Die Landesdirektion Sachsen errichtet in Leipzig eine weitere Notunterkunft zur Erstaufnahme von Geflüchteten. Bis zu 500 Asylbewerber sollen ab Freitag in der Ernst-Grube-Halle der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität untergebracht werden. Bereits am Montag hatte eine Erstaufnahmeeinrichtung in der Friederikenstraße für bis zu 430 Geflüchtete den Betrieb aufgenommen.

Den Spekulationen vom Vorabend folgte am Mittwochnachmittag die Bestätigung der Landesdirektion Sachsen: Die Ernst-Grube-Halle wird vorübergehend zur Erstaufnahmestelle für Geflüchtete umfunktioniert. „Gegenwärtig werden am Unterbringungsort die erforderliche soziale und medizinische Betreuung, der Wachdienst sowie die Verpflegung für neu ankommende Asylbewerber vorbereitet“, heißt es in einer Pressemitteilung. Zur Dauer der Unterbringung wurden keine Angaben gemacht. Unklar bleibt also zunächst, in welchem Ausmaß Sportwissenschaftler, LE Volleys, Judoclub Leipzig und andere bisherige Nutzer der Turnhalle von der Maßnahme betroffen sein werden. Man wolle gemeinsam nach Alternativen suchen, erklärte Jana Klein, stellvertretende Pressesprecherin der Landesdirektion, auf Anfrage.

Eine finale Besichtigung der Anlage erfolgte Mittwochfrüh. Die Stadt hatte von den Plänen des Freistaates, der für die Erstaufnahme zuständig ist, offenbar erst am Abend zuvor erfahren. „Es ist nicht zu akzeptieren, dass der Freistaat in diesem konkreten Fall die Stadt Leipzig nicht in die Planungen einbezogen und auch keine zeitlichen Grenzen für die Notunterkunft benannt hat“, kritisiert Sören Pellmann, Fraktionsvorsitzender der Stadtratsfraktion der Linken. „Auch wenn es sich um ein Objekt des Freistaates handelt, hat diese Entscheidung doch entscheidenden Einfluss auf unsere Stadt.“

Laut Unirektorin Schücking handele es sich um eine Notsituation. „Wir müssen an dieser Stelle helfen.“ Gleichwohl werde die Halle mit Beginn der Vorlesungszeit Mitte Oktober wieder für den Lehrbetrieb benötigt. Schon jetzt müssten Alternativen für laufende Aktivitäten wie Forschung und Training gefunden werden. Das sächsische Wissenschaftsministerium signalisierte dafür Unterstützung.

Deutliche Kritik kommt vom Initiativkreis Menschenwürdig

Die Aktivisten, welche sich für eine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in Leipzig einsetzen, finden die gefundene Lösung eher unangemessen. Initiativkreis-Sprecher Daniel erklärte: „Menschen müssen in Leipzig nicht in Turnhallen untergebracht werden. So etwas kann man nach Naturkatastrophen machen – für ein paar Tage.“ Die Kommunikationsstrategie der Landesdirektion sei erneut katastrophal. „Bei solchen Entscheidungen müssen Kommune und lokale Netzwerke, die sich für Flüchtlinge engagieren, von Anfang an mit einbezogen werden“, ergänzt er. Ähnlich wie in dem Zeltlager in Dresden befürchte er nun zumindest anfangs ein großes Chaos zu Lasten der Asylbewerber.

Für gewöhnlich ist die Ernst-Grube-Halle ein Ort für Training und Sportwettkämpfe (im Bild: Judo-Bundesliga), nun soll sie kurzfristig als Notunterkunft dienen. Foto: Jan Kaefer
Für gewöhnlich ist die Ernst-Grube-Halle ein Ort für Training und Sportwettkämpfe (im Bild: Judo-Bundesliga), nun soll sie kurzfristig als Notunterkunft dienen. Foto: Jan Kaefer

Laut Landesdirektionssprecherin Klein würden Bewohner dieses Zeltlagers bei der Zuweisung in die Grube-Halle bevorzugt behandelt: „Wir ziehen feste Unterkünfte stets Zeltunterkünften vor.“ Auch in die Erstaufnahmeeinrichtung in der Friederikenstraße waren vorrangig Familien mit Kindern aus der sogenannten Zeltstadt eingezogen. Die Dresdner Lösung steht wegen ihrer klimatischen, sanitären und räumlichen Bedingungen stark in der Kritik. Freiwillige Helfer sprachen von kriegsähnlichen Zuständen und eklatanten Verstößen gegen die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Der StuRa der Uni Leipzig verwies in einer Mitteilung auf jene Zustände.

Diese gelte es in der Grube-Halle von Anfang an zu verhindern. Marcus Adler, Referent für Antirassismus, ruft alle Studenten und Nutzer der Sporthalle dazu auf, vor Ort Hilfe zu leisten. „Um halbwegs menschenwürdige Bedingungen für die zukünftig untergebrachten Menschen garantieren zu können, sind die Stadt Leipzig, die Universität und das Studentenwerk dazu angehalten, diesen sämtliche sanitären Anlagen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sollte auch ein Fokus auf soziale Angebote und Beratung gelegt werden.“

Wie geht es weiter?

Auch in den kommenden Wochen ist mit weiter stark ansteigenden Flüchtlingszahlen zu rechnen. Waren es im ersten Halbjahr insgesamt 10.000 Asylbewerber, die Sachsen zugewiesen wurden, sind es laut Freistaat derzeit mehr als 1.000 pro Woche. Auch in Leipzig ist deshalb mit weiteren kurzfristigen Notunterkünften zu rechnen.

Die Fraktion der Linken im Leipziger Stadtrat forderte heute eine umgehend Sondersitzung im Stadtrat. Gemeint damit wohl noch im August. Analog zum Stadtrat in Dresden, sei im Rahmen einer aktuellen Stunde darüber zu beraten, welches Konzept die Stadt Leipzig bei der Unterbringung und Betreuung anwenden will. Dabei stünden neben der dezentralen Unterbringung eine menschenwürdige Unterbringung und der Erhalt des Grundrechtes auf Asyl an vorderster Front.

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Es gibt 3 Kommentare

Lieber Uwe, wir werden damit klarkommen. Versprochen. Aber die Art und Weise ist in der Tat ein galoppierender Witz und zudem reichlich unmenschlich.

Wie man anderenorts lesen kann, gibt es für die “Unterkunft” in der Grubehalle noch nicht einmal einen Betreiber, geschweige denn, dass irgendwelche vorbereitenden Arbeiten für den Empfang der Flüchtlinge (morgen!) angelaufen wären. Auch die Polizei weiß auch nur aus den Medien von der Tatsache und irgendwelche Sicherheitskonzepte oder gar -maßnahmen sind nicht in Sicht. Das Chaos ist also vorprogrammiert und man kann nur hoffen, dass alle Beteiligten (und Unbeteiligten) ruhig Blut bewahren und das beste aus der besch…. Situation zu machen versuchen.
Die LR in DD macht es sich ganz einfach: Nimmt ein Objekt im Landesbesitz, erklärt es zur Flüchtlingsunterkunft und schickt Flüchtlinge. Wie die Instanzen vor Ort (Stadt, Uni, Polizei, Vereine, Anwohner…) damit klarkommen, interessiert die einen feuchten Kehricht! Man kann den Eindruck gewinnen, dass die die Situation bewusst eskalieren lassen wollen, und so Stimmung pro ihrer “Grenzen dicht und Abschieben bzw. Abweisen”-Politik machen wollen!

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