Für FreikäuferEs war der Aufreger am 17. Juni, als Tobias Hollitzer mit Verwunderung auf einen Artikel der LVZ einging, in dem es hieß, die Stadt prüfe, „ob die Grablagen der SED-Funktionäre als Denkmal anzusehen und damit dauerhaft zu erhalten wären“. Mit diesem „Ehrenhain“ auf dem Südfriedhof beschäftigt sich Ex-Stadtrat Roland Mey seit 25 Jahren. Aber das war für ihn doch wie eine Eisdusche.

„Im Leipziger Stadtrat war im letzten Jahr ein Antrag zur ‚Würdigung der Opfer des 17. Juni 1953 im Bezirk Leipzig auf dem Südfriedhof‘ gestellt worden. Noch immer offen ist die darin neben dem früheren sozialistischen Ehrenhain geforderte ‚künstlerische Würdigung der Opfer der ersten Demokratiebewegung der DDR‘, wie es im Antrag heißt. Gestern war in der Zeitung zu lesen, dass die Stadt Leipzig stattdessen prüft, ob die Grablagen der SED-Funktionäre als Denkmal anzusehen und damit dauerhaft zu erhalten wären“, hatte Hollitzer verblüfft festgestellt.

Eigentlich ging es am 17. Juni um die Erinnerung an die Opfer des 17. Juni 1953 und an eine würdigere Gedenkstätte für sie auf dem Südfriedhof.

Dort aber fällt im „Ehrenhain“ noch immer die lange Reihe der Funktionärsgräber für die SED-Elite der DDR-Zeit auf.

Tobias Hollitzer: „Der Gedenkort liegt leider völlig unscheinbar am äußersten Rande. Gleichzeitig findet sich an zentraler Stelle auf demselben Friedhof noch heute der ehemalige sozialistische Ehrenhain, in dem an SED-Funktionäre erinnert wird, darunter auch die ersten beiden Stasi-Chefs von Leipzig. Die Etablierung eines würdigen Gedenkortes für die Toten des Volksaufstandes ist gerade in Leipzig, der Stadt der Friedlichen Revolution, leider noch immer mehr als überfällig.“

Und das war ja nun Roland Meys Dauerthema. Schon 1995 hatte er mit einer Menge Medienarbeit darum gekämpft, dass der Stadtratsbeschluss von 1992, den „Ehrenhain“ samt Propagandawand und Appellplatz zu beseitigen, auch endlich umgesetzt wurde.

Was dann – letzteres betreffend – auch endlich geschah. Nur das Gräberspalier für die SED-Funktionäre blieb noch liegen. Wenn das jetzt gar zum Denkmal erklärt werden sollte, wäre das ein Skandal, fand Mey und fragte kurzentschlossen im Rathaus an. Wo man augenscheinlich erst einmal überrascht war, denn man bat den streitbaren SPD-Mann um Geduld. Man müsste erst nachfragen.

Nun hat Sozialbürgermeister Thomas Fabian geantwortet. Und siehe da: Da hatte die Zeitung im Peterssteinweg doch wieder etwas Falsches gehört.

„Ihre geäußerte Vermutung, dass die Stadtverwaltung die Gräber im ehemaligen Ehrenhain zum Denkmal erheben will, trifft nicht zu“, teilt Fabian mit.

Das Denkmal für die Opfer des Faschismus mit Blick auf den „Ehrenhain“. Foto: Ralf Julke
Das Denkmal für die Opfer des Faschismus mit Blick auf den „Ehrenhain“. Foto: Ralf Julke

Das Problem, das augenblicklich die Verantwortlichen bewegt, ist die enge Verquickung der Funktionärsgräber mit dem Gedenken an die Opfer von Krieg und Naziherrschaft. Denn die Gräberreihe läuft ja schnurstracks zu auf das Denkmal für die Opfer des Faschismus und die Gräber für die Opfer der Naziherrschaft. Damit sollte einst ja eine „Traditionslinie“ sichtbar gemacht werden. Was die damaligen Machthaber als clevere Idee ins Bild setzten, bereitet jetzt den Denkmalschützern Kopfschmerzen. Denn daran, die Grabstätten der Opfer der Naziherrschaft (insbesondere der Ermordeten aus dem KZ Abtnaundorf) zu entfernen, denkt niemand. Dieser Teil der Anlage steht tatsächlich unter Denkmalschutz.

Aber wie man den Rest auseinanderdividiert, darüber grübeln augenscheinlich noch die Experten.

Oder mit den Worten von Thomas Fabian: „Unabhängig davon sind Meinungen aus der Sächsischen Denkmalschutzbehörde zum Umgang mit dem sozialistischen Ehrenhain geäußert worden, die aktuell diskutiert werden. Dabei geht es nicht darum, diese Anlage unter Denkmalschutz zu stellen, sondern einen verantwortungsvollen Umgang mit den Gräbern der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus zu erreichen.“

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