Der Klimawandel ist als Thema in unserem Alltag präsent. Die Bewegung „Fridays for Future“ hat öffentlich sichtbar gemacht, worum sich viele Menschen sorgen: Die Zukunft unseres Planeten. Die Stadt Konstanz zum Beispiel hat erst Anfang Mai – inspiriert von „Fridays for Future“ – als erste deutsche Kommune den Klimanotstand ausgerufen. Das bedeutet, sie verpflichtet sich, bei jeder Entscheidung des Gemeinderates auch deren Auswirkungen auf das Klima zu untersuchen.

Das, was zunächst vor allem emotional getrieben scheint, haben Studierende der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) wissenschaftlich analysiert. Stefanie Penzel und Martin Hafemann, beide Master-Studierende der Energie-, Gebäude- und Umwelttechnik, haben ein über die vergangenen drei Jahre entwickeltes Modell des deutschen Energiesystems als Projektarbeit zusammengestellt und dokumentiert.

Es ging darum, anhand konkreter Daten am Beispiel des Jahres 2015 aufzuzeigen, in welchen Bereichen in Deutschland wie viel Energie verbraucht wird und darauf basierend für die Zukunft nachhaltigere Alternativen durchzuspielen.

Das gelang den Studierenden so überzeugend, dass das Ergebnis ihrer Arbeit seit April 2019 als Basismodell für Deutschland im frei verfügbaren, international verbreiteten Simulationsprogramm „Energyplan“ online zur Verfügung steht. Dieses Programm dient beispielsweise dazu, Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele zu prüfen und deren Wirkung quantitativ zu erfassen.

„Der Klimawandel und daraus resultierend die Energiewende ist die größte Herausforderung unserer Zeit. Mit ‚Energyplan‘ können insbesondere Studierende der Energietechnik erworbenes technologisches Fachwissen in ein Gesamtsystem integrieren und genau nachvollziehen, welche Neuerungen welchen Einfluss auf die energiebedingten Emissionen haben oder auch nicht. Wir freuen uns, dass das Modell der Studierenden bei ‚Energyplan‘ aufgenommen wurde und dass wir das erste Modell aus Deutschland erstellt haben“, sagt Jens Schneider, der das Projekt betreute.

Er ist Stiftungsprofessor für Mechanik von Werkstoffen der Photovoltaik; seine Professur wird von mehreren Solartechnik-Firmen sowie der Leipziger Stiftung für Innovation und Technologietransfer gemeinsam gestiftet.

„Durch dieses Referenzmodell und vor allem durch die ausführliche Dokumentation aller verwendeten Datenquellen ist der Einstieg in die Simulation des Energiesystems für Deutschland sehr viel einfacher geworden. Änderungen können in dem Modell leicht umgesetzt, neue Quellen leichter gefunden werden. Andere Interessierte – ob Hochschulen, Firmen oder Privatpersonen – haben damit einen sehr leicht Start, um ihre eigenen Modelle für zukünftige Energiessysteme zu entwickeln“, so Schneider.

Die Hauptarbeit der Studierenden bestand in aufwendiger Datenrecherche. Sie seien aber überrascht gewesen, wie kooperativ und bereitwillig ihnen die Daten zur Verfügung gestellt worden seien, sagt Stefanie Penzel: „Wir haben sowohl verschiedene Quellen angefragt als auch auf viele Veröffentlichungen zurückgegriffen, zum Beispiel von der Bundesnetzagentur und von der AG Energiebilanzen e.V., und haben die erhobenen Daten in das Modell integriert.

Anhand dieser Daten können wir nun verschiedene Szenarien durchspielen, um den Kohlendioxid-Ausstoß zu reduzieren. Im Jahr 2015 wurden zum Beispiel in Deutschland – ohne Einbeziehung der Landwirtschaft – rund 840 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Wenn wir in der Simulation beispielsweise die fossilen Energieträger als Energiequelle weglassen, können wir gleichzeitig Vorschläge erarbeiten, durch welche alternativen Energielieferanten der Bedarf ausgeglichen und genauso gut erfüllt werden könnte.“

Was kann das Modell leisten? Prof. Jens Schneider: „Wir wissen natürlich, dass die Welt komplex ist. Klar ist – es muss Einiges passieren. Die Energiewende ist möglich, aber es sind große Anstrengungen nötig, und zwar für uns alle. Wir wollen unseren Studierenden auch dafür das notwendige Rüstzeug mitgeben, um neben den einzelnen Technologie auch die systemischen Wechselwirkungen zu verstehen.“

Hintergrund

„Energyplan“ ist ein webbasiertes Modell zur Analyse und Simulation von Energiesystemen verschiedener Länder. Einbezogen – und stündlich aktualisiert – wird der Energieverbrauch in den Bereichen Elektrizität, Wärme bzw. Heizung, Kühlung, Industrie und Transport.

Das System wurde entwickelt und wird gepflegt von der Forschergruppe für nachhaltige Energieplanung an der Universität Aalborg in Dänemark. Es ist frei zugänglich wird nach eigenen Angaben von rund 500 bis 600 Wissenschaftlern, Beratern und Politikern in mehr als 50 Ländern genutzt.

Neben dem deutschen Energiemodell werden insgesamt Modelle für rund 20 Länder zur Verfügung gestellt, darunter Finnland, Mexiko, Großbritannien, Kenia und Neuseeland.

Weitere Informationen: https://www.energyplan.eu/

Link zum Studiengang: Energie-, Gebäude- und Umwelttechnik (Master)

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