Die Datenerhebung für den vorliegenden Bericht erfolgte zwischen Dezember 2018 und Mai 2019. Die Corona-Pandemie, die in den darauffolgenden Monaten alle gesellschaftliche und wirtschaftliche Bereiche massiv beeinflusste, hatte noch keine Auswirkung auf diesen Bericht. Dies muss bei der Interpretation aller Aussagen berücksichtigt werden. Im DGB-Index 2020 werden sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie wiederspiegeln. Der Bericht 2019 liefert jedoch wichtige Anhaltspunkte zur Beschreibung der Ausgangssituation der Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in Sachsen.

Wie beurteilen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Sachsen ihre Arbeitsbedingungen? Um diese Frage zu beantworten, hat sich das Sächsische Arbeitsministerium zum vierten Mal in Folge mit einer Zusatzstichprobe am bundesweiten „DGB-Index Gute Arbeit“ beteiligt. Gefragt wurde nach der subjektiv eingeschätzten Arbeits- und Belastungssituation der Beschäftigten.

Neben der Erhebung des DGB-Index (Indikator für Qualität der Arbeitsbedingungen) waren Schwerpunkte der Befragung die Themen Arbeitsmenge und Arbeitsüberlastung. Ein weiteres Schwerpunktthema war Gesundheit.

Qualität der Arbeitsbedingungen in Sachsen 2019

Sächsische Arbeitnehmer bewerten ihre allgemeine Arbeitsqualität 2019 insgesamt besser als im Vorjahr, aber nach wie vor deutlich kritischer als die Befragten in Deutschland gesamt und in Ostdeutschland. Über ein Viertel (26 Prozent) der sächsischen Beschäftigten bewerten ihre Arbeitsqualität als „schlecht“ (Deutschland: 20 Prozent, Ostdeutschland: 19 Prozent). Der Anteil „Guter Arbeit“ ist in Sachsen mit 9 Prozent größer als in Ostdeutschland (7 Prozent), liegt aber unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt von 13 Prozent.

Am unzufriedensten sind die Sachsen in den Bereichen „Einkommen und Rente“, „Arbeitsintensität“ und „Betriebliche Sozialleistungen“.
Beim allgemein schlecht bewerteten Teilindex Einkommen und Sicherheit sind es vor allem die Themen Einkommen und die (besonders negativ bewertete) zu erwartende Rente sowie die betrieblichen Sozialleistungen.

Hier ist zudem eine Auseinanderentwicklung zwischen Ost und Westdeutschland zu beobachten, die in Sachsen mit einem deutlichen Rückgang der Bewertungen einhergeht. Im Verhältnis zum Vorjahr verbessert sich Sachsen zwar, fällt aber im Vergleich mit Ostdeutschland zurück.

Die wahrgenommene Arbeitsqualität unterscheidet sich in Sachsen stark zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen. Die höchste Arbeitszufriedenheit findet sich im Baugewerbe, im Öffentlichen Dienst, in Information und Kommunikation und im Bereich Finanz- und Versicherungsdienstleistungen etc. Auffällig ist die relativ geringe Arbeitsqualität in großen Wirtschaftszweigen, die größtenteils durch qualifizierte Tätigkeit geprägt sind.

Sowohl Gesundheits- und Sozialwesen, Erziehung und Unterricht als auch Verarbeitendes Gewerbe und Handel liegen im unteren Bereich der Verteilung mit Werten unter 60 (von maximal 100) Indexpunkten. Im Gesundheits- und Sozialwesen sowie in Erziehung und Unterricht werden insbesondere hohe Belastungen beklagt.

Am schlechtesten und teils deutlich geringer als im Rest Deutschlands bewerten sächsische Beschäftigte ihre Arbeitsbedingungen in den einfachen Dienstleistungen (wirtschaftliche und sonstige Dienstleistungen, Gastgewerbe, Kunst/ Unterhaltung/ Erholung) sowie in Verkehr und Lagerei.

Sachsens Arbeitsminister Martin Dulig: „Auch wenn die Beschäftigten ihre Arbeitsbedingungen etwas besser einschätzen als im Jahr zuvor, gibt es noch sehr viel zu tun. Zu guter Arbeit zählt eine gute Bezahlung, Wertschätzung, gute Lösungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und auch Gesundheitsförderung. Eine zu hohe Arbeitsbelastung ist problematisch, denn arbeiten am Limit – und das dauerhaft – macht krank. Die Fachkräftesicherung muss im Betrieb selbst anfangen – mit guten und gesunden Arbeitsbedingungen.“

Sachsens DGB-Chef Markus Schlimbach: „Nach 30 Jahren deutscher Einheit sind die Menschen es leid, dass die Ost-West-Unterschiede bei den Arbeitsbedingungen, vor allem bei Bezahlung und Arbeitszeit, noch so gravierend sind. Die Gewerkschaften haben das in den zurückliegenden Jahren in den Vordergrund gestellt und dabei einige Fortschritte erreicht, wie die Entwicklung in der Ernährungsindustrie und im Öffentlichen Dienst zeigt. Entscheidend für eine erfolgreiche und schnellere Ost-West-Angleichung wird sein, dass mehr Menschen nach Tarifverträgen bezahlt werden.“

Weitere prägnante Ergebnisse der Befragung:

Frauen weniger zufrieden

Zwischen Männern und Frauen bestehen in Sachsen ausgeprägte Unterschiede bei der Arbeitsqualität, die größer als in den Vergleichsregionen sind. (Gesamtindex bei Frauen im Schnitt um 3,6 Prozentpunkte niedriger). Unterschiede entstehen vor allem durch höhere Belastungen und eine niedrigere Zufriedenheit mit dem Einkommen und der Beschäftigungssicherheit.

Dies gilt auch für Frauen in Leitungsfunktionen. Diese profitieren nicht in gleichem Maße wie Männer von höherem Einkommen und sind insbesondere durch höhere Belastungen in der Arbeitszufriedenheit beeinträchtigt. Eine wesentliche Ursache für die schlechtere Arbeitsqualität ist auch, dass Frauen häufiger als Männer in Wirtschaftszweigen mit schlechterer Arbeitsqualität beschäftigt sind. Dazu zählen u.a. das Gesundheits-/Sozialwesen, die Bereiche Handel, Gastgewerbe, Erziehung/Unterricht sowie Immobilien.

Hohe Arbeitsintensität

Eine zu große Arbeitsmenge, zu hohe Qualitätsanforderungen oder zu wenig Zeit für die Ausführung führen zur Erhöhung der Arbeitsintensität. 30 Prozent der befragten Sachsen geben an, dass sie oft oder sehr häufig ihre Arbeitsmenge nicht schaffen können (Deutschland: 26 Prozent, Ostdeutschland: 46 Prozent).

Die Arbeitsüberlastung nimmt mit steigendem Qualifikationsniveau zu: 41 Prozent der Hochqualifizierten gegenüber 27 Prozent der Facharbeiter schaffen ihr Arbeitspensum häufig nicht in der vorgegebenen Zeit. Eine zu hohe Arbeitsintensität verursacht Stress und kann langfristig zu gesundheitlichen Problemen führen.

Schwerpunktthema Gesundheit

Trotz vermehrt angegebener Belastungen schätzt die Mehrheit der befragten sächsischen Beschäftigten ihren gegenwärtigen Gesundheitszustand als zumindest zufriedenstellend ein (89 Prozent). Dennoch liegt der Anteil mit weniger guter bzw. schlechter Gesundheitsverfassung ab etwa 50 Jahren bei 16 Prozent.

Dabei sind Reihenfolge und Häufigkeit von Beschwerden bei sächsischen Befragten ähnlich wie bei Beschäftigten im restlichen Bundesgebiet. Die verbreitetsten körperlichen Beschwerden (Rückenschmerzen, Körperliche Erschöpfung und sonstige Gelenk- oder Gliederschmerzen) werden in Sachsen häufiger beklagt. Die Ursache dafür liegt sehr wahrscheinlich in hohen körperlichen Beanspruchungen und Belastungen.

Krank zur Arbeit?

Präsentismus zählt ebenfalls zu den Aspekten, die von der Arbeitsqualität beeinflusst werden. In Sachsen gaben 68 Prozent der Befragten (4 Prozent mehr als im Vorjahr) an, im Jahr vor der Befragung krank zur Arbeit erschienen zu sein, darunter gingen 35 Prozent bis zu neun Tage und 33 Prozent mehr als neun Tage krank arbeiten (Deutschland 65 Prozent, 38 bzw. 27 Prozent).

Ein hoher Teil der Befragten (46%) geht nicht davon aus, in ihrer Tätigkeit ohne Einschränkungen bis zur Rente durchhalten zu können. Betroffen sind insbesondere Arbeitnehmer mit hohen körperlichen Belastungen.

Hohe Wechselbereitschaft

Die Wechselbereitschaft in Sachsen liegt über dem deutschen Durchschnitt. Am höchsten ist sie bei jüngeren Arbeitnehmern und solchen in Helfertätigkeiten ausgeprägt, schlechte Arbeitsbedingungen spielen dabei eine wichtige Rolle.

Die Ergebnisse des „DGB-Index Gute Arbeit“ für 2019 können unter https://arbeit.sachsen.de/11580.html abgerufen werden.

Hintergrund

Beim Vergleich der Arbeitsqualität in Sachsen mit der in anderen Regionen müssen die sächsischen Rahmenbedingungen der Arbeit berücksichtigt werden. Folgende Besonderheiten sind relevant:

* Der Anteil älterer Beschäftigter ist in Sachsen wie auch in Ostdeutschland insgesamt deutlich höher als in Westdeutschland, der Anteil Jüngerer ist geringer. Daraus können sich Folgeprobleme für Arbeitsbelastung, Belastungsempfinden und Gesundheit ergeben.

* Die Wirtschaftsstruktur ist überdurchschnittlich von der Beschäftigung in Industrie, Baugewerbe und Gesundheits- und Sozialwesen (einschließlich Pflege) geprägt, ein weiterer bedeutender Bereich ist der Handel. Dementsprechend sind in der sächsischen Berufsstruktur Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Produktionsberufen und Gesundheitsberufen stärker vertreten als in der gesamtdeutschen. Sie haben häufig Facharbeiter- bzw. Berufsfachschulabschlüsse oder Fortbildungsabschlüsse wie Meister und Techniker. Der Anteil von Beschäftigten ohne Abschluss ist gering.

* Die Verteilung der Beschäftigten nach Betriebsgröße wird in Sachsen etwas stärker als im übrigen Ostdeutschland durch größere Betriebe bestimmt, dennoch arbeiten insgesamt mehr Befragte in kleinen und weniger in großen Betrieben als im deutschen Durchschnitt.

* Schichtarbeit ist in Sachsen mehr als doppelt so häufig wie in Deutschland insgesamt.

* Obwohl in Sachsen häufiger Vollzeit gearbeitet wird als in Deutschland, liegen die Einkommen im Schnitt deutlich niedriger.

Der DGB-Index „Gute Arbeit“ ist eine repräsentative Befragung von Beschäftigten aller Branchen, die der DGB seit 2007 jährlich durchführt. Die mündliche Arbeitnehmerbefragung und Datenerhebung wurde von Dezember 2018 bis Mai 2019 telefonisch durchgeführt.

Für Auswertungen liegen in Sachsen von 1.000 Beschäftigten verwertbare Befragungsergebnisse vor, deutschlandweit sind es 8.011. Diese stehen repräsentativ für die Grundgesamtheit der Arbeitnehmer und Beamten am Arbeitsort Deutschland bzw. Sachsen, ohne Freiberufler und Selbstständige.

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