Alles hat ein Ende, nur die Wurst wird teurer. In diesem Fall heißt die Wurst Lindenauer Hafen. Die Gewässeranbindung, die im Juli feierlich in Betrieb genommen werden soll, erlebt kurz vorm Finale dann doch noch, was bei fast allen Leipziger Bauprojekten passiert: eine Verteuerung. Auch hier gab es ein paar Überraschungen, mit denen augenscheinlich niemand gerechnet hat.

Die Vorlage zur Kostenerhöhung hat das Baudezernat noch am Donnerstag, 30. April, ins Verfahren gegeben, damit sich alle Stadträte übers erste Maiwochenende damit beschäftigen konnten. Es besteht sogar Handlungsdruck, denn die zusätzliche Million hat die Stadt eigentlich nicht bei der Hand. Der Doppelhaushalt 2015/2016 ist noch zur Prüfung bei der Landesdirektion. Vor Juni rechnet die Stadt nicht mit einer Genehmigung. Also braucht es eine schnelle Lösung, um die nächsten Rechnungen begleichen zu können, die auf das Baudezernat im Mai zukommen.

Insgesamt wird das Bauprojekt, das den Lindenauer Hafen an den Karl-Heine-Kanal anschließt, um 1,1 Millionen Euro teurer. Eigentlich waren es sogar 1,9 Millionen – aber ein Teil der Summe konnte durch Einsparungen im Baugeschehen auch wieder eingespart werden – so bei der Aluminiumbrücke, die durch ein geändertes Bauverfahren um 200.000 Euro preiswerter wurde.

Die Gründe für die Bauverteuerung listet das Baudezernat in seiner Vorlage natürlich auch auf. Dabei waren es die Baumaßnahmen selbst in diesem Fall nicht, die die Kostensteigerung bewirkten. Schuld sind – wie so oft in Leipzig – allerlei Funde im Boden, mit denen die Planer augenscheinlich nicht gerechnet haben. Oder nicht in dieser Menge gerechnet haben. Was schon verblüfft, denn gerade das Gebiet am Lindenauer Hafen wurde schon seit den 1930er Jahren intensiv von allerlei Betrieben genutzt. Und die starke Belastung mit den Ausflüssen einer nahe gelegenen ehemaligen Tankstelle im Ostbereich des Geländes hatte schon in den 1990er Jahren dafür gesorgt, dass eine besondere Reinigungsanlage für das Grundwasser aufgestellt werden musste.

Und gerade diese Rückstände und Ablagerungen im Boden sorgten für den größten zusätzlichen Kostenblock von 960.000 Euro. 60.000 Tonnen Ablagerungen mussten in  diesem Bauprojekt entsorgt werden. Die Kipperfahrer konnten live erleben, wie das ist, wenn man einen hübschen Kanal durch ein industriell stark belastetes Stück Boden baut. “Während der Realisierung des Bauvorhabens wurde festgestellt, dass die vorgefundenen Ablagerungen zum Teil von den ausgeschriebenen qualitativ und mengenmäßig abwichen. Aufgrund der objektiv begrenzten Anzahl und Ausdehnung der Baugrunderkundungen bei Tief- und Wasserbauvorhaben konnten diese im Vorfeld nicht erfasst werden”, versucht das Baudezernat nun zu erklären, warum man mit zu niedrigen Zahlen in die Planung gegangen war.

Ein Teil der Erklärung ist natürlich auch, dass in DDR-Zeiten in der Regel niemand Wert darauf legte, alle Umweltsünden zu kartieren. Zu den Ablagerungen, die am Ende die Entsorgung verteuerten, gehörten zum Beispiel “Bahnschwellen, MKW-belasteter Boden; Dachpappen”. MKW steht dabei für Mineralölkohlenwasserstoffe. Das Erdreich war schlicht ölgetränkt.
Auch die Leitungsverlegungen im Gelände wurden teurer, weil man im Boden Dinge fand, die auf keiner Karte verzeichnet waren. Der Baugrund war an vielen Stellen inhomogen und man stieß auch noch auf “vor Baubeginn nicht bekannte Betonfundamente”, und weil man auch noch einen von “Wasserlinsen” durchzogenen Baugrund vorfand, musste das Material für die Trinkwasserleitung (aus Gründen des Auftriebs und der Standsicherheit) gewechselt werden. Das machte dann 140.000 Euro.

An anderer Stelle stieß man auf Asphalt-, Beton- und Schotterflächen, die einfach mit Lockergestein überschüttet worden waren. Auch damit hatte keiner gerechnet: 13.500 Euro.

Auf der Westseite stimmten Grundstücksgrenzen und reale Grenzverläufe zu einem Grundstück der KWL nicht überein – eine Stützmauer für 88.000 Euro musste gebaut werden.

Und auch östlich der Luisenbrücke am Anschluss zum Karl-Heine-Kanal war der Boden inhomogen. Auch hier musste eine extra Stützwand gebaut werden: 65.000 Euro.

Und dann sind ja in den letzten Monaten in der Stadtverwaltung die Ideen wieder lebendig geworden, nun doch schon recht bald die Marina am Lindenauer Hafen zu bauen. Um diese bauen zu können, muss aber ein Teil des Hafenbeckens schon jetzt entschlammt werden: “Weiterhin wurden 120.000 Euro Folgekosten für die erstmalige, einmalige Sedimentberäumung seit der Fertigstellung des Lindenauer Hafens 1943 entlang der Kaimauer zur Gewährleistung des Bootsverkehrs und zur Nutzbarkeit der Anlegestellen der zukünftigen MARINA Leipzig-Lindenau eingestellt. Die Fläche zur Teilentschlammung befindet sich in Höhe des ‘LEIKRA’-Silos und umfasst eine ca. 2.700 m²  große über den Wasserspiegel herausragende sedimentierte Einspülungsinsel.”

Diese 120.000 Euro kommen auf die zuvor schon geplanten 280.000 Euro obendrauf, so dass die Teilentschlammung fast 400.000 Euro kostet.

Die Marina ist von der Stadt übrigens mit 2,7 Millionen Euro kalkuliert und sollte eigentlich von privater Hand gebaut werden. Wobei noch lange nicht vom Tisch ist, dass hier auch private Motorboote liegen werden.

Die Gesamtkosten für das Verbindungsstück zwischen Karl-Heine-Kanal und Lindenauer Hafen erhöhen sich jetzt also von 18,1 auf 19,2 Millionen Euro.

Einen Teil der Mehrkosten könnte über Fördermittel abgedeckt werden, teilt das Baudezernat noch mit.

Aber in der Vorlage dokumentiert es auch erstmals, dass sich die Vermarktung der neuen Grundstücke am Lindenauer Hafen deutlich verzögert. Immerhin sollen ja aus diesen Grundstückserlösen rund 7,7 Millionen Euro gewonnen werden, mit denen ein Teil der Kanalkosten refinanziert werden soll.

“Die Einzahlungen aus der Grundstücksvermarktung erfolgen nach derzeitigem Stand verzögert. Die Mindestgrundstückspreise haben sich jedoch als marktfähig erwiesen, so dass weiterhin mit Einzahlungen in der vollen Höhe gerechnet wird”, heißt es in der Vorlage, mit der sich der Finanzausschuss am 11. Mai erstmals beschäftigen soll. “Um die Einnahmeerzielung zu beschleunigen, wird die Vermarktung intensiviert und die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt.”

Das Vermarktungsbudget wird also aufgestockt. Vielleicht bringt ja die Eröffnung der Kanalverbindung einen weiteren Verkaufsschub.

Wenn nicht, müsste die Stadt umdenken. Dazu schreibt das Baudezernat ganz dezidiert: “Sollten bis zum 30.06.2016 keine unterzeichneten Kaufverträge vorliegen, ist die Vermarktungsstrategie zu überprüfen und dem Stadtrat ein Strategievorschlag zur Beschlussfassung vorzulegen.”

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“Die Gesamtkosten für das Verbindungsstück zwischen Karl-Heine-Kanal und Lindenauer Hafen erhöhen sich jetzt also von 18,1 auf 19,2 Millionen Euro.“

20 Millionen, allein für dieses Verbindungsstück?
Hallo? Gehts noch? Was soll der ganze Spaß denn nun am Ende kosten? Weiß das einer und wen?

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