftrag eines ausgewogenen und meinungsvielfältigen Angebots versagt. Zwei Jahre Zeitraum wurden als Minimum angesetzt.
Chancen nach jetzigem Stand gering
Eine einzelne Sendung als parteiergreifend, einseitig, zu wenig tief oder wie auch immer wahrzunehmen, reicht also nicht ansatzweise für ein schlimmes Missverhältnis zwischen Qualität und Abgabenlast, wie auch der Leipziger Senatsvorsitzende Ingo Kraft unterstrich.
Der gerichtsfeste Nachweis für eine Nichterfüllung des ÖRR-Auftrags, der zu einer Vorlage ans Bundesverfassungsgericht und einer Prüfung des Beitrags führen könnte, wäre eine Mammutaufgabe. Aus gutem Grund versagte sich das BVerwG nicht den Kommentar, dass die bayerische Klägerin nach jetzigem Stand kaum Erfolgschancen hätte.
Ein Warnschuss, gar eine Sensation?
Trotzdem fiel das mediale Echo auf das Urteil unterschiedlich aus: Während beispielsweise „Spiegel Online“ und MDR mit einem „Ja, aber …“ den Kern der Sache benannten, scheint der „Warnschuss“, von dem „Die Welt“ spricht, arg zugespitzt. Schließlich wurde der ÖRR mit dem Urteil inhaltlich nicht überprüft, sondern erst einmal nur ein mit vielen Hürden besetzter Weg vorgegeben, wie ein möglicher Klageweg aussieht.
Ob dies eine „Sensation“ darstellt, wie die „Süddeutsche“ meint, darüber kann man auch streiten. Zutreffend ist aber in der Tat, dass sich die Gerichte bislang aus der inhaltlichen Programmbewertung des ÖRR unter Verweis auf dessen Aufsichtsgremien eher heraushielten. Das gestrige Urteil ist also neu und wegweisend.
Aus Sicht der Klägerin ein Etappensieg
Ihr Ziel, den Beitrag nicht mehr zu zahlen, hat die Klägerin aus Bayern vorerst verfehlt. Gescheitert ist sie aber auch nicht: Ihr Fall wurde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen, wo er noch einmal verhandelt werden muss, Ausgang offen.
Rechtsanwalt Harald von Herget, der die Frau vertritt und Mitglied im Bundesvorstand der Querdenker-nahen Kleinpartei „Die Basis“ gewesen sein soll, nennt das Leipziger Urteil einen Erfolg, weil Verwaltungsgerichte zur Prüfung der ÖRR-Vielfalt in die Pflicht genommen wurden. Von einem „Etappensieg“ der ÖRR-Kritiker zu sprechen, wie ntv es tut, trifft es vor diesem Hintergrund auch.
Vor allem zeigen das Leipziger Urteil und das Gerangel um die Deutungsmacht, dass solcherlei Gerichtsentscheidungen bei Fragen nach Erfolg, Sieg oder Niederlage eben mitunter auch eine Frage der Perspektive sind. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht.
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In Sachsen halten 15% der Menschen den Öffentl-Rechtl Rundf (ÖRR) für ausgewogen. Das beste Ergebnis für den ÖRR wird in Schleswig-Holstein erzielt (30%). Fast 4 Mio sind im Zahlungsrückstand. Hatte das Vergnügen bei der Verhandlung im BVerwG anwesend zu sein. Der Vorsitzende Richter sprach von einer “hohen Betriebstemperatur”, die dieses Thema erforderte. Er habe noch nie so viel Briefe erhalten, handschriftlich auf karierten Blättern. Eigentlich ein Warnschuß an die ÖRR. Fraglich, ob diese Institutionen flexibel genug sind. Die Anwältin der ÖRR (in diesem Fall des Bayr Rundf), eigentlich sehr professionell und eloquent, verhaspelte sich und beklagte die “Belästigungen” durch die Hörer/Zuschauer. Richter sind gewiß nicht dumm, vielleicht Opportunisten. Liebe Opportunisten: keine Illusion, auch hier werden wir den USA folgen.