Ein "ungeliebtes Kind" nannte Andreas Geisler, gewählter Stadtrat der SPD in der neuen Leipziger Ratsversammlung, das Ökobad Lindenthal in einem grimmigen Leserbrief am 16. August. Da war es wegen "mikrobiologischer Grenzwertüberschreitung" schon seit einer Woche geschlossen. Doch die Grenzwertüberschreitungen kamen ja nicht von ungefähr. Ein Ökobad braucht Betreuung. Doch die ist der Stadt augenscheinlich zu teuer. Deswegen will sie das Bad umwandeln in einen Parkteich.

Aber auf die personellen Kosten oder die Kosten einer möglichen Sanierung geht das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport in seiner Vorlage gar nicht erst ein. Augenscheinlich geht man auf Verwaltungsseite schon felsenfest davon aus, dass der Stadtrat der Änderung des Eingemeindungsvertrages mit Lindenthal zustimmt und danach nur noch Bad und Freifläche zum Park mit Parkteich umgebaut werden müssen.

Im Eingemeindungsvertrag von 1998 heißt es unter § 9 Abs. 8: “Die Stadt Leipzig sichert den Erhalt und den Weiterbetrieb des Freibades in Lindenthal zu.”

Das hat das Sport- und Bäderamt der Stadt Leipzig übernommen, ab 2004 die ausgegründete Sportbäder GmbH der Wasserwerke. Mit der gibt es einen Bäderleistungsfinanzierungsvertrag. Und darin ist das Aus für das Ökobad in Lindenthal schon einmal vorformuliert und am 12. Dezember 2012 so auch vom Stadtrat beschlossen. Darin sei dargestellt, erläutert jetzt das Sportdezernat, “dass für das Ökobad Lindenthal die Umnutzung zum Landschaftssee im öffentlichen Grün ab 2013 angestrebt war.”

2014 wurde das Freibad schon mit verkürzten Öffnungszeiten, gesperrten Teilbereichen (u.a. Stege) und ohne perspektivisch für einen Weiterbetrieb als Bad dringend notwendige Investitionen zu tätigen, für die letzte Saison geöffnet. Man hat also schon mal vollendete Tatsachen geschaffen und das Jahr 2014 zur “letzten Saison” erklärt. Jetzt sammelt man die Zustimmung der diversen Gremien ein.

“Parallel zur Änderung des Eingemeindungsvertrages ist es vorgesehen, im Jahr 2014 durch den Aufsichtsrat der SBL einen entsprechenden Beschluss zur Schließung des Ökobades unter der Bedingung zu fassen, dass die Ratsversammlung und der Ortschaftsrat Lindenthal einer Änderung des Eingemeindungsvertrages bis 31. Dezember 2014 zustimmen.”

Ein zumindest seltsamer Satz, der irgendwie davon auszugehen scheint, dass alle nur noch Ja sagen.Zahlen zu einem Weiterbetrieb fehlen in der Vorlage. Vergleiche sind also nicht möglich: Welche Investitionen wären nötig, um den Weiterbetrieb zu ermöglichen? Welches Personal würde man brauchen?

Die Grundinvestitionen sind ja im Grunde längst abgeschrieben. 1,4 Millionen Euro hatte sich die Gemeinde Lindenthal den Bau des Bades anstelle des alten Freibades kosten lassen, die Stadt Leipzig hat noch einmal 100.000 Euro als Nacharbeit reingesteckt. Fördermittel sind keine geflossen. Die Gebäude auf dem Gelände sind intakt und sollen sogar – nach der Umgestaltung zum Park – für neue Betreiber (Sauna, Gastronomie) ausgeschrieben werden, was dann wieder Pachtgelder in die Kassen der Stadt spülen soll.

Dabei gibt man auch ein paar Neuerungen auf, die nicht nur 1999 wegweisend waren für eine andere Art Badebetrieb – ohne Chemie und Fernwärmeanschluss.

“Das Ökobad Lindenthal ist ein künstlich angelegtes und mit Teichfolie gedichtetes Gewässer. Unter dem Badeteich befinden sich Erdkollektoren, die mit einer Wärmepumpe verbunden sind. Die Wärmepumpe versorgt die Gaststätte und den Bereich der ehemaligen Sauna mit Wärme”, heißt es in der Vorlage zu einem dieser Aspekte. Ein anderer: “Der Badeteich ist unterteilt in ca. 2.660 m² Badebereich und ca. 2.500 m² Regenerationsbereich. Es handelt sich um eine ‘Eintopfanlage’. Die Wassertiefe beträgt von 0 bis max. 3,50 m Tiefe. Die Wurzelraumkläranlage (Binsenklärung) ist ca. 150 m² groß.”

Die Größe der Kläranlage bestimmt die Besucherzahl. Und sie würde normalerweise eine fachliche Betreuung des Bades notwendig machen.

Die Gaststätte wird übrigens von einem griechischem Betreiber genutzt, dessen Pachtvertrag bis Ende 2015 läuft. Hier könnte genauso ein weiterer Pachtvertrag abgeschlossen werden wie für die Sauna, die seit 2013 still liegt. Sowohl Restaurant als auch Sauna sollen ab 1. 1. 2016 einen Erbbaurechtsvertrag bekommen.

Der 10.000 Quadratmeter große Freiflächenbereich des Ökobades soll ans Amt für Stadtgrün und Gewässer übertragen werden, das dann für 211.000 Euro (Höchstbetrag) das Bad zu einer Grünanlage mit Landschaftssee umbauen soll. Die 211.000 Euro kalkuliert man für den Verkauf des ehemaligen Rathauses Lindenthal. Wenn man den Erlös nicht erzielt, sollen die Kosten für die Umgestaltung entsprechend reduziert werden. Da werden wohl einige Stadträte ein ganz mulmiges Gefühl bekommen.

Warum dann nicht die kaputte Rutsche im Bad austauschen und es wieder bespielbar machen?

Bevor das alles aber passieren kann, muss zwangsläufig der Eingemeindungsvertrag geändert werden. Der Absatz 8 in § 9 muss gestrichen werden, sonst geht gar nichts. In der Vorlage heißt es auch eindeutig: “Für diese Änderung muss Einvernehmen mit dem Ortschaftsrat Lindenthal hergestellt werden.”

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