In der Südklausur des Merseburger Domes erwartet die Besucher eine neue Ausstellung. Erstmals wird die Rezeption der Merseburger Zaubersprüche in der Literatur seit ihrer Entdeckung 1841 dargestellt. Da die 1842 von Jacob Grimm vorgestellten „merseburger gedichte“ recht bald Eingang in Sammlungen zur deutschen Literaturgeschichte fanden, erfreuten sie sich eines großen Bekanntheitsgrades.
Ihr Klang, ihr Rhythmus und die zugeschriebene Magie verlockten zu einer literarischen Verarbeitung und Auseinandersetzung.
Bereits 1879 fanden sie Eingang in den Roman „Kuning Hartfest“ von David Friedrich Weinland. In England war es Clements R. Markham, der sie in „The Paladins of Edwin the Great“ verarbeitete. Bis heute sind zahlreiche Werke erschienen, die Teile der Zaubersprüche verarbeiteten, diese zitierten oder deren Herkunft erzählerisch zu deuten versuchten.
Besonders umfassend ist die Rezeption in Merseburg – hier seien nur die Namen von Walter Bauer und Jürgen Jankofsky genannt.
In der Ausstellung werden die jeweiligen Schriftsteller und ihr Werk kurz vorgestellt. Die Stellen, an denen die Zaubersprüche verarbeitet wurden, werden möglichst ausführlich zitiert. Ausstellungsobjekte sind zumeist die Erstausgaben der betreffenden Bände, man darf sich daher auf bibliophile Kostbarkeiten wie Thomas Manns „Doktor Faustus“ sowie Umberto Ecos italienische Erstausgabe des „Name[ns] der Rose“ freuen.
Die Gesamtheit der rezipierenden Literatur kann indes nicht gezeigt werden, wohl aber exemplarische Werke und Gattungen vom 19. Jahrhundert bis heute. Einzelne Autoren haben signierte Bücher zur Verfügung gestellt. Da die Ausstellung aus einem reichen Fundus schöpfen kann, werden die Objekte nach einer gewissen Zeit gegen neue getauscht. Dann erwartet den Besucher vielleicht eine neue Überraschung in Form eines bislang nicht gezeigten Typoskripts.
Die Besucher können sich überraschen lassen vom Einblick in eine umfangreiche Rezeptions- und Literaturgeschichte. Die Prominenz der Autoren und der Umfang der rezipierenden literarischen Werke belegen die den Merseburger Zaubersprüchen innewohnende Magie.
Ernennung eines Projektkoordinators für die Merseburger Zaubersprüche
Die Merseburger Zaubersprüche aus der Domstiftsbibliothek gehören zu den wichtigsten Zeugnissen für die Entwicklung der deutschen Sprache, für die kontinentalgermanische Götterwelt und die Anwendung von Magie. Ihre Erhaltung in einer christlichen Sammelhandschrift verdeutlicht das Nebeneinander heidnischer und christlicher Praktiken ebenso wie den Übergang von lediglich mündlichen gebrauchten Texten hin zu schriftlich festgehaltenen.
Diesen Besonderheiten der Zaubersprüche tragen die Vereinigten Domstifter durch die Beantragung der Aufnahme des Textes in das UNESCO-Weltdokumentenerbe (Memory of the World) Rechnung.

Rings um die Merseburger Zaubersprüche hat sich nicht nur eine umfassende wissenschaftliche Erforschung entwickelt, sondern auch zahlreiche Projekte und Initiativen, die zur Bekanntheit der Zaubersprüche beitragen. Dazu gehören Vorträge, Ausstellungen, Sprech- und Kunstwettbewerbe sowie eine
Machbarkeitsstudie. Um diesen Unternehmungen künftig eine Mitte zu geben, sie zu vernetzen und Impulse aufzunehmen und weiterzugeben, ernennen die Vereinigten Domstifter einen Projektkoordinator für die Merseburger Zaubersprüche. Dieser pflegt und hält die Kontakte zu wissenschaftlichen Einrichtungen ebenso wie zur Stadt, der Hochschule Merseburg und den verschiedenen privaten Initiativen.
So ist gewährleistet, dass ein reger Austausch über und zum Besten der Zaubersprüche gewährleistet ist.
Interessenten können sich über die Zaubersprüche informieren lassen, über ihre Initiativen berichten und Ideen aufnehmen.
Mit der Ernennung eines Zauberspruchkoordinators nehmen die Vereinigten Domstifter einen vielfach geäußerten Wunsch auf. Das Amt ausfüllen wird der Leiter des Domstiftsarchivs und der Domstiftsbibliothek Merseburg, Markus Cottin. Damit soll eine echte Lücke bei der Koordination der vorhandenen, vielfältigen Aktivitäten gefüllt werden. Dies geschieht im Bewusstsein und der Verantwortung der uns vielfältig anvertrauten Schätze, von denen die Merseburger Zaubersprüche zweifelsohne Weltgeltung haben.
Markus Cottin studierte Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Leipzig und war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für sächsische Landesgeschichte sowie bei der Sächsischen Akademie der Wissenschaften tätig.
Seit 2007 ist er für Archiv- und Bibliotheksarbeiten in Merseburg zuständig und hat mehrere Ausstellungen kuratiert (2014, 2015, 2018, 2021). Seit 2024 ist er Mitglied der Historischen Kommission für Sachsen bei der Sächsischen Akademie der Wissenschaften.
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