Wagenplätze sind Formen gemeinschaftlichen Zusammenlebens, in der mobile und individuell ausgebaute Bau-, Last- und Zirkuswägen ihren Bewohner*innen eine langfristige Wohngrundlage bieten. Dies verschafft die Möglichkeit, unbebautes Land zu bewohnen.

Meist sind es offene Orte die durch zivilgesellschaftliches Engagement den soziokulturellen und zwischenmenschlichen Austausch fördern. Wagenplatzgemeinschaften leben in Selbstbestimmung durch kollektive Selbstverwaltung. Hier kann individuell gelebt werden, unter Berücksichtigung der Bedürfnisse jedes einzelnen Menschen. Wagenplätze sind die Realität gelebter Solidarität von Mensch zu Mensch. Das Wagenleben schärft das Bewusstsein für Ressourcen und nachhaltiges Handeln.

Nachhaltigkeit – dies bedeutet u.a. den Erhalt von unversiegelten Flächen, sparsamer Wasserverbrauch durch Nutzung von Regenwasser, Recycling/Upcycling, teilweise Eigenversorgung durch Solar- und Windenergie. Wagenplätze sind Wirkstätten für Antirassismus, die Gleichstellung von Geschlechtern und die Überwindung jeglicher Diskriminierung von Menschen.

Diese alternative Lebensweise erfreut sich einer zunehmenden Beliebtheit in vielen unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft. Doch Wagenmenschen blicken mit Sorge in die Zukunft, denn auch ihre Wohngemeinschaften bleiben nicht verschont vom Aufwertungsprozess in Leipzig. Der Druck von Immobilienspekulation und einer hierarchischen Stadtplanung bedroht das Fortbestehen vieler Wagenplätze.

Pachtverträge könnten jederzeit gekündigt werden – einigen Gemeinschaften wird mit Räumung oder Strafverfolgung gedroht. Der „Stadt Leipzig“ ist längst bewusst, dass die vielen sozio-kulturellen Projekte Teil des Aufwertungsprozesses waren und nun als Folge durch Verdrängung bedroht sind. Im Arbeitsprogramm 2020 (Herausgegeben von OBM Jung) heißt es:

„Vielfalt und Begegnung sind die Grundlagen für Innovation und kreatives Miteinander. […] Wir wollen ein Leipzig der Toleranz und des Respekts. Kreative Freiräume sollen auch künftig Nukleus [Kern] der Entwicklung unserer Stadt bleiben.“ Die „Stadt Leipzig“ unternimmt allerdings mit diesem Gewissen sehr wenig gegen die steigende Bedrohung der Freiräume. Stattdessen wirbt sie mit dem freiheitlichen Flair, der u.a. durch Kunsträume, Kulturkollektive, Hausprojekte und Wagenplätze genährt wurde – wie paradox.

Es ist an der Zeit aktiv zu werden! Die „Stadt Leipzig“ muss Räume und Flächen für gemeinschaftlich organisierte Gruppen ganzer Orts günstig bereitstellen!

Mit Blick nach Hamburg, Berlin oder München lässt sich erkennen, wie die Zukunft in Leipzig aussehen könnte. Die Wohnung zur Miete ist auch in vielen Vierteln Leipzigs schon jetzt unbezahlbar für einen Teil der Menschen, denn der Immobilienwirtschaft sind kaum rechtliche Grenzen gesetzt. Diese strukturellen Gegebenheiten machen es zu einer Farce, gemeinschaftlichen Wohnraum zu erschaffen.

Moderne Baustandards überschreiten häufig die Bedürfnisse der Menschen – Wagenplätze sind dazu ein Gegenentwurf.

Bisher spielen auf dem Wohnungsmarkt profitorientierte Immobiliengesellschaften und reiche Privatleute die Hauptrolle.Dieser Markt ist schnelllebig und intransparent, wodurch gemeinschaftlich organisierte Gruppen, die langsamere Entscheidungsstrukturen haben, stark benachteilig sind. Denn oft fehlt die Zeit, finanzielle Mittel aufzubringen, um bei diesem Wettbewerb mithalten zu können.

Durch diese Benachteiligung bei der Vergabe oder dem Erwerb von Boden und Immobilien sehen sich Menschen gezwungen, ihrem Verlangen nach Teilhabe sowie ihrem Unmut – in Form von Besetzungen oder anderweitigem Protest – Ausdruck zu verleihen.

Wir fordern daher die „Stadt Leipzig“ und alle aktiven Investor*innen auf, sich stärker für den Erhalt und die Integration alternativer Wohnformen und eine nachhaltige Stadtentwicklung einzusetzen. Das heißt auch, die Hürden für die Gründung neuer Wagenplätze abzubauen und Angebote für Freiräume zu schaffen.

Für eine Kommunikation mit Behörden auf Augenhöhe

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Die neue Leipziger Zeitung Nr. 59 ist da: Zwischen Überalterung und verschärftem Polizeigesetz: Der Ostdeutsche, das völlig unbegreifliche Wesen

Zwischen Überalterung und verschärftem Polizeigesetz: Der Ostdeutsche, das völlig unbegreifliche Wesen

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