Seit dem 6. Januar lädt das Ausstellungsprojekt „Jahr1000Schätze im Merseburger Dom“ zu einer Zeitreise durch 1.000 Jahre Domgeschichte ein. Von Januar bis Oktober wird Monat für Monat ein weiteres Jahrhundert der Domgeschichte anhand überraschender Stücke aus dem Domstiftsarchiv vorgestellt. Jetzt rückt der „Sachsenspiegel“ in den Fokus. Warum also nicht mal zur Geschichtsreise nach Merseburg fahren?

Politik im Mittelalter

Im Juli erreicht die Ausstellung das 14. Jahrhundert. Ein für die zu Merseburg regierenden Bischöfe nicht ganz unwichtiges Jahrhundert.

Im 14. Jahrhundert nahmen stets Adelsfamilien aus dem Gebiet zwischen der
Bischofsstadt Merseburg und dem Harz den Bischofsstuhl ein. Dieser war so noch hochadlig und altsächsisch geprägt. Zunehmend konnten jedoch die Wettiner Einfluss gewinnen und es erweiterte sich das Blickfeld der Bischöfe nach Norden zum Erzstift Magdeburg und den Grafen von Anhalt. Ein letzter Königsaufenthalt im Jahre 1302 durch König Albrecht I. symbolisiert das Ende der Pfalz Merseburg.

Auf Kosten der römisch-deutschen Könige konnten die Merseburger Bischöfe ihren Besitz im Merseburger Umland ausdehnen. Mit der Machtausdehnung war für das Domkapitel die Bewältigung vieler neuer administrativer Arbeiten nötig.

Ausdehnung der Bischofsmacht brachte neue Herausforderungen

Die „Jahr1000Schätze“ im Juli zeigen deshalb wichtige Objekte der Rechtsprechung und Administration.

Eines der berühmtesten Rechtsbücher des Mittelalters ist die „Sachsenspiegel“-Handschrift. Sie ist im 14. Jahrhundert auch die Grundlage der Rechtsprechung in Merseburg. Der „Sachsenspiegel“ wurde zwischen 1220 und 1235 von Eike von Repgow niedergeschrieben und enthält in mehreren Teilen die Grundlagen zum Lehnrecht, zu Erbrechten, Abgabenordnungen und den Rechten der Bürger, Bauern sowie der Regelung der Königswahl. Das Merseburger Domkapitel verfügte daher folgerichtig über mehrere, zum Teil ausführlich kommentierte Handschriften dieses Rechtsbuches.

Die in der Ausstellung gezeigte Ausgabe aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ist keine Bildhandschrift, wie man sie bei anderen Ausgaben sieht, jedoch ist sie mit floralen Motiven aufwendig verziert. Außerdem wurde in der vorliegenden Ausgabe der Text sehr ausführlich festgehalten. Aus diesem Grund diente die Merseburger Ausgabe auch als Vorlage der volkstümlichen Reclam-Ausgabe.

Wie ein Bistum expandierte

Einer der bedeutendsten Bischöfe im 14. Jahrhundert war Friedrich II. von Hoym (von 1357 bis zu seinem Tod 1382). Während seiner Herrschaft gewann das Bistum weiter an Einfluss und vergrößerte seine Gebiete, beispielsweise durch den Erwerb Ostraus mit zahlreichen Dörfern am Petersberg 1377 oder durch die Inpfandnahme Lauchstädts, Burgliebenaus und Schkopaus seit 1370.

Geschäftssiegelstempel des Merseburger Domkapitels, 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Foto: Vereinigte Domstifter
Geschäftssiegelstempel des Merseburger Domkapitels, 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Foto: Vereinigte Domstifter

Durch die Erweiterung des Bistums stieg auch der Aufwand, um die Rechtsgeschäfte des Domkapitels zu bewältigen. Für die vielen administrativen Aufgaben besaß das Merseburger Domkapitel (neben einem feierlichen Siegelstempel) auch einen kleineren Stempel für alltägliche Beurkundungen.

Dieser Siegelstempel wird als zweiter „Jahr1000Schatz“ ausgestellt. Für den alltäglichen Stempel wird als Umschrift „ad causas“ (für Sachen) verwendet. Das Siegelbild zeigt einen thronenden König, erkennbar an Krone, Reichsapfel und Zepter sowie dem Reichsadler im Schild. Offenbar wird damit auf König Heinrich II., den heiligen Gründer des Bistums Merseburg, Bezug genommen, um die reichsunmittelbare Stellung des Bistums zu untermauern.

Das Domkapitel und der König

Zusätzlich lehnt sich der Stempel an das Siegel an, das der zu jener Zeit regierende König Karl IV. (1346–1378) führte. Mit diesem Siegel schreibt sich das Domkapitel wieder bewusst in die königliche Tradition Merseburgs ein. Das zeigt sich auch daran, dass das Domkapitel im 14. Jahrhundert immer wieder auf die Könige zuging, um sich Rechte bestätigen zu lassen.

Neben der Besichtigung des Ausstellungsprojekts in der Südklausur des Merseburger Doms laden die Vereinigten Domstifter ein, die „Jahr1000Schätze“ digital zu erkunden. Ein umfangreiches Online-Angebot bereitet die Zeitreise auf der Internetseite www.merseburger-domweihe.de in Fotos, Texten und Videos auf. In den Videos erläutert Markus Cottin, der Leiter des Merseburger Domstiftsarchivs, was die Ausstellungsstücke über das jeweilige Jahrhundert erzählen.

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