Nein, es haben nicht alle elf Stadträte aus dem Fachausschuss Wirtschaft und Verkehr mitgemacht, als Anfang des Monats ein fraktionsübergreifender Antrag formuliert wurde, die aktuellen Umbaupläne der Georg-Schumann-Straße in Möckern zu stoppen. Nur acht haben sich beteiligt. Die Grünen-Stadträte haben sich wohlweislich herausgehalten, denn irgendwie geht es auch diesmal wieder um die Frage: Kfz versus ÖPNV.

Auch wenn die acht Stadträte vor allem die Durchlassfähigkeit der Hauptverkehrsstraße zum Thema machten, die sie durch den Bau der Haltestelle gefährdet sehen. In ihrem Antrag forderten sie, die Vorlage der Stadt zu stoppen und eine Variante mit frei gehaltener Fahrbahn neben den Haltestellen vorzulegen.

Was dann Carsten Schulze vom Pro Bahn e.V. als rechnerisch unmöglich feststellte. Die gesamte Straßenbreite ist mit 20,5 Metern einfach zu schmal, um alles nebeneinander sortieren zu können: Fußwege, Fahrbahnen, Gleistrasse, Haltestelle und – nicht zu vergessen: die Radstreifen, die seit 2012 deutlich dazu beitragen, die Georg-Schumann-Straße aufzuwerten.

Doch worum es bei dem Antrag wirklich geht, das hat jetzt einer deutlich gemacht, der den Antrag gar nicht mit eingereicht hat: AfD-Stadtrat Jörg Kühne, der für seine Fraktion aber auch im Wirtschaftsausschuss sitzt.

Ziemlich deutlich sagt er, worum es geht: “Der Straßenumbau mit separater Fahrbahn für motorisierten Individualverkehr und Wirtschaftsverkehr ohne überdimensionierte Fahrradwege sollte Priorität haben. Schon jetzt sind dort oft problematische Verkehrsverhältnisse zu beklagen, die nach der Sanierung nicht zementiert werden sollten. Den vorliegenden Plänen wird auch die AfD-Stadtratsfraktion nicht zustimmen können und fordert Frau Dubrau auf, ihre derzeitigen Sanierungsabsichten zwischen Huygensstraße (Arbeitsagentur) und S-Bahnbrücke nochmals zu überdenken.”

Sollen also die Radfahrer wieder mit dem Kfz-Verkehr auf eine Spur?

Die L-IZ sieht die Sache zwar auch kritisch. Aber manchmal braucht es auch ein paar Denkanregungen unterwegs. Und wenn jetzt die AfD eine alte Formel, die die CDU-Fraktion im Zusammenhang mit der Georg-Schumann-Straße immer wieder gern verwendet, aufgreift, dann sieht das schon wie ein Schulterschluss aus. Da haben ein paar Stadträte doch wieder nur in Auto gedacht und verstehen einfach nicht, warum es “überdimensionierte Fahrradwege” braucht.

Manchmal wirken diese auch so, besonders wenn man viele der älteren schmalen Handtücher von Radwegen kennt. Aber der Gesetzgeber hat nicht umsonst Mindestmaße für solche Radwege vorgegeben. Auch unter dem Aspekt, dass zeitweise deutlich mehr als nur vereinzelte Radfahrer unterwegs sind.

Aber die Kritik der Wirtschaftsstadträte kommt auch sehr spät. Denn bekannt sind die Pläne ja schon seit Herbst. Dass die Vorlage jetzt mit einigem Tempo im Stadtrat landet, hat auch damit zu tun, dass die Fördergelder noch 2015 beantragt werden müssen.

2016 soll gebaut werden

Daran erinnert Holger Mann, der das Leipziger Drama ja als SPD-Landtagsabgeordneter aus Dresden verfolgt und auch aus Oppositionszeiten weiß, wie schwierig das mit Fördergeldern aus dem Landestopf ist.

“Die Schumi braucht einen Ausbau, der die Interessen der AnwohnerInnen und Wirtschaftstreibenden vor Ort in den Blick nimmt. Stattdessen erleben wir in der Debatte einen Rückfall in die Verkehrspolitik der 90er Jahre, als es noch keine B6 (neu) gab”, kommentiert er die Vorgänge. “Eine solche falsche Priorisierung des Autoverkehrs würde das zarte Pflänzchen der positiven Entwicklung der ‘Schumi’ geradezu überrollen. Sehr viele mir bekannten Akteure, Immobilieneigentümer, Unternehmer und Vereine sowie unzählige AnwohnerInnen vor Ort sprechen sich für die Verkehrskonzeption auf der Beschlussvorlage der Stadtverwaltung aus. Es wird deshalb Zeit die vorliegende Konzeption umzusetzen.“

Am 17. Juni soll die Vorlage der Verwaltung im Stadtrat abgestimmt werden. Eigentlich für die nötigen Beantragungen der Fördermittel höchste Zeit.

“Durch eine Ablehnung bzw. den Aufschub durch den Stadtrat droht der Fördermittelverlust und eine weitere Hängepartie auf der Schumannstraße. Bisher ziehen KWL, LVB und die Ämter für Verkehr und Tiefbau sowie das Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbau gut an einem Strang. Diesen Schwung gilt es jetzt für die Entwicklung der ‘Schumi’ zu nutzen”, ermutigt Mann die Stadträte, dem Projekt zuzustimmen. “Der Ausbau der Georg-Schumann-Straße folgt der von Seiten der Stadt Leipzig und LVB seit Jahren umgesetzten Verkehrskonzeption und dem zeitgemäßen Haltestellendesign, wie es auch auf der Könneritzstraße und Eisenbahnstraße geschieht. Barrierefreiheit, Schutzdach und andere Elemente, werden gerade Kindern, SeniorInnen sowie jungen Familien und damit auch dem sich inzwischen besser entwickelnden Einzelhandel helfen.”

Soll wieder das Auto gegen die Straßenbah ausgespielt werden?

Und das Argument Hauptverkehrsstraße sieht Holger Mann in diesem Zusammenhang als falsch an. Denn für die schnelle Fahrt in die Stadt wurde ja nördlich der Georg-Schumann-Straße die B6 neu gebaut. Im Zuge der Max-Liebermann-Straße führt sie direkt zur B2. Sie sollte die stark belastete Georg-Schumann-Straße vor allem vom Durchgangsverkehr entlasten, was auch zum Teil so geschehen ist.

“Das Verkehrskonzept der Stadt hat mit dem Ausbau der B6 (neu) und der Zufahrt zur A 14 über diese und andere Zubringer gerade dafür gesorgt, die Georg-Schumann-Straße zu entlasten. Eine Optimierung des Autoverkehrs in den Nordwesten sollte daher durch eine verbesserte Einbindung in den Kreuzungsbereichen geschehen, nicht aber indem man die Diskussion von hinten aufzäumt”, stellt Holger Mann fest. Und betont, wie wichtig er die 2012 vorerst provisorisch gewonnene neue Straßenraumaufteilung findet: “Die bisherige verkehrspolitische Entwicklung der GSS mit klaren Parkmarkierungen, der separaten Fahrradspur, sowie der langsamen Begrünung durch die Baumpflanzung würde durch die erneute Bevorzugung des Autoverkehrs konterkariert und die langsame Belebung der Magistrale fundamental infrage gestellt. Das kann niemand wollen, der an der Schumi ein ernsthaftes Interesse hat.“

Für ihn ist das, was die acht Mitglieder des Wirtschaftsausschusses beantragt haben, nichts als das Wiederauflebenlassen eines “Wettrennens zwischen Auto und Bahn” und hat mit den “Bedürfnissen der NutzerInnen” eigentlich nichts zu tun.

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