Es hat am Ende tatsächlich acht Jahre gedauert. Acht Jahre für ein Parkraumkonzept im Waldstraßenviertel. Mit zwei abgelehnten Zwischenergebnissen unterwegs und am Ende einem Vorschlag, der seit über einem Jahr durch die Gremien geistert. Jetzt soll er endlich in den Stadtrat kommen: Das Anwohnerparken im Waldstraßenviertel kommt. Und den Faulpelzen, die mit ihrem Auto unbedingt in Stadionnähe parken wollen, wenn Fußball oder Volksmusik passieren, wird die Bequemlichkeit verleidet. Endlich, muss man sagen.

Denn seit 2014 ist offenkundig, dass alle Anträge aus den Fraktionen, dem Stadtbezirksbeirat und auch die Mahnungen aus dem Bürgerverein nur zu berechtigt waren. Im Grunde geht es die ganze Zeit um die Duldung unhaltbarer Zustände, was jetzt die Vorlage der für Verkehr und Ordnung zuständigen Dezernate bestätigt: Nicht nur im Waldstraßenviertel – insbesondere auf dem Liviaplatz – sondern auch direkt vorm Stadionzugang herrschen bei Fußballspielen und großen Musikveranstaltungen chaotische Zustände.

Für diese Großereignisse beschreibt die Verwaltung den vorgefundenen Zustand so: „Die an Tagen mit Veranstaltungen ermittelte Stellplatzbelegung verdeutlicht, dass sich der Parkdruck im Gebiet infolge des Veranstaltungsverkehrs zusätzlich verschärft. Belegungen von über 100 % äußern sich in einer Vielzahl illegaler Parkvorgänge, wie Parken in der zweiten Reihe und auf Gehwegen, sowie in 5 m-Bereichen von Kreuzungen und Einmündungen.

Beispielhaft ist die Auslastung der Stellplätze während des Heimspiels von RB Leipzig in Anlage 3 dargestellt. Aufgrund fehlender Strukturen bzw. Gliederungselemente wird die Situation auf dem Stadionvorplatz insgesamt als unzureichend und wenig repräsentativ eingeschätzt. Ähnlich unstrukturiert zeigte sich das Parkverhalten auf dem ‚Liviaplatz‘.“

Aber nicht nur bei solchen Ereignissen herrschen im Waldstraßenviertel eigentlich Zustände, die mit keiner StVO kompatibel sind: „Die Auswertung der Erhebungen zeigt, dass die zur Verfügung stehenden Stellplätze im Waldstraßenviertel an dem veranstaltungsfreien Werktag bereits tagsüber mit ca. 90 % ausgelastet sind.

Zweifellos animiert der mit rd. 73 % hohe Anteil an unbewirtschafteten Stellplätzen im Gebiet vor allem Berufspendler und Besucher, ihr Fahrzeug hier abzustellen. Der tagsüber mit rd. 50 % erfasste Anteil an gebietsfremden Fahrzeugen liegt um 21:00 Uhr immerhin noch bei ca. 13 %. Obwohl zu dieser Zeit die höchste Belegung im Waldstraßenviertel vorliegt, werden die Stellplätze des Stadionvorplatzes nur vergleichsweise gering genutzt.“

Das Motto lautet also gerade an Veranstaltungstagen: „Anwohnerschutz“. Und dazu soll ein ganzes Maßnahmenpaket in Kraft gesetzt werden.

Bewohnerschutzzone zu Großveranstaltungen

„Wir erhoffen uns von der Einrichtung des Bewohnerparkens und Bewohnerschutzzone eine spürbare Entlastung der an das Sportforum angrenzenden Wohnquartiere“, kommentiert Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau. „Intelligentes Parkraumanagement, das eine Mehrfach-Nutzung der verfügbaren öffentlichen Stellplätze ermöglicht, ist der einzige gangbare Weg zum Abbau der derzeitigen heftigen Konkurrenz um Parkraum. Dabei gibt es einen geregelten Vorrang für die Bewohner des Waldstraßenviertels, aber auch für andere nutzbare Stellplätze. Das kommt der Lebensqualität des Quartiers zugute.“

Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal ergänzt: „Nach Umsetzung der Maßnahmen wird das Ordnungsamt deren Einhaltung auch entsprechend kontrollieren. Zu Anfang mit Ermahnungen und Hinweisen, dann aber auch mit einem klaren Vollzug der Regeln und entsprechender Ahndung von Verstößen, damit die Anwohner auch den tatsächlichen Vorteil der Änderungen erfahren.“

Die Bewohnerschutzzone soll temporär bei Veranstaltungen ab einer gewissen Größe installiert werden. Unter dem Namen „Sperrkreis“ ist sie bereits seit 2016 getestet worden. Die erforderliche Gerätetechnik – besondere elektronische Steuerungen für Veranstaltungen (Eventprogramme) an den Ampeln und Wechselwegweisungstafeln für Umleitungsführungen – ist bzw. wird installiert. Drei Stunden vor und eine halbe Stunde nach Spielbeginn ist die Einfahrt für Bewohner, Lieferfahrzeuge und Taxis nur von der Straße am Sportforum über die Goyastraße kommend als Rechtseinbieger in die Waldstraße sowie über die Kreuzung Leibniz-/Hinrichsenstraße möglich.

Alle weiteren in das Gebiet führenden Straßen werden während der Schutzzonenzeit für Ein- und Ausfahrt gesperrt. Die Ausfahrt ist lediglich über die nördliche Waldstraße am Knoten Zöllnerweg/Leutzscher Allee und im Süden über Waldplatz und Friedrich-Ebert-Straße möglich. Mögliche Ausnahmen für das Ein- und Ausfahren von Hilfs- und Pflegediensten, Lieferverkehr und Besuchern der Anwohner sind prinzipiell zwischen den zuständigen Partnern abzustimmen.

In der Vorlage heißt es dazu: „Um gebietsfremden Veranstaltungsverkehr aus dem Viertel herauszuhalten, soll als Barriere westlich der Waldstraße ein ‚Riegel֯‘ von Parkplätzen mit Reservierung für Bewohner eingerichtet werden. Darin eingeschlossen sind die auf dem Stadionvorplatz zu berücksichtigenden Stellplätze. Die Reservierung gilt für Pkw und ist zeitlich auf den Abend- und Nachtbereich beschränkt.

Die Freihaltung der Stellplätze sichert weiteren Nutzergruppen, wie Beschäftigten und Kunden der ansässigen Gewerbetreibenden und Praxen, auch tagsüber Stellplätze im Gebiet und soll damit zur Zufriedenheit im Viertel beitragen. Gewerbetreibende sowie niedergelassene Freiberufler (Rechtsanwälte, Architekten o. ä.) und deren Angestellte sind nicht Bewohner im o. g. Sinne.“

Anwohnerparken und Parkscheinautomaten

Im Teil östlich der Waldstraße aber soll künftig das Anwohnerparken dominieren: „Das gesamte, östlich daran angrenzende Gebiet soll montags bis freitags zwischen 8:00 und 23:00 Uhr flächendeckend mit ca. 78 Parkscheinautomaten (PSA) bewirtschaftet werden. Bewohner mit gültigem Bewohnerparkausweis sind von der Gebührenpflicht befreit. Samstags und sonntags werden die Gebühren ohne Zeitbeschränkung erhoben. Auch dann parken die Bewohner hier frei. Durch die flächendeckende Einführung der Gebührenpflicht soll ein Teil der Berufspendler bzw. Langzeitparker aus dem Gebiet verdrängt und damit die Situation für die Bewohner und Kunden verbessert werden.“

Und wenn dann doch Konzertbesucher ihr Auto hier abstellen wollen? „Die Höchstparkdauer für Parken mit Parkschein ist auf 2 Stunden begrenzt. Damit sollen Veranstaltungsbesucher davon abgehalten werden, im Wohnviertel zu parken und vorrangig die am Sportforum angebotenen Stellplätze zu nutzen bzw. u. U. gänzlich auf den Pkw zu verzichten.“

Und deshalb soll es an Veranstaltungstagen ein besonders Regime geben: „Um die Verkehrssituation bei Großveranstaltungen dauerhaft zu verbessern, ist bei Veranstaltungskonstellationen mit mehr als 20.000 Besuchern eine temporäre Bewohnerschutzzone einzurichten.“

Und was  kostet Anwohnerparken? „Bewohnerparkausweise können nur von Personen beantragt werden, die tatsächlich mit Hauptwohnsitz im Gebiet wohnen, dort amtlich gemeldet sind, über ein eigenes Fahrzeug, aber keinen privaten Stellplatz verfügen. Der Parkausweis wird maximal für ein Jahr für eine Gebühr von 30,70 € erteilt und kann um jeweils ein weiteres Jahr verlängert werden. Mit dem Parkausweis ist keine Garantie oder Reservierung eines öffentlichen Stellplatzes verbunden“, betont die Verwaltung.

Konfliktfall Jahnallee

Man merkt, dass die Vorlage schon lange im Verfahren schmort. Noch glaubt die Stadt tatsächlich, dass sie die Innere Jahnallee in das Parkregime einbinden kann. Denn man kann da lesen, dass die Nordspur der Jahnallee für Parken mit Parkscheibe zugelassen werden soll: „Parken mit Parkscheibe begrenzt auf 1 Stunde Höchstparkdauer ist am nördlichen Fahrbahnrand der Jahnallee, ausgewählten Zufahrtsbereichen zur Jahnallee und Waldstraße sowie vor der Konsum-Filiale in der Goyastraße gemäß Anlage 4 vorgesehen. Aus der Bereitstellung dieser Kurzzeitparkplätze profitieren Gewerbetreibende und Kunden der Geschäftsstraßen gleichermaßen.“

Schon die nächste Klage der Deutschen Umwelthilfe kann diesen Versuch, das Parkregime in der Jahnallee zu retten, beenden.

Es ist absehbar, dass dieser Punkt dringend überarbeitet werden muss.

Die Beschaffung und Montage der 78 Parkscheinautomaten kostet insgesamt 496.080 Euro, die komplett von der Stadt zu tragen sind. Aber wenn tatsächlich so viele Berufspendler und Gewerbetreibende die Stellplätze tagsüber nutzen, könnte sich die Summe vielleicht wieder einspielen.

Schilder für das „Bewohnerparken Waldstraßenviertel“ für 55.000 Euro werden ebenfalls aufgestellt. Und bewirtschaftet werden muss das alles auch noch. Das kostet dann 132.700 Euro pro Jahr im Budget „Bereitstellung und Bewirtschaftung von Parkeinrichtungen“ des Verkehrs- und Tiefbauamtes.

Zum Konzept sind noch flankierende Maßnahmen vorgesehen, etwa die Neugestaltung des Stadionvorplatzes oder Eventprogramme und Wechselwegweisungsprogramme für den Westplatz. Durchgangsverkehr in Anliegerstraßen sowie das Falschparken auf Geh- und Radwegen und in der zweiten Reihe sollen baulich bzw. verkehrsorganisatorisch verhindert werden. Die mobile Beschilderung des Sperrkreises soll durch eine stationäre Klappbeschilderung ersetzt werden.

Das gesamte Maßnahmenpaket kann nach den Ausschussberatungen im August von den Ratsgremien beschlossen werden, so die Verwaltung. Nach seiner auch die Finanzierung umfassenden Bestätigung können die Maßnahmen ausgeschrieben werden. Unter Berücksichtigung von Fristen und Bauzeiten kann das Bewohnerparken im Waldstraßenviertel dann ab etwa Mitte 2019 auch praktisch starten. Bis dahin wird der bei bestimmten Großveranstaltungen eingerichtete Sperrkreis auch weiterhin zur Anwendung kommen, verspricht Rosenthal.

„Auch für weitere, besonders angrenzende Bereiche der Stadt sollten die Möglichkeiten zur Bevorrechtigung der Bewohner beim Parken untersucht werden“, erklärt Michael Jana, Leiter des Verkehrs- und Tiefbauamtes. „Das Gebiet südlich der Jahnallee steht dabei ebenso auf der Tagesordnung wie das Bachstraßenviertel, in dem die Untersuchungen zum Quartiersparken bereits begonnen haben.“

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