Es passiert überall. Bei den Nachbarschaftsgärten in Lindenau hat man es erlebt, beim kleinen Park an der Leopoldstraße, in der Eigenheimstraße in Dölitz wird noch gekämpft. Überall verschwinden die Brachen, die sich im Lauf der Jahrzehnte zu beliebten Parks und Grünanlagen gemausert hatten. Und der Grund ist jedes Mal derselbe: der Standort wird als Baufläche gebraucht. Das passiert jetzt auch dem kleinen Wäldchen in der Sternwartenstraße.

Vom 18. September bis zum 17. November hat Franziska Mai per Petition Unterschriften gegen die Abholzung der Fläche gesammelt, die in Teilen schon seit Jahrzehnten Brachfläche war. Bis 2001 standen auch noch drei Häuser darauf, die dann abgerissen wurden. Seitdem hat sich das Gelände sichtlich begrünt, ist zu einem regelrechten Wäldchen mit Wegekreuz geworden, ein reiches Biotop mitten in der Stadt, das auch deshalb auffällt, weil hier eben nicht aller paar Wochen die Rasenmeister mit ihren Mähmaschinen aufkreuzen und alles platt machen, was höher als 5 Zentimeter gewachsen ist.

Man ahnt so langsam, warum Leipzigs Umweltschützer immer unruhiger werden. Denn was die Stadt hier opfert, sind wirklich lebendige und artenreiche Biotope, die sich darin auch deutlich von dem unterscheiden, was in städtischen Parks meist passiert, wo der Englische Rasen genauso Ideal zu sein scheint wie auf den meisten privaten Flächen. Man bevorzugt artenarme Flächen, während es für die reiche Tier- und Pflanzenwelt der Stadt, die nicht in das pflegeleichte Muster passt, immer weniger Rückzugsräume gibt.

„Ich habe in einer achtwöchigen Petition 694 Stimmen für den Erhalt bestehender Baumbestände der Stadt Leipzig, eigens bestehender inzwischen bewachsener Brachflächen und insbesondere dem 4.000qm großen Park zwischen Seeburg- und Sternwartenstraße gesammelt“, schreibt uns Franziska Mai.

„Meine Intention als Anwohnerin ist die zunehmende Besorgnis beim Beobachten des schon länger andauernden ‚Kahlschlags‘ für zum Teil sehr fragwürdige sowie alles andere als nachhaltig wirkende Bauvorhaben, welche den schnellen Profit dem Bürgerinteresse sowie deren Gesundheit eindeutig vorziehen. Im Falle des ‚Sternwartenwäldchens‘ soll dieses beispielsweise zwei Mehrfamilienhäusern weichen, deren Wohnungen ausschließlich zum Verkauf stehen. (…) Ein weiteres Anliegen meinerseits sind die nicht sichtbaren oder maximal äußerst spärlichen Ersatzpflanzungen von gerodeten Flächen und die Frage, was mit den sogenannten Ausgleichzahlungen bei Baumfällungen passiert.“

Bauschild an der Sternwartenstraße. Foto: Ralf Julke
Bauschild an der Sternwartenstraße. Foto: Ralf Julke

In der Seeburgstraße und in der gegenüberliegenden Sternwartenstraße sollen zwei Mehrfamilienwohnhäuser mit Tiefgarage entstehen. In den Plänen sind aber auch noch zusätzlich sieben Stellplätze im Innenbereich eingemalt. Da wird vom gewachsenen Baumbestand wohl nicht viel übrig bleiben, von Büschen und Hecken ganz zu schweigen.

In der Petition ging es um den Erhalt des kleinen Parks.

Dort schrieb Franziska Mai: „Gemäß dem Motto ‚Ich sehe was das du nicht siehst und das ist (bald nicht mehr) grün!‘ liegt mitten im Herzen von Leipzig das ‚Sternwartenwäldchen‘ versteckt. Genauer gesagt ist der knapp 4.000 qm große Park hinter dem Ring-Café zwischen Sternwarten- und Seeburgstraße versteckt und soll zwei Bautafeln zufolge in naher Zukunft aufgrund des geplanten Neubaus von zwei klotzförmigen Mehrfamilienhäusern komplett abgeholzt werden (Recherchen ergaben, dass eine sogenannte Sondergenehmigung für den Eingriff in den Baumbestand vorliegt, da bis 2001 an der Stelle drei Gebäude standen und somit die Flurstücke im Flächennutzungsplan als Wohn- oder Gewerbefläche ausgewiesen sind.)“

„Wir erwarten von den Verantwortlichen der Stadt Leipzig, den Baumbestand zur Bewahrung und Verbesserung unseres Stadtklimas jetzt und künftig besser zu schützen, sowie ein nachhaltiges Bewusstseins für diesen ganzheitlichen Wert zu entwickeln. Das bedeutet auch, die bestehende Flora in die städtebauliche Planung zu integrieren, statt diese dem kurzsichtigen Profit untergeordnet zu behandeln“, schreibt Franziska Mai. Und hinterfragt den Leipziger Umgang mit den schmelzenden Grünbeständen: „Es macht zunehmend den Anschein, dass die Entscheidungsträger von Leipzig ihr Bewusstsein dafür verloren haben, das sich die Funktion von Bäumen nicht nur auf Klimaregulierung, Wasserhaushalt und Schallschutz, sowie das Stadtbild und die Erholung der Bevölkerung begrenzt. Sie fördern zudem den kontinuierlichen Naturhaushalt der Stadt indem sie Lebensraum für Vögel und Insekten bieten, welche wiederum ihren Beitrag zur Balance des ökologischen Einklangs erfüllen. Nicht zuletzt haben Baumbestände eine enorme Bedeutung für die Reinhaltung der Luft, indem sie unbeirrt Sauerstoff produzieren und Schadstoffe filtern, was zweifellos (und beständig wissenschaftlich belegt) maßgeblich für UNSERE Gesundheit ist.“

Ein Pfad durchs "Sternwartenwäldchen". Foto: Ralf Julke
Ein Pfad durchs “Sternwartenwäldchen”. Foto: Ralf Julke

Ihre berechtigte Frage: „Ist es Ihr Ziel, die Leipziger Bevölkerung in die Ära ‚Leipziger Lungen filtern alles!‘ zurückzukatapultieren? Denn nebenbei bemerkt: erst im Frühjahr dieses Jahres wurde in 500 m Entfernung der komplette Baumbestand auf einer Wiese eliminiert. Die in Reih und Glied gepflanzten ‚Ersatzbäumchen‘ wurden zu 75 % einige Wochen nach dem Pflanzen wieder entfernt. Was genau geht hier eigentlich vor?“

Es handelt sich dabei um die Wiese an der Jablonowskistraße, die eine Zeit lang als Kompensationsstandort für Leipziger Baumpflanzungen diente. Aber die Bäume mussten nun weichen, weil der Platz dringend zum Bau der seit langem fehlenden Grundschule für die Mitte gebraucht wird.

Vor der Ratsversammlung am 13. Dezember will Franziska Mai die Petition mit den gesammelten Stimmen an Oberbürgermeister Burkhard Jung übergeben.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar