So eine richtige Diskussion um die geplante Stilllegung der Straßenbahnstrecke nach Markkleeberg-West hat die "Leipziger Volkszeitung" nicht geführt. Aber am 21. Oktober war sie sich auf einmal ganz sicher: "Ende für Straßenbahn nach Markkleeberg naht ..." Tatsächlich steht der Beschluss zur Stilllegung der Straßenbahnstrecke auf Leipziger Gebiet am 28. Oktober auf dem Terminplan des Stadtrats.

Erstmalig, muss man sagen. Und das ist peinlich genug. Viel zu kurzfristig, das ist noch peinlicher. Und die Linksfraktion hat wohl nicht ohne Grund den Verdacht, dass hier vollendete Tatsachen geschaffen werden sollten und sollen, damit gar nicht erst über die Zukunft der Linie diskutiert werden kann.

Und das mit Daten, die die Linke mittlerweile komplett infrage stellt. In der Stadtratssitzung am 16. September ist ja bekanntlich der Linke-Antrag gescheitert, die Linie 9 wenigstens auf Leipziger Gebiet – also bis Forsthaus Raschwitz – zu erhalten. Auch die SPD-Fraktion hatte einen eigenen Antrag vorgelegt, den sie aber in letzter Minute zurückzog. Die Grünen hatten zuvor ebenfalls Zustimmung für das Anliegen der Linken signalisiert, sind dann aber – nachdem die LVB noch kurz vor Ultimo eine eigene Stellungnahme vorlegte – doch noch abgeschwenkt.

Doch die Informationsveranstaltung am 8. Oktober machte dann deutlich, dass einige Zahlen, wie sie in der Stadtratssitzung geäußert worden waren, so nicht zutreffen.  Da ging es um die realen Fahrgastzahlen, bei denen sich dann herausstellte, dass sie zwar beim Übergang aus dem Markkleeberger Tarifgebiet ins Leipziger um knapp 25 Prozent zurückgegangen waren, auf Leipziger Gebiet aber hatten die Zusteigerzahlen um 4 bis 6 Prozent zugenommen.

Mittlerweile gibt es auch eine Stellungnahme des Ökolöwen, die auch die Markkleeberger Zahlen hinterfragt, denn dass die Markkleeberger Zahlen an der Tarifgrenze zurückgingen, kann ja auch damit zusammenhängen, dass viele Markkleeberger in Markkleeberg-West in die Straßenbahn steigen, um dann in Markkleeberg-Mitte auf die S-Bahn umzusteigen.

Und wie ist das mit den nötigen Investitionen in die Strecke, die am 16. September kurzerhand mit 23 Millionen Euro beziffert wurden?

Die Summe würde mittelfristig tatsächlich notwendig, aber nur, wenn der komplette Streckenast bis Markkleeberg-West erhalten bleibt. Doch schon im Dezember soll ja die Gleiskreuzung in der Rathausstraße in Markkleeberg demontiert werden. Das passt eindeutig nicht zusammen.

Entsprechend grimmig klingt jetzt die Stellungnahme von Franziska Riekewald, verkehrspolitische Sprecherin und Steffen Wehmann, haushaltspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Stadtrat: “Mit der Beauftragung einer Firma zur Entfernung der Gleiskreuzung in der Rathausstraße in Markkleeberg für Dezember dieses Jahres wurden für einen Teil der Strecke vollendete Tatsachen geschaffen. – Da hier von der Planung sowie den Gesprächen und Absprachen mit der Stadt Markkleeberg und der Deutschen Bahn sowie der Beauftragung  zur ‘Entfernung’ mindestens ein Jahr Vorlauf notwendig ist, fragt Die Linke in der Ratsversammlung am 28. Oktober, wann die Stadtverwaltung Leipzig und/oder LVV und /oder LVB defacto die Entscheidung zur Stilllegung der Linie 9 ab Connewitz Kreuz bis  Markkleeberg West gefällt hat bzw. gefällt haben.”

Dazu kommt dann auch noch der Frust über die Informationspolitik, denn in diversen Gremien wurde mit völlig unterschiedlichen Zahlen operiert. Anfang Oktober hat auch der Stadtbezirksbeirat Leipzig-Süd mehrheitlich beschlossen: So geht es nicht. Die Strecke soll erhalten bleiben.

Auch dort musste man feststellen, dass praktisch alles, was zu einem transparenten Beschluss notwendig war, komplett fehlte: Eine Variantenuntersuchung für den Leipziger Streckenast gibt es genauso wenig, wie es eine frühzeitige Befassung von Stadtrat und Bürgern mit der geplanten Stilllegung gab. Tatsächlich wirkten auch schon die Festschreibungen der Strecke als “Untersuchungsstrecke” in diversen Stadtratsvorlagen bis 2009 wie der Versuch, eine Diskussion über die Strecke von vornherein zu verhindern. Nach 2009 herrschte einfach Schweigen zu dem Thema – bis dann im Juli der Stadtrat von Markkleeberg und der Landkreis Leipzig einfach ihre Beschlüsse fassten.

“Wir sehen im bisherigen Prozess einen insgesamt wenig demokratischen Vorgang, sowohl hinsichtlich der Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger der Stadt, als auch was die Kommunikation u.a.(!) von Investitionszahlen für diese Strecke betrifft”, stellen Riekewald und Wehmann fest. “Nach unserer Einschätzung und Recherche sind für den Erhalt der Leipziger Strecke kurzfristig weit weniger als 2 Millionen Euro notwendig (langfristig 5 Millionen Euro), d. h. eine erheblich geringere Investitionssumme als sie Oberbürgermeister Jung in der Ratsversammlung im September 2015 kommunizierte. Der Betrieb der Strecke ist mindestens im Leipziger Teil weit weniger defizitär als bisher angenommen. Dafür spricht auch, dass wohl auf der Gesamtstrecke von Connewitz Kreuz bis Markkleeberg West die Fahrgastzahlen um 25 % sanken, aber gleichzeitig ‘vergessen’ wird zu erwähnen, dass auf dem Leipziger Abschnitt diese im gleichen Zeitraum um ca. 4-6 % stiegen. Die Stadtverwaltung operiert hier scheinbar bewusst mit unterschiedlichen und widersprüchlichen Zahlen.”

Und mit Adresse an Verwaltungsspitze und Geschäftsführer: “Klasse wäre, wenn künftig die Ankündigungen von Geschäftsführern und Verwaltung zur Transparenz und Offenheit  nicht als Worthülsen verkümmern. Ein scheinbar weiter Weg Einzelner für eine vertrauensvolle  Zusammenarbeit mit dem Stadtrat.”

Dass tatsächlich nicht mal die Potenziale der Strecke untersucht wurden oder gar Varianten, die 9 in voller Länge zu erhalten, ohne dass es teurer wird, das zeigt jetzt ein Gutachten, das der Ökolöwe in Auftrag gegeben hat.

Dazu gleich mehr an dieser Stelle.

Die Anfrage der Linksfraktion zum Stilllegungsbeschluss der Linie 9.

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