Eigentlich funktioniert es, auch wenn eher konservative Parteien lieber Ojemine rufen und von Gängelei und Bevormundung reden, wenn Stadtverwaltungen und private Investoren sich zusammentun, um gemeinsam Projekte für die Stadt zu entwickeln. Ein Busterminal zum Beispiel, das Leipzig nicht besaß, als der Bundestag 2013 den Fernbusmarkt liberalisierte – und damit ein völlig neues Phänomen ins Rollen brachte.

Auch wenn es heute völlig anders aussieht als 2013 oder 2014, als Dutzende Anbieter mit bunten Bussen die Gelegenheit ergriffen, sich ein Segment vom neuen Fernbus-Markt zu sichern. Schon 2013 explodierten die Zahlen. Denn ganz ohne Fernbusse war Deutschland auch vorher nicht. Viele internationale Routen wurden schon damals von Bussen befahren – aber eben grenzüberschreitend. 3 Millionen Fahrgäste wurden bis 2012 jährlich gezählt. 2013 schnellte die Zahl auf 8,2 Millionen, mittlerweile nutzen über 25 Millionen Fahrgäste den Service.

Nur hat gerade in den letzten drei Jahren eine radikale Marktbereinigung stattgefunden. Mit FlixBus dominiert ein Unternehmen heute rund 91 Prozent des Angebots. Und auch in Leipzig stehen in der Goethestraße regelmäßig zwei, drei, vier froschgrüne Busse hintereinander. Am heutigen Freitag, 23. März, zum letzten Mal. Dann hat das 2013 eingerichtete Provisorium, das im Grunde nur aus ein paar Haltestellenschildern besteht, ein Ende.

Am Samstag, 24. März, um 7 Uhr, wird der erste Fernbus aus dem neu gebauten Busterminal auf der Ostseite des Hauptbahnhofes abfahren. Dann nimmt zumindest das Busterminal ganz offiziell seinen Betrieb auf, das am Donnerstag, 22. März, schon feierlich eröffnet wurde. Draußen stoben die Schneeflocken. Das passte schon und zeigte, warum es so wichtig war, ein überdachtes Busterminal zu schaffen, wo die Fahrgäste nicht in Wind, Schnee und Regen stehen.

Ein FlixBus fährt ins neue Terminal ein. Foto: Ralf Julke
Ein FlixBus fährt ins neue Terminal ein. Foto: Ralf Julke

Den Auftrag dazu erteilte Leipzigs Stadtrat auch gleich im Jahr 2013. Dass die Zustände in der Goethestraße nicht dauerhaft sein konnten, war auch den Ratsfraktionen klar. Doch während reichere Großstädte ihre Busterminals selber bauen konnten, war in Leipzig dafür kein Geld vorhanden. Deswegen lautete der Auftrag an das Planungsdezernat, mit einem privaten Investor eine Lösung zu finden.

Wer sich erinnert: Die erste Zeit war ein regelrechter Eiertanz, weil die Stadt verzweifelt nach einem Grundstück suchte. Selbst das Gelände der Messe war in der Diskussion. Am Hauptbahnhof hatten zwar in den letzten Jahren viele attraktive Flächen ihren Besitzer gewechselt – aber Leipzig hatte nie das Geld, bei diesen Grundstückserwerben mitzuhalten.

Tragisch auch deshalb, weil gerade die innerstädtischen Bahngrundstücke ideal gelegen sind für alle, wirklich alle Infrastrukturbedürfnisse der wachsenden Stadt – für Schulen, Kitas, Wohnungen, Radwege – und eben ein Busterminal. Das war eigentlich die zentrale Forderung des Stadtrates: So ein Busterminal sollte zwingend in Bahnhofsnähe stehen, um alle Verkehrsarten an einem zentralen „Mobilitäts Hub“ zu vernetzen und kurze Wege beim Umsteigen zu gewährleisten – vom Zug in den Bus, vom Bus in die Straßenbahn, aufs Fahrrad, ins Taxi, ins Leihauto … Man staunt, wie weit der Leipziger Stadtrat 2013 im Kopf schon war.

Ingo Seidemann bei seiner Eröffnungsrede. Foto: Ralf Julke
Ingo Seidemann bei seiner Eröffnungsrede. Foto: Ralf Julke

Und die Stadt hat bekommen, was sie wollte, auch wenn es dazu einen Investor wie Dr. Ingo Seidemann von S&G Development brauchte, der einerseits den Zugriff auf eine wertvolle Fläche auf der Ostseite des Hauptbahnhofs hatte und andererseits bereit war, sich mit Jochem Lunebach, dem Leiter des Leipziger Stadtplanungsamtes, zusammenzusetzen und Ideen zu entwickeln, wie sich ein Busterminal privatwirtschaftlich bauen und betreiben ließe. Denn Leipzig hatte ja kein Geld, aber den dringenden Wunsch, dieses Busterminal zu bekommen, und zwar nicht nur eins nach 08/15, sondern eins, das sich in den Stadtraum einfügt. Deswegen gab es später auch noch einen Gestaltungswettbewerb mit viel öffentlicher Aufmerksamkeit und viel Kritik und einer noch deutlichen Verbesserung durch ein Gutachtergremium.

Aber auch drinnen sollte es mehr bieten als nur kahle Bussteige.

Und das hat es auch bekommen. BusGates nennt es Dr. Ingo Seidemann, in die die Busse einfahren können. Und zwar zentral gesteuert. Elektronisch wird den Bussen ihr BusGate zugewiesen. Darüber hängen blaue Fahrgastanzeiger, die auch den Reisenden zeigen, wo ihr Bus einfahren wird. Die Steuerzentrale aber sitzt in Bremen, erzählte am Donnerstag zur Eröffnung Stephan Pieper, Prokurist der OPG Center Parking GmbH, die das Busterminal ab Samstag betreiben wird – samt den darüber aufgeschichteten Parkdecks, in denen 550 Pkw-Stellplätze untergebracht werden. Die Parkdecks werden noch nicht am 25. März eröffnet, sondern voraussichtlich im Mai.

BusGate 5 mit Blick zu den Dienstleistungseinrichtungen. Foto: Ralf Julke
BusGate 5 mit Blick zu den Dienstleistungseinrichtungen. Foto: Ralf Julke

Die OPG ist ein Beispiel dafür, wie viel Infrastruktur mittlerweile rund um die rollenden Busflotten entstanden ist. Von ihrem elektronischen Center in Bremen koordiniert sie hunderte Buslinien. In einem Betriebsjahr werden allein 30.000 Fernbusse das Leipziger Busterminal ansteuern, nannte Pieper die angemeldeten Zahlen, erwartet werden allein in Leipzig 1,6 Millionen Bus-Passagiere. Allein dafür hat sich der Bau des Terminals schon gelohnt, das aber eben auch das bietet, was sich der Stadtrat 2013 gewünscht hat: Ein kleines Serviceangebot, das Reisenden und Busfahrern die Möglichkeit gibt, sich aufzuwärmen und sich auch für die Fahrt zu versorgen. Wofür die schon jetzt eröffnete Kamps-Filiale „Kampus“ steht, ein kleiner Schnellversorger für alle Reisenden, wie man es von Flughäfen kennt. FlixBus hat einen eigenen Laden aufgemacht, ein Reisebüro hat Unterkunft gefunden, ein vietnamesisches Schnellrestaurant und ein kleines Café sollen noch folgen. Die Bahn hat einen Fahrkartenautomaten hingestellt, ein Automat der LVB fehlt noch.

Umsteigemöglichkeiten zu Taxi und Leihwagen soll es künftig auf den Parkdecks geben. In der Schichtung Busterminal plus Parkdecks wird das Ganze sich wohl rechnen, verspricht sich Pieper. Seidemann sprudelte dann auch noch mit lauter Zahlen zum Bau heraus – immerhin wurden 1.250 Tonnen Stahl verbaut, 6.000 Tonen Beton und 12.000 Quadratmeter jener Stahlblechprofile, die heute das Außenbild bestimmen.

Und das alles in kurzer Zeit. Im August 2014 hatten sich Seidemann und Lunebach zusammengesetzt, bis 2016 war die Baugenehmigung samt Schönheitswettbewerb absolviert. Im März 2017 war Baubeginn. Nur am Ende wurde es bei der Einrichtung der Läden noch einmal hektisch, denn bis zum Beginn des Sommerfahrplans von FlixBus am 25. März sollte alles fertig sein.

Einfahrt ins Busterminal. Foto: Ralf Julke
Einfahrt ins Busterminal. Foto: Ralf Julke

Zumindest alles, was das Terminal selbst betrifft. Denn wie gesagt: Die Parkdecks gehen im Mai in Betrieb. Und nebenan wird sowieso noch gebaut. Hier entstehen für 72 Millionen Euro die beiden neuen Hotels H2 und Hyperion, die besonders für Reisende ausgelegt sind und das Busterminal natürlich ergänzen. Hier werde es im Herbst das Richtfest geben, kündigte Seidemann an, und im Herbst 2019 dann die Eröffnung.

Die Kombination Busterminal plus Parkdecks kostete übrigens 15 Millionen Euro.

Und für ein wesentliches Element wird der Stadtrat erst den Beschluss fassen – das ist der Busabstellplatz 350 Meter nördlich des Busterminals, wo nicht nur zehn Fernbusse abgestellt und gewartet werden können, sondern auch bis zu 30 Reisebusse. Denn mit dem Bau des Busterminals ist ja auch ein wichtiger Abstellplatz für Reisebusse verloren gegangen. Der neue Abstellplatz könnte, so Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau, im Herbst zur Verfügung stehen.

Und alle Redner zur Eröffnung am Donnerstag betonten, dass dieses Leipziger Busterminal in seiner Art deutschlandweit einzigartig sei, weil es konsequent den Dienstleistungsgedanken eines Flughafenterminals übernehme. Für den Inhalt dieser Dienstleistungen ist die 4S BusPort GmbH Leipzig zuständig, die die Läden im 700 Quadratmeter großen Servicebereich bewirtschaftet. Noch so ein neues Geschäftsfeld, das erst durch den Fernbusmarkt möglich wurde. Freilich ist auch Dirk Luthe, Geschäftsführer von 4S BusPort gespannt, wie das Konzept funktioniert. Ist ja alles neu und Leipzig habe damit so eine Art Vorreiterfunktion.

Eröffnung fürs Leipziger Busterminal am Hauptbahnhof gefeiert

Eröffnung fürs Leipziger Busterminal am Hauptbahnhof gefeiert

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Warum baut die Bahn eigentlich Bahnhöfe selbst, aber der Quasi-Monopolist FlixBus baut keine eigenen Bussteige?

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