Höchst besorgt ist der Landtagsabgeordnete der Grünen, Wolfram Günther, was nun an Pleiße und Floßgraben im Leipziger Auenwald passiert. Im Herbst wurden ja die Leipziger Naturschutzverbände aufgeschreckt, als auf der Pleiße auf einmal Baggerarbeiten begannen. Diese "Störstellenbeseitigung" war zwar schon fünf Jahre lang geplant. Aber wo waren eigentlich die Artenschutzgutachten zu Eisvogel, Grüner Keiljungfer und Co.?

Der Protest brachte die Bauarbeiten erst einmal zum Erliegen. Jetzt wird geprüft, was dran ist an den Vorwürfen, bei der Störstellenbeseitigung würde man die Siedlungsräume der Grünen Keiljungfer und des Eisvogels zerstören. Frühestens im August sollen die Bauarbeiten wieder aufgenommen werden.

Aber so ganz traut Wolfram Günther der Sache nicht. Denn einerseits gibt es von Seiten der Stadt seit 2013 ein regelmäßiges Eisvogelmonitoring. Die Stadt weiß also über die Brutreviere des blauen Vogels recht gut Bescheid. Und dass die Grüne Keiljungfer sich an den Gewässern im Leipziger Auwald wieder wohl fühlt, weiß man auch. Nur sind die Informationen dazu nicht öffentlich. Also hat Günther mal über die Landesregierung nachgefragt. Die hat ja die Informationen, die die untere Naturschutzbehörde – also das Umweltschutzamt der Stadt Leipzig – an die vorgesetzte Behörde, die Landesdirektion weitergeben muss, die den Fall nun prüft.

Per 30. März war die Sache freilich noch im Verfahren. Auch die Landesdirektion hat bis dahin nur Kurzeinschätzungen des Leipziger Amts für Umweltschutz vorliegen, teilte Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) auf die Anfrage von Günther nun mit.

Für den Einspruch des Ökolöwen in Sachen Grüner Keiljungfer ist aber auch die Kurznachricht aus dem Umweltschutzamt sehr deutlich. Thomas Schmidt: “Hinsichtlich der Grünen Keiljungfer äußerte die uNB (untere Naturschutzbehörde, d. Red), dass es zur Tötung von Larven kommen könne, was für das individuenbezogene Tötungsverbot gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 Bundesnaturschutzgesetz (…) relevant sein könne. Auch das Schädigungsverbot von Fortpflanzungs- und Ruhestätten gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG könne relevant sein.”

Was ja im Klartext heißt: Die Lebensräume der Grünen Keiljungfer müssten gründlich kartiert und bei den Bauarbeiten an der Pleiße komplett ausgespart werden. Was wahrscheinlich zu einer deutlichen Anpassung der Planungen führen muss.

Und beim Eisvogel sind noch die meisten Fragen offen. Denn Auskunft geben konnte das Amt für Umweltschutz nur für den ersten Bauabschnitt Richtung Connewitzer Wehr: Dort gibt es keine nachweisbaren Eisvogelvorkommen. Das Amt hatte in seiner Kurzmitteilung festgestellt, “dass im Bereich des 1. Bauabschnitts keine geeigneten Brutmöglichkeiten existieren (keine Verluste von genutzten oder potenziell geeigneten Brutplätzen), dass baubedingt keine erheblichen Störungen entstehen und dass es zu keiner erheblichen Einschränkung der Nahrungsaufnahme kommt”. Was sich bislang eben alles nur auf den 1. Bauabschnitt bezieht.

Günther wollte auch wissen, ob der Abbruch der Bauarbeiten nun eine Unwirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses für die Störstellenbeseitigung nach sich ziehe. Aber das sieht der Umweltminister nicht so. Zwar hat man mit den Bauarbeiten auf den allerletzten Drücker begonnen. Der Planfeststellungsbeschluss stammt vom 23. Oktober 2009 und wäre nach fünf Jahren ausgelaufen. Der etwas überstürzte Einsatz des Baggers war also auch ein Versuch, das 1,7-Millionen-Euro-Projekt noch zu beginnen, bevor die Gelder verfallen.

Die jetzige Unterbrechung aber hebt die Gültigkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht auf. Da es sich bei den bereitgestellten Geldern neben den Co-Finanzierungen der Kommunen um so genannte §4-Mittel handelt, also Gelder, die zur Wiederherstellung der Nutzbarkeit ehemaliger Braunkohlereviere gedacht sind, wollte Günther vom Umweltminister auch gern wissen, ob an der Pleiße überhaupt §4-Mittel eingesetzt werden dürfen.

Aber Thomas Schmidt sieht es da genauso wie die Akteure aus der Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland: “Mit dem Ziel der Entwicklung des ‘touristischen Gewässerverbundes der Region Leipzig’ wurde die beschriebene Maßnahme als Maßnahme der Folgenutzungserhöhung nach § 4 eingeordnet. Die Maßnahme ist Voraussetzung für die geplante weitere gewässertouristische regionale Entwicklung.”

Beim Lesen der Antwort aber fällt auf, dass Umweltminister Thomas Schmidt ganz bewusst dem eigentlichen Kern von Günthers Frage ausgewichen ist. Denn die Störstellenbeseitigung läuft ja unter der großen Klammer Schiffbarmachung, diene nun mal – so Günther – der “Verbesserung der Motorschiffbarkeit eines nicht vom Tagebau beeinflussten Gewässerabschnitts an der Pleiße (Planverfahren ‘Schiffbarmachung der Pleiße – Connewitzer Wehr bis Agra-Wehr’)”.

Und das gehört ja in das große diffuse Thema Wassertourismus. Dazu hat dann Wolfram Günther lieber eine eigene Anfrage gestellt. Das wollte er nicht auch noch in die “Störstellenbeseitigung” mit hineinpacken.

Dazu kommen wir gleich.

Frage und Antwort zur “Schiffbarmachung der Pleiße in Leipzig”.

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Mit der Antwort von Schmidt ist jedes Gewässer und jeder Gewässerausbau im Leipziger Auwald und allen anderen Leipziger Gewässern zu einem Projekt der Tagebaufolgenutzung geworden und unterliegt somit dem Bergrecht?! Und wo ist das Rechtsinstitut der Tagebaufolgenutzung geregelt? Bei dem der “vorgezogenen Tagebaufolgenutzung”?

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