Siegfried Schlegel ist in der Leipziger Linksfraktion der Sprecher für Stadtentwicklung und Bau. Der Sprecher für das Umweltpolitische ist Reiner Engelmann. Aber nicht Engelmann meldete sich am Dienstag, 18. August, mit einem geharnischten Statement zum Floßgraben zu Wort, sondern Bauspezialist Schlegel. Und tat sich damit keinen Gefallen.

Massiv griff er die Entscheidung der Landesdirektion an, Krautungen im Floßgraben aus naturschutzrechtlichen Gründen zu untersagen. Für ihn ist der Floßgraben ein Bauwerk. Selbst die Legende von der Rolle des Floßgrabens als Hochwasserableiter vertritt er noch mit breiter Brust. Und ein Gutachten wünscht er sich: “Daraus ergibt sich die Forderung, zum Erhalt des Floßgrabenssystems im südlichen Leipziger Auenwald ein qualifiziertes Gutachten zu erarbeiten unter Mitarbeit von Experten der TU Dresden, die seit Jahrzehnten weltweit einen anerkannten Ruf auch auf den Gebieten des Wasserbaus und der Forstwirtschaft besitzen. Eine wie auch immer geartete Freizeitnutzung ist hier nur ein Teilaspekt.”

Vielleicht hätte er das Thema doch lieber seinem, für Umweltpolitik zuständigen, Fraktionskollegen überlassen sollen.

Die L-IZ hat sich bisher die Veröffentlichung dieser Sommerloch-Stellungnahme verkniffen. Aber da die LVZ da eher keine Hemmungen kennt und den Einwurf aus der Bauexpertensicht veröffentlicht hat, bringen wir das Statement hier. Und ergänzen es um eine ausführlichere Stellungnahme von einem, der das Thema nun wirklich kennt wie seine Westentasche: Wolfgang Stoiber vom NuKla e.V.. Denn das Meiste, was Schlegel als Argument verwendet, hat weder Hand noch Fuß. Dass das so ist, hat auch damit zu tun, dass Schlegel mal wieder nur den LVZ-Beitrag zur Entscheidung der Landesdirektion gelesen hat.

Der war zwar für LVZ-Verhältnisse schon deutlich ausgewogener als Vieles, was vorher zum Floßgraben veröffentlicht wurde. Aber diese Veränderung hat Siegfried Schlegel augenscheinlich nicht mitbekommen. Vielleicht sollte er den Grünen-Fraktionschef Norman Volger nicht nur (falsch) zitieren, sondern bei solchen Themen vielleicht mal fragen. Auch die Grünen haben sich in den letzten Monaten wesentlich tiefer in das gar nicht so einfache Thema eingearbeitet.

Siegfried Schlegels Meinung zum Floßgraben

Floßgraben ist durch Menschenhand gestaltet und bedarf zum Erhalt der Unterhaltung  
LVZ 08.08.2015 Will Landesdirektion den Floßgraben für die Schifffahrt dicht machen?

Über das Agieren der Landesredaktion in Sachen Floßgraben kann sich Siegfried Schlegel, Sprecher für Stadtentwicklung und Bau, als diplomierter Bauingenieur nur wundern. Völlig unklar ist, dass eine staatliche Fachbehörde auf Grund der Forderung eines Vereins zu der Schlussfolgerung kommen kann: Die Entkrautungsmaßnahmen „waren für die Sicherung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses, die Erhaltung und Förderung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers als Lebensraum für die wild lebenden Tiere und Pflanzen und die Erhaltung des Gemeingebrauchs nach unserer Einschätzung nicht erforderlich“. In durch Menschenhand gestalteten und unter Schutz stehenden Gebieten selbst in denen mit Welterbetiteln sind Erhaltungsmaßnahmen notwendig, sonst würden z. B. innerhalb weniger Jahrzehnte die Almen in den Alpen zugewachsen sein. Auch im einzigen zu DDR-Zeiten ausgewiesenen Weltnaturerbegebiet im Südthüringer Vessertal müssen die Wiesen zum Erhalt der Pflanzenvielfalt gepflegt werden und es bleiben nur abgezäunte Waldkernzonen völlig unberührt.

Durch Recherche im Internet kann man erfahren, dass der Hauptgrund zum Bau des Elsterfloßgrabens im 16. Jahrhundert der Wunsch des sächsischen Kurfürsten nach einer eigenen Salzproduktion in Salinen war. Für das Eindampfen von salzhaltiger Sole aus dem Umland von Weißenfels in großflächigen Pfannen waren große Mengen Holz als Brennmaterial benötigt worden, die aus dem Vogtland kamen. Auch wegen des eigenen Brennholzbedarfs und Lieferant für Weihnachtsbäume besaß Leipzig bis vor einigen Jahren eigene Wälder im Vogtland. Wie die freigelegten Gewässerläufe im bebauten Stadtgebiet, muss auch der Floßgraben regelmäßig unterhalten werden. Eine Verkrautung hätte zur Folge, dass es zu Sedimentierung des Gewässers mit gänzlicher Verlandung kommt. Auch der Eisvogel wäre dann nicht mehr zu finden, weil er neben dem Wasser auch steile Uferböschungen für den Nestbau braucht. Unverzichtbar ist ebenso die Beachtung von Belangen des Hochwasserschutzes, weshalb auch weitere Gewässerläufe östlich und südlich des Sportforums im Fokus stehen. Zugleich ist er außerdem Technisches Denkmal.

Daraus ergibt sich die Forderung, zum Erhalt des Floßgrabensystems im südlichen Leipziger Auenwald ein qualifiziertes Gutachten zu erarbeiten unter Mitarbeit von Experten der TU Dresden, die seit Jahrzehnten weltweit einen anerkannten Ruf auch auf den Gebieten des Wasserbaus und der Forstwirtschaft besitzen. Eine wie auch immer geartete Freizeitnutzung ist hier nur ein Teilaspekt.

In Abänderung des von Grünen-Stadtrat Norman Volger zitierten Sprichworts sollte man angesichts des Getöses um den Floßgraben sagen: „Wenn Du ein Pferd nicht tot reiten willst, dann steig´ im Interesse von Mensch sowie Flora und Fauna lieber vorher ab“

Die Reaktion von Wolfgang Stoiber, Vorsitzender des NuKla e.V., auf Schlegels Text:

Sehr geehrter Herr Schlegel!

Es war Ihre Entscheidung, auf unsere Email vom 31.07.15 mit Gesprächsangebot (s. ganz unten) nicht reagiert zu haben.

Wie wir am heutigen Mittwoch in der LVZ lesen können, sind Sie nun ganz anderer Ansicht als der Ökolöwe, wir (NuKLA) und die LDS (Obere Naturschutzbehörde). Insbesondere Letzteres verwundert sehr.

Im Artikel fordern Sie zum Thema Krautung ein Gutachten. Als Stadtrat könnte Ihnen bekannt sein, dass es hierzu bereits ein solches „Limnologisches Gutachten“, beauftragt (und bezahlt) durch die Stadt Leipzig, gibt. Dieses ist der Verwaltung (ASG und AfU) selbstverständlich bekannt. Darin wird sehr klar gesagt, dass Krautungen keine für irgendetwas geeignete Maßnahme im Floßgraben sind. Dennoch hat die Stadt die Krautungen wiederholt veranlasst. Vor dem Hintergrund dieses Fachgutachtens war es nur folgerichtig, deswegen eine Fachaufsichtsbeschwerde an die LDS als Obere Naturschutzbehörde zu richten.

Das Ergebnis „verwundert“ natürlich diejenigen, welche den Floßgraben von Motorbooten nutzen lassen wollen: Dies ist die einzig folgerichtige Begründung für die Krautungsmaßnahme und hat nicht das Geringste mit einer wie auch immer gearteten Maßnahme zur „Unterhaltung“ des Gewässers zu tun – ganz abgesehen davon, dass im Rahmen das Allgemeingebrauchs, und um den handelt es sich nun mal im Floßgraben, nur Nutzungen zulässig sind, die ohne solche Eingriffe auskommen.

Ich erlaube mir, noch einmal Grundsätzliches zu naturnahen Fließgewässern und dem Floßgraben darzulegen.

Die kulturellen Einflüsse des Menschen auf den Wasserlauf der Batschke (natürlicher Vorgänger des daraus schon vor Jahrhunderten von Menschen zum Flößen hergerichteten Grabens) stehen im Widerspruch zu einem natürlichen Wasserlauf: Es wurden natürliche Mäander durch Begradigung beseitigt, um das Klafterholz-Flößen zu vereinfachen. Mäander eines natürlichen Flusslaufes sind aber eine Voraussetzung für das Entstehen von sog. Prallhängen, also Steilhängen, die durch Aus- und Unterspülen immer wieder neu entstehen. Solche Steilhänge mit offengelegter Erde sind Voraussetzung z.B. für das erfolgreiche Brüten des Eisvogels, der in diese seine Bruthöhlen eingräbt. Wenn uns am Floßgraben der Eisvogel erhalten werden soll, müssen wenigstens die noch vorhandenen Steilhänge erhalten werden. Neue Steilhänge an immer wieder neu entstehenden Mäandern (wie sie im natürlichen, lebendigen Flusslauf entstehen würden, insbesondere bei Schwankungen des Wasserstandes z.B. durch Hochwasser) können wir in nächster Zeit nicht erwarten.

Hier kommen wir zum zweiten schweren kulturellen Einfluss des Menschen: In den letzten Jahrzehnten hat der Mensch mit dem Braunkohlenabbau und der nach seinem Gutdünken erfolgenden Rekonstruktion der Landschaft das Niederschlagswassereinzugsgebiet der Batschke so verringert, dass der Wasserdurchfluss pro Zeiteinheit gegenüber dem Zustand vor etwa 100 Jahren viel kleiner geworden ist. Damit ist die dynamische Mäandrierung des Flüsschens zusätzlich nahezu stillgelegt. Es entstehen also keine neuen Steilwände. Auch die Wasserführung im Frühjahr reicht dazu nicht aus. Dies alles ist eher ungünstig für den Eisvogel, dessen Bestandserhaltung Ihnen ja am Herzen liegt. Außerdem führt das Flüsschen aufgrund seiner geringen Fließgeschwindigkeit nahezu keine mineralischen Stoffe in Partikelform mit sich, die sich im Floßgraben ablagern könnten. Eine Krautung wäre auch keine geeignete Maßnahme, mineralische Sedimente zu entfernen. Das organische Material absterbender Pflanzen ist im Gegenteil nützlich, da es mikrobiell in Grundbausteine abgebaut und, wenn nicht von anderen Pflanzen für ihr Wachstum recycled, mit dem Wasser abgeführt wird.

Da die Flößerei nun inzwischen nicht mehr usus ist, der Floßgraben also dafür nicht mehr herhalten muss, ist er der Natur zurück zu geben! Eine Krautung ist eine der Natur widersprechende Maßnahme, die für Erhalt und die erforderliche Verbesserung des derzeitigen Zustands von Batschke/Floßgraben komplett ungeeignet ist: Pflanzen gehören zum Ökosystem eines Fließgewässers und sind Voraussetzung für das Bestehen eines natürlichen mikrobiellen Systems und einer natürlichen Fauna von Wirbellosen und Wirbeltieren. Gibt es keine Nahrungsgrundlage für die Nahrungskette (und auch viele Fischarten fressen selbst Pflanzen), gibt es keine Fische, also kein Futter für den Eisvogel und damit keinen Eisvogel am Floßgraben.

Wer seit Jahren den Floßgraben beobachtet, wird immer wieder feststellen müssen, dass nach einer Krautung das Flüsschen trübes Wasser führt, und man hofft, dass die nicht vernichteten Restbestände von Wasserpflanzen (in diesem Jahr sehr geringe Mengen) sich bald erholen und mit ihrem Wachstum zu den Abnehmern der das Wasser trübenden Nährstoffe werden. Ist wieder ein ordentlicher Wasserpflanzenbestand erreicht, nimmt die Trübung des Wassers ab – der Floßgraben wird wieder erstaunlich klar. Aber dann stehen schon die nächsten „Unterhaltungsmaßnahmen“ der Stadt Leipzig an…

Neben den direkten, negativen Effekten der Krautung auf den Fischbestand hat die in der Folge dessen entstehende Wassertrübung auch eine weitere Wirkung auf den Eisvogel: Er ist bei seiner Jagd von Fischen auf möglichst gute Sicht angewiesen.

Abschließend: Ein Fluss erhält sich selbst. Das Wasser sucht sich seinen Weg in einer begrenzten Bahn, zum tiefsten Punkt der nahen Landschaft. Wir können, wie oben geschildert, bei Floßgraben/Batschke keine bedrohlichen Veränderungen erwarten. Krautung ist keine wasserbauliche Maßnahme, sie ist erst recht keine, die zur Erhaltung des Flusslaufes erforderlich wäre. Hier geht es offenbar nur um die Funktion der Schiffsschrauben von Motorbooten. Der Preis, den die Natur dafür zahlen muss, ist viel zu hoch – und verstößt gegen das Gesetz.

Zur Krautung kam übrigens noch das Beseitigen von Totholz im Wasser als „Unterhaltungsmaßnahme“ hinzu, auch dies für die Nutzung mit Paddelbooten nicht erforderlich. Im Wasser liegende Stämme dienen dem Eisvogel als Anflugwarten, er ist dringend darauf angewiesen, um Jagen zu können.

Und noch etwas: es gibt von Seiten der Stadtverwaltung sogar Pläne, einen Kanal im Verlauf des Floßgrabens zu bauen und den einzigen vorhandenen Mäanderbereich vom Wasserzufluss abzuschneiden. Dieses Ansinnen wurde, sicher aufgrund von Widerständen, (zunächst?) zur Seite gelegt.

Das Gutachten, sowie den Kanalplan erhalten Sie mit den Anlagen.

Eine Kopie dieser Mail erhält die Presse.

MfG Stoiber, NuKLA

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Es gibt 2 Kommentare

Stefan!
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Sind Sie hier der TROLL?
Sie sind der TROLL!
Erbärmlicher Abgang, junger Freund.

Zur Erinnerung:
http://www.l-iz.de/leben/gesellschaft/2015/08/gastkommentar-von-christian-wolff-es-geht-auch-anders-103174

http://www.l-iz.de/leben/gesellschaft/2015/08/tanners-sommer-special-interview-mit-der-tv-moderatorin-und-lebenshelferin-anja-burkhardt-101398#comments-beginn

http://www.l-iz.de/wirtschaft/mobilitaet/2015/08/gefahrenstelle-nr-12-im-leipziger-radnetz-frisch-gemalt-und-trotzdem-brandgefaehrlich-die-brandenburger-103212#comments-beginn

Im Statement des Herrn Schlegels ist wieder deutlich zu erkennen, was ich bei einem Großteil der Leipziger nach wie vor diagnostiziere, nämlich eine vollkommen technische und materialistische Auffassung von Natur. Natur darf nur Rohstoffe liefern und etwas Infrastruktur (Flüsse und Seen für die Motorboote), sonst hat sie keinerlei Rechte.

Hat schon seinen Grund, warum es gerade jemand von der Linkspartei sein musste…

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