Wahrscheinlich kann man auch das, was im Oktober 2015 auf den Flurgrundstücken 164i und 164c in Probstheida passiert ist, unter den Folgen des sächsischen „Baum-ab-Gesetzes“ verbuchen, ein Gesetz, das CDU und FDP 2010 verabschiedeten - wie so oft mit dem Versprechen von „weniger Bürokratie“ und „Verfahrensvereinfachung“. So etwas zieht immer. Aber tatsächlich hat das Gesetz nur mehr Unklarheiten und Streitfälle produziert.

In diesem Fall hat der Besitzer der beiden Grundstücke in Probstheida einfach die Säge angesetzt, ohne dass es in irgendeiner Weise Sinn macht. Bebauen kann er die Grundstücke nicht, denn dazu fehlen die Zufahrten. Unter einem breiten Streifen liegen Leitungen der Stadtwerke. Und tatsächlich hätte er hier auch nie eine Fällgenehmigung bekommen. Denn die Wiese bildete als alte Streuobstwiese ein wertvolles Biotop.

Doch seit Oktober 2015 schwelt der Ärger. Denn eigentlich muss der Besitzer die von ihm gefällten Obstbäume ersetzen. Doch augenscheinlich denkt er gar nicht daran.

Nun nehmen sich drei Stadträte des Themas an. Am Ende könnte es für den übereifrigen Grundstücksbesitzer teuer werden.

„Der alte Pflanzenbestand der oben genannten Flurstücke ist lt. § 21 Gesetzlich geschützte Biotope (zu § 30 BNatSchG) bei der Stadt Leipzig als besonders geschütztes Biotop mit der Kennziffer 3203.S mit der Bezeichnung ‚Streuobstwiese Prager Straße‘ geführt (vgl. S 8 Verzeichnis der gesetzlich geschützten Biotope)“, schreiben sie in ihrem Antrag. „Der Eigentümer der Flurstücke hat im Oktober 2015 den dortigen Pflanzenbestand ohne Genehmigung gem. §30 Abs 3 i.V.m. Abs. 4 BNatSchG abgeholzt. Daher ist eine Wiederherstellung der Fläche gem. §21 Abs. 4 gemäß SächsNatSchutzG erforderlich. Da der Eigentümer bereits zwei von Seiten der Stadt gesetzte Fristen (12. Januar 2016, 7. März 2016) zur Wiederherstellung hat verstreichen lassen, ist eine Wiederanpflanzung durch den Eigentümer nicht zu erwarten.“

Wobei Wiederanpflanzung ja schon seltsam klingt. Denn in der Regel ist der alte Baumbestand auf diesen historisch entstandenen Streuobstwiesen so nicht wieder herstellbar. Oft genug stehen auch noch seltene Obstsorten auf diesen alten Geländen. Es wird eben nicht nur ein historisch gewachsenes Biotop geschützt, das auch an einstige Landnutzungen in den eingemeindeten Ortsteilen – in diesem Fall Meusdorf – erinnert, es wird auch ein Lebensraum für zahlreiche angepasste Tier- und Pflanzenarten bewahrt.

In diesem Fall  ist er auf dem 1.371 Quadratmeter großen Grundstück zwischen den Straßenbahngleisen und der Wohnbebauung an der Straße Monarchenhügel erst einmal gründlich zerstört. Ein frustrierender Zustand für die SPD-Stadträtin Nicole Wohlfarth, Margitta Hollick aus der Linksfraktion und den grünen Fraktionsvorsitzenden Norman Volger, die jetzt gemeinsam einen Antrag eingereicht haben, die Streuobstwiese wieder herzustellen. Denn bauen kann dort niemand – wenn denn der Grundstücksbesitzer auf eine solche Wertsteigerung seiner Grundstücke gehofft haben sollte.

„Gemäß Auskunft des Stadtplanungsamtes ist auf dem angrenzenden Flurstück 60x eine grundsätzliche Bebaubarkeit gemäß Flächennutzungsplan in erster Reihe gegeben“, stellen die drei Stadträte zwar fest. Aber: „Dieser Grundeinschätzung widerspricht der Grundbuchauszug, der ‚ein Wasserleitungsrecht als beschränkt persönliche Dienstbarkeit dergestalt, dass ein Streifen von 5m neben der Rohrachse nicht überbaubar ist‘ auf dem Grundstück zugunsten der Stadtwerke Leipzig aufweist. Damit ergibt sich ein Streifen entlang der Gleise, der auf einer Breite von ca. 7 m nicht überbaubar ist. Gemäß der Flächenabstandsregelung für Gebäude bleibt zur Nachbarbebauung des Flurstücks 60t ein bebaubarer Abstand von ca. 1m. Laut §6 Abstandsflächen, Abstände Abs. 5 SächsBO ist zwischen Wohngebäuden ein Abstand von 3 m einzuhalten.“

Das würden also ziemliche Mini-Grundstücke werden, wenn die Stadtplaner hier überhaupt Grünes Licht zum Bauen geben sollten. Aber wie kommt man dann zu seinem Häuschen?

Denn direkt an der Westseite der Streuobstwiese verlaufen die Gleise der Straßenbahn. Da kann man keine Einfahrt in die Grundstücke schaffen.

Oder mit den Worten des Antrags: „Des Weiteren ist eine gem. §4 Abs. 1 SächsBO vorgeschrieben Zuwegung nicht gesichert, da eine Zufahrt zu den Grundstücken über das Gleisbett der LVB erfolgen müsste und eine Anfahrt über die parallel verlaufende Anliegerstraße ‚Monarchenhügel‘ durch Bebauung und private Grundstücksverhältnisse nicht gegeben ist.“

Wollte da also jemand vollendete Tatsachen schaffen und dann die Genehmigungsbehörden unter Zugzwang bringen?

Der Vorgang bleibt seltsam. Und für die drei Stadträte bleibt klar: Die Bäume müssen neu gepflanzt werden, damit das Biotop wieder eine richtige Streuobstwiese wird.

Und so beantragen sie gemeinsam in der nächsten Ratsversammlung am 22. Juni: „Die Stadt Leipzig bepflanzt die Flurstücke 164i und 164 c Gemarkung Probstheida mit Beginn der nächsten Pflanzperiode vollständig wieder auf und nimmt zum Ausgleich des Schadens durch widerrechtliche Abholzung eine adäquate Bepflanzung einer Ausgleichsfläche vor.“

Und wer soll das bezahlen? In diesem Fall scheint das klar, finden die antragstellenden Ratsmitglieder: „Die Kosten dieser Ersatzvornahme werden dem Eigentümer in Rechnung gestellt.“

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