Ein Brausehersteller, der die Besucher seiner Website erst einmal fragt, ob sie überhaupt schon 18 Jahre alt sind, hat ein Problem. An wen will das in der Schöneberger Straße in Berlin ansässige Unternehmen BRLO eigentlich seine Brause verkaufen? An Rentner, Geschäftsleute, Hausfrauen oder Studis? Jedenfalls landete auch bei uns eine Kiste mit drei Flaschen „Pittiplatsch-Fassbrause“.

Pittiplatsch ist dieser freche Kobold aus dem DDR-Sandmännchen, das die Berliner irgendwie immer noch als heimlichen Star betrachten. Die Rechte für die Puppe liegen beim RBB, der die Fassbrause auch gleich einmal in seinen Online-Shop genommen hat.

1,70 Euro für die Flasche. „Die Pittiplatsch Fassbrause verbindet Groß und Klein. Nostalgie und Erfrischung. Süßholzwurzel und Apfelnoten. Bio-Qualität und Abwechslung. ‚Ach Du meine Nase!‘, das musst Du probieren! In unserem Partnershop BRLO und in allen BRLO Gastronomien erhältlich.“

Manchmal wird man das dumme Gefühl nicht los, die ostdeutschen Heimatsender kommen einfach nicht raus aus der DDR-Nostalgie und versuchen auch die jüngeren Generationen, die sie mit ihrem Programm nicht mehr erreichen, mit den Spaß- und Spielfiguren des DDR-Fernsehens zu ködern und ihnen einzureden, das sei irgendwie Kult, auch wenn es außerhalb der Pittiplatsch-und-Fuchs-und-Frau-Elster-Blase niemanden mehr wirklich interessiert.

Kein Wunder, dass viele ältere Ostdeutsche dann so eine Pittiplatsch-Sehnsucht nach den besseren alten Zeiten haben. „Da kiekste, wa“, steht auf dem beigelegten Pittiplatsch-Anhänger. Aber warum sollte man kieken, wenn das Spannendste am RBB 2022 ein veritabler Skandal samt ent-sendeter Intendantin war?

Und natürlich 18 Millionen Euro, die abgeschrieben werden mussten, weil das Projekt „Digitales Medienhaus“ den Berlin-Brandenburger Heimatsender völlig überfordert hat.

Die Kiste mit den vier Brauseflaschen stand jetzt die ganze Zeit lockend in der Büroecke – aber wirklich erwärmen konnte sich dafür niemand. Vielleicht auch des drin enthaltenen Zuckers wegen, der aus „kontrolliert biologischem Anbau“ stammen soll. Das mag junge Bartträger animieren, die mit der geöffneten
(Fass-)Brauseflasche in der Hand dann stolz wie Bolle über Berliner Trottoirs flanieren und Eindruck schinden wollen: „Du trinkst Pittiplatsch-Brause!“ – „Mach ick.“

Also hat auch keiner von uns eine Flasche geöffnet und gesagt, ob es ihm schmeckt. Nur unser Klugscheißer hat darauf hingewiesen, dass wir im Schrank noch etliche Flaschen früherer Fassbrause-Werbeaktionen stehen haben, ebenfalls ungeöffnet, weil sich partout kein Brausetrinker unter uns finden lassen wollte.

Irgendwann machen wir dann ein kleines (Fass-)Brause-Museum auf oder vergeben gleich eine Doktorarbeit zu der Frage: „Wie beeinflusst ein Flaschenetikett mit Plüschfigur die Gewohnheiten beim Brausetrinken?“

Wenn man bei BRLO dann tatsächlich bei der Frage nach dem 18. Lebensjahr den Button „Noch nicht“ anklickt, bekommt man auch noch die völlig verpeilte Antwort: „Sorry, aber ohne Muttischein läuft hier gar nix.“

Da kann man nur sagen: Zielgruppe verfehlt.

Aber vielleicht wollte man keinen Ärger mit Mutti, wenn die nach dem genauen Zuckergehalt der Brause fragen möchte. Denn so richtig modern sind hohe Zuckergehalte nicht mehr, wenn man sich in den jüngeren Familien hier in der Gegend umhört.

Pittiplatsch hat ja auch keine Zähne und muss nicht zum Zahnarzt. Und wenn doch, hat er das im abendlichen „Sandmännchen“ noch nicht verraten. Nur sein runder Bauch lässt vermuten, dass er Brause über alles liebt.

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Leo, wo ist dein Gebrüll aus früheren Jahren? Brauchst du jetzt wirklich eine missglückte Geschäftsidee aus Preußen und einen Seitenhieb auf die LVZ-Leserschaft, um Galle zu verspritzen? Mich habt ihr als Kunden mit triefender moralinsaurer Larmoyanz und Tunnelblick auch aus der Zielgruppe fallen lassen.

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