Die längst überfällige Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) wird zurzeit in Bundesrat, Bundestag und dem zuständigen Fachausschuss beraten. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat einen Entwurf der Novelle vorgelegt, die vom Regierungsentwurf zugunsten der befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abweicht. Einige Kernforderungen dieses Entwurfs betreffen auch Promovierende, wie die Regulierung der Befristungen von Arbeitsverträgen.

Nach unserem Verständnis sind Promotions- und Habilitationszeit Qualifizierungsphasen. Keiner der am Novellierungsprozess Beteiligten fordert unbefristete Arbeitsverträge, auch wir nicht. Jedoch halten wir es für dringend geboten, den Trend zur Flexibilisierung zu stoppen. Sowohl die Regierung als auch die Arbeitgeber (DFG und Hochschulen) müssen der lebenspraktischen Situation der Promovierenden Rechnung tragen. Warum sich junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei einer durchschnittlichen Promotionsdauer von vier bis fünf Jahren mehr als einen Arbeitsvertrag gefallen lassen müssen, erklären CDU/CSU und SPD nicht. Obwohl Promovierende häufig die gesamte Zeit in dieser ersten Berufsphase die gleiche Tätigkeit ausüben, ist eine Vielzahl von Kettenverträgen mit unterschiedlichen Laufzeiten die Regel. Auch wenn es gute Gründe für Kurzzeitverträge geben kann, wie die Überbrückung zwischen zwei Haushaltsstellen, brauchen wir eine Finanzierungszusicherung über die gesamte Promotionsdauer. Dies sollte in obligatorischen Betreuungsvereinbarungen festgehalten werden.

Unsere Promotionen sind kein Privatvergnügen und sie gehören neben den zu leistenden Dienstaufgaben, wie Lehre, Verwaltung, Forschung, Publikation von Forschungsergebnissen und Drittmittelakquise zum Leistungsspektrum einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin bzw. eines wissenschaftlichen Mitarbeiters auf einer Qualifikationsstelle. Vor diesem Hintergrund und der durchschnittlichen Promotionsdauer unterstützen wir die Forderung der GEW nach Mindestbefristungsdauern bei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Promotionsphase.

Wir fordern außerdem, dass die im WissZeitVG bisher nur fakultativ enthaltene Option der Verlängerung der Höchstbefristungsdauer bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Kinder und pflegebedürftige Angehörige betreuen, obligatorisch werden soll. Da sich Promotionszeiten häufig mit der Familiengründungsphase überschneiden, brauchen wir dringend eine verbindliche Ausgestaltung der Familienpolitischen Komponente. Diese und  auch eine verbindliche Behinderungspolitische Komponente gewährleisten dem wissenschaftlichen Nachwuchs in schwierigen Lebenslagen ein Mindestmaß an sozialer Absicherung und bieten auch die Möglichkeit, die Quoten bei nichtklassischen Promovierenden und Frauen in der Wissenschaft zu erhöhen.

Wie Ministerin Johanna Wanka stets betont, ist das WissZeitVG lediglich ein Element in einer ganzen Reihe von geplanten Änderungen zur Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen. Es sind auch die Universitäten gefragt, die sich die Selbstverpflichtung auferlegen sollten, Promovierenden als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen bzw. als wissenschaftliche Mitarbeiter mindestens ein Drittel bis die Hälfte ihrer Arbeitszeit für ihre Qualifizierung einzuräumen. Damit würde auch eine missbräuchliche Praxis eingedämmt, die das WissZeitVG in seiner bisher geltenden Fassung mit sich gebracht hat: Stellen -sogar Stellen, die Daueraufgaben abdecken -werden als Qualifikationsstellen deklariert, um sie nach Belieben befristen zu können. Dabei wird dann kein Anteil der Arbeitszeit für die Arbeit an der Dissertation vorgesehen, was der Stellenbeschreibung widerspricht.

Damit die Regelungen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu Gute kommen können, müssen insbesondere die finanziellen Mittel in den Haushalten der Länder den Anforderungen angepasst werden. Nur mit einer auskömmlichen Grundfinanzierung können Hochschulen und Forschungseinrichtungen angemessene Beschäftigungsverhältnisse gewährleisten, ohne dafür im Gegenzug Stellen streichen zu müssen.

Mithin der wichtigste Aspekt für diejenigen Promovierenden, die eine Karriere in der Wissenschaft anstreben, ist die fehlende Perspektive. Das gegenwärtige System funktioniert nach dem Up-or-Out-Prinzip: die erste und gleichzeitig letzte unbefristete Stelle ist die Professur. Schafft man es nicht auf eine der wenigen freiwerdenden Professuren, ist man häufig im Alter von Anfang bis Mitte 40 gezwungen, das Wissenschaftssystem zu verlassen. Es müssen wieder mehr unbefristete Stellen für Daueraufgaben unterhalb der Professur geschaffen werden. Ein Mittelbau, der fast ausschließlich aus befristeten Beschäftigten in der Qualifizierungsphase besteht, führt nicht nur zur Überlastung der Nachwuchswissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler, sondern auch zur Überlastung der Professuren und daher u.a. zu einem Qualitätsverlust in der Lehre.

Der überwiegende Teil der Nachwuchswissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler strebt nach einer aktuellen Umfrage der Mittelbauinitiative Leipzig überhaupt keine Professur an, sondern will lediglich seinen wissenschaftlichen Beruf ausüben. Hier ist nicht allein das WissZeitVG gefordert, das an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen keine Stellen schaffen kann. Solange die Aufhebung des Kooperationsverbotes noch nicht mit Leben gefüllt ist, liegt die Verantwortung bei den jeweiligen Ländern.

Nicht zuletzt sollten wir uns endlich alle trauen, Daueraufgaben in Forschung und Lehre definieren zu dürfen. Offensichtlich müssen wir das vor über 180 Jahren formulierte “Ideal der Einheit von Forschung und Lehre” den Anforderungen der Gegenwart anpassen, denn de facto wird an außeruniversitären Forschungseinrichtungen geforscht, während an Universitäten gelehrt wird.

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