Was der Ökolöwe befürchtet hatte, ist am Floßgraben in diesem Jahr eingetreten: Die Allgemeinverfügung der Stadt Leipzig zum Schutz des Eisvogels wird unterlaufen. Auch das Umweltamt selbst zählt vor Ort und hat allein in den Sperrzeiten 274 Verstöße durch Boote gezählt. Eingreifen kann die Behörde nicht wirklich. Und dazu kommt: Echte Partner sind die Bootsverleiher nicht. Einige haben weder die Boote nummeriert noch die Personalien der Nutzer erfasst. Ein Dilemma im kurzen Frage-Antwort-Spiel mit dem Umweltdezernat.

1. Hat die Stadt selbst die Einhaltung ihrer Allgemeinverfügung und der darin verordneten Sperrzeiten für die Durchfahrt des Floßgrabens kontrolliert? Wenn ja: In welchem Umfang und mit welchem Ergebnis?

Vom 18. April bis 10. Juni haben durch Bedienstete des SG Naturschutzbehörde und Naturschutzhelfer insgesamt 20 Kontrollgänge stattgefunden.

In den Sperrzeiten wurden insgesamt 274 Boote (Verstöße) notiert, die den Floßgraben trotz Verbot befahren haben. Weiterhin hat eine hohe Anzahl an Spaziergängern (z.T. mit Hunden) den Uferstreifen betreten (genaue Zahl nicht bekannt), insbesondere im Bereich der Kläranlage Markkleeberg. Es hat sich gezeigt, dass eine große Anzahl an Verleihbooten keine Nummern aufweisen, so dass der Anteil Privatboote/Verleihboote nicht ermittelbar ist. Außerdem hat sich gezeigt, dass die Verleiher die Personalien der Kunden nicht aufnehmen (können), was eine Ahndung ordnungswidrigen Verhaltens nicht ermöglicht.

2. Verstöße gegen die am 16. April verhängte Allgemeinverfügung wurden schon an den Folgewochenenden publik. Der Leipziger Ökolöwe hat sich deshalb am 27. April mit einer Beschwerde an die Landesdirektion und das Umweltministerium gewandt. Hat das zu einer Änderung im Kontrollverhalten der Stadt geführt?

Auch nach der Beschwerde werden die Kontrollen in unveränderter Form fortgeführt. Eine Intensivierung ist aus Kapazitätsgründen nicht möglich.3. Welche Möglichkeiten zur Kontrolle der Allgemeinverfügung besitzt die Stadt überhaupt? Und wie werden sie eingesetzt?

Die Gemeinde ist Ortspolizeibehörde. Mitarbeiter dürfen z. B. Personalien feststellen, Personen rechtswidrige Handlungen untersagen und vom Ort verweisen (Maßnahmen zur Einhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Die Durchsetzung ist allerdings oft nicht möglich, da keine körperliche Gewalt eingesetzt werden kann. Befugnisse der Naturschutzhelfer: Nach § 43 (6) SächsNatSchG haben “Zur Erfüllung der in den Absätzen 3 und 5 bezeichneten Aufgaben … die Naturschutzbeauftragten und die Naturschutzwarte die Befugnis, …
2. eine Person zur Feststellung ihrer Personalien anzuhalten, wenn sie bei Rechtsverstößen angetroffen wird oder solcher Verstöße verdächtig ist,
3. eine angehaltene Person zu einer Polizeidienststelle zu bringen, wenn die Feststellung der Personalien an Ort und Stelle nicht vorgenommen werden kann oder wenn der Verdacht besteht, dass ihre Angaben unrichtig sind,
4. eine Person vorübergehend von einem Ort zu verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes zu verbieten, …”
Die Durchsetzung ist allerdings oft nicht möglich, da auch hier keine körperliche Gewalt eingesetzt werden kann. Es erfolgen regelmäßige Kontrollen durch Mitarbeiter der Stadt Leipzig und der ehrenamtlichen Naturschutzhelfer.

4. Liegt schon eine Reaktion aus der Landesdirektion und/oder dem Umweltministerium vor? Und wie sieht sie aus?

Die Landesdirektion Sachsen hat der Stadt Leipzig einen Fragenkatalog vorgelegt. Dieser befindet sich derzeit in Beantwortung.

5. Wie gedenkt die Stadt dem massiven Unterlaufen der Allgemeinverfügung Einhalt zu gebieten? Immerhin ist selbst die Absperrung einfach entfernt worden. Leser berichten sogar von illegalen Baumfällungen.

Entfernte Absperrungen und Hinweisschilder werden soweit möglich ersetzt. Das Hinweisschild/Banner über dem Floßgraben wurde bereits zweimal mutwillig herunter gerissen bzw. gestohlen.

6. Ist die Stadt überhaupt in der Lage, so ein Projekt zu kontrollieren? Oder hat man darauf gehofft, dass eine öffentliche Verkündung reicht?

Es wird grundsätzlich unterstellt, dass die Verbotstatbestände der Allgemeinverfügung beachtet werden. Die Bootsverleiher selbst wurden in einer Beratung am 10.04.2014 über die bevorstehende Sperrung des Floßgrabens informiert und informieren ihrerseits die Kunden bzgl. der bestehenden Einschränkungen.

7. Wird es jetzt eine Änderung in der Allgemeinverfügung geben oder wird sich die Stadt aus ihrer Kontrollpflicht im Naturschutzgebiet lieber zurückziehen?

Die Stadt Leipzig hält an den Kontrollen fest. Behördenintern werden die Monitoringergebnisse zum Brutgeschehen des Eisvogels ausgewertet. Mindestens eine erfolgreiche Brut ist erfolgt. Aktuell gibt es keine konkreten Änderungsvorstellungen zur Allgemeinverfügung.

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