Eigentlich ist der Versuch, für den Bau des Stadthafens einen Investor zu finden, nun schon zwei Mal gescheitert. Auch wenn der zweite Versuch, einen solchen zu finden, nun seit 2009 läuft. Städtische Mühlen mahlen langsam. Und an liebgewonnenen Projekten hält man fest, auch wenn die Grünen eine Einstellung des Verfahrens beantragen, denn das haben sie im Mai getan.

Und zwar ganz eindeutig: „Das seit 2009 laufende Investoren- und Betreiberverfahren wird beendet.“

Normalerweise macht man es genau so und legt dann, wenn man eine andere Lösung hat, einen neuen Vorschlag vor.

Das zuständige Umweltdezernat hat nun fünf Monate gebraucht, um zum Antrag der Grünen einen Verwaltungsstandpunkt zu schreiben, der im Kern besagt: Wir machen trotzdem weiter. Wir wollen den Stadthafen. Und wenn sich kein Investor gefunden hat, zahlt eben auch dieses Projekt der Steuerzahler.

Erstmals in der Ratsversammlung zur Kenntnis genommen wurde der Grünen-Antrag am 16. Mai. Da hatte das Umweltdezernat schon den Versuch gestartet, GRW-Mittel für den Stadthafen zu kommen. Die Mittel aus der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) gibt es eigentlich nur für Projekte, die die Wirtschaftskraft in strukturschwachen Regionen stärken.

Aber im Umweltdezernat ist man überzeugt, dass das genau auf so ein Projekt der Gewässerfreunde passt.

„Mit Novellierung der GRW-Infra vom 27.10.2017 wurden klar formulierte Voraussetzungen zur Förderung von Häfen geschaffen“, kann man nun lesen. „Die Stadt Leipzig reichte daraufhin den Fördermittelantrag bei der zuständigen Behörde, der Landesdirektion Sachsen, im April 2018 zur Vorprüfung sowie den offiziellen Antrag am 28.05.2018 ein.

Eine Förderung des Gesamtvorhabens ist damit für bis zu 90 % der Baukosten zzgl. Baunebenkosten möglich. Nicht förderfähig sind hierbei die im Stadthafen zu errichtenden Hochbauten (Servicegebäude, Gastronomie und Kanubootshäuser). Grundlage für die Förderung nach GRW-Infra ist das vorhandene Eigentum an den Flächen.

In diesem Zusammenhang ist eine Veräußerung von Grundstücken für alle zur Förderung beantragten Bestandteile für den im Bescheid festgelegten Zeitraum von voraussichtlich 15 Jahren nicht möglich.“

Unterm Stichwort „Häfen“ in der sächsischen GRW-Förderung findet man: „Errichtung von Häfen. Förderfähig sind Investitionen in die Errichtung, den Ersatz oder die Modernisierung von Hafeninfrastrukturen. Förderfähig sind auch Investitionen in die Errichtung, den Ersatz beziehungsweise die Modernisierung von Zugangsinfrastrukturen sowie Kosten für die Ausbaggerung in Häfen.“

Das klingt eher nach gewerblichen Häfen mit Frachtumschlag, nicht so sehr nach Freizeithäfen. Oder – um den Leipziger Sprachgebrauch zu übernehmen – nach „wassertouristischer Infrastruktur“. Die findet man eher unter dem Stichwort „Errichtung und Erweiterung öffentlicher Einrichtungen des Tourismus sowie die Geländeerschließung für den Tourismus“, aus dem man sich im Leipziger Neuseenland ebenfalls emsig bedient, etwa wenn es um Wasserwanderrastplätze und Bootsanleger geht.

Die Frage ist natürlich: Entspricht das, was das Umweltdezernat hier tut, tatsächlich noch dem Beschluss von 2009?

Denn jetzt beabsichtigt das Dezernat ja eindeutig, mit städtischen Mitteln (also den 10 Prozent Finanzierungsanteil) und 90 Prozent Förderung über GRW einen Freizeithafen zu bauen, der dann aber wieder an einen Betreiber vergeben werden soll, während die ungenutzten Grundstücke für Hochbau ausgeschrieben werden.

„Wie im Beschluss vom 18.03.2009 festgeschrieben, beabsichtigt die Stadt Leipzig, den Betrieb des Stadthafens im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens an Dritte zu vergeben. Gleichzeitig sollen in diesem Verfahren die Investoren für die Errichtung der im Hafenareal geplanten Hochbauten im Zuge der Ausschreibung gesucht werden“, heißt es in der Stellungnahme.

Und irgendwie sieht es das Dezernat auch so: Der Beschluss von 2009 begründet so ein Vorgehen nicht. Also braucht es einen neuen: „Die 2. Änderung des Bau- und Finanzierungsbeschlusses befindet sich in Bearbeitung. Sie wird die durch die Förderung bedingten neuen Randbedingungen sowie die Kostenänderungen berücksichtigen.“

  1. Änderung, weil ja der Beschluss von 2009 auch schon eine Änderung war. Sozusagen: Im Zick-zack-Kurs zum Hafen.

„Die Betreibung des Hafens wird ausgeschrieben. Eines Investors bedarf es aufgrund der veränderten Randbedingungen durch die Nutzung des Fördermittelprogrammes des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zur Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur‘ (GRW-Infra) lediglich für die Errichtung der Hochbauten. Die Hochbauten umfassen eine Fläche von etwa 800 m² des Gesamtareals von ca. 13.800 m². Sie sind somit flächenmäßig kein wesentlicher Teil der städtischen Grundstücke und sollen zusammen mit dem Betrieb ausgeschrieben werden.“

Aber dass Leipzig trotzdem 10 Prozent der Summe beisteuern muss, verstößt eindeutig gegen den ursprünglichen Beschluss, denn den fasste der Stadtrat 2005 eindeutig unter der Voraussetzung, dass dieser Hafen ganz und gar durch einen privaten Investor entwickelt wird. Nur dann sollte das Schmuckstück Gestalt annehmen.

Damals dachten auch die städtischen Verantwortlichen noch verantwortlich: Sie hatten einen Traum, wussten aber, dass man so einen Traum nicht einfach wieder der Allgemeinheit überhilft. Deswegen startete man ja das Investorenverfahren in der Hoffnung, ein begeisterter Investor würde den Traum Wirklichkeit werden lassen.

Aber zwei Mal ließ man sich nicht davon abschrecken, dass sich kein Investor fand. Die können nämlich rechnen.

Ergebnis: Das mindestens 5 Millionen Euro teure Hafenbecken soll jetzt doch wieder mit Steuergeldern gebaut werden. Und dass das Aufbringen des Eigenanteils Probleme bereiten könnte, hat man auch schon so gesehen und sich beim Rechtsamt der Stadt deswegen kundig gemacht.

„Zur Minimierung des Eigenanteils der Stadt Leipzig wurde durch das Rechtsamt der Stadt Leipzig geprüft, ob und in welchem Umfang Anlieger bzw. Nutznießer an der Erschließung des Hafenumfeldes finanziell beteiligt werden können. Im Ergebnis der Prüfung stellt das Rechtsamt fest, dass hierfür keine rechtliche Grundlage gegeben ist.“

Aber die Grünen hatten ja schon sehr detailliert nachgefragt. Sie befürchten wohl zu Recht, dass die Kosten erstens nicht minimal bleiben und dann zweitens mit lauter kleinen Nachträgen doch wieder den Haushalt belasten. Und es sieht ganz so aus, dass das Hafenprojekt jetzt im großen Doppelhaushalt 2019/2020 als Posten mit auftaucht.

Denn das Umweltdezernat schreibt: „Mit Einordnung des Vorhabens in den städtischen Haushalt und der Fördermittelbeantragung wurde die Vorbereitung des Investoren- und Betreiberverfahrens gemäß dem Ratsbeschluss Nr. RBIV-1552/09 in 2018 wiederaufgenommen und soll voraussichtlich im I. Quartal 2019 zur Ausschreibung kommen.

Das Verfahren wird hierbei auf die durch das Förderprogramm zu berücksichtigenden Randbedingungen abgestellt sein. (…) Auf Grundlage aktualisierter Rahmenbedingungen und eines fortzuschreibenden Konzeptes in Bezug auf das Plangebiet, welche nach durchgeführter Bürger- und Akteursbeteiligung vom Stadtrat zu beschließen sind, ist ein erneuter Investoren-/ Betreiberwettbewerb durchzuführen.

Die Auslobung ist ebenfalls vom Stadtrat zu beschließen. Die stadteigenen notwendigen Grundstücke für den Bau des Stadthafens 2407, 2408 c und 2593 f sind im Wege des Erbbaurechtes zu veräußern.“

Man hat zwar noch nicht einmal eine Änderungsvorlage, weiß aber schon, wann man die Ausschreibung starten will: „Die Stadt Leipzig beabsichtigt die Ausschreibung im I. Quartal 2019. Über die Gremienbeteiligung wird im Rahmen der Vorbereitungen entschieden.

Die benannten Flurstücke sind förderfähige Bestandteile des Stadthafens, insbesondere der öffentlichen Anlagen, wie beispielsweise der umlaufenden Promenade, des Hybridplatzes und der Zufahrt von der Käthe-Kollwitz-Straße. Eine Veräußerung ist aufgrund der Nutzung des Förderprogramms nicht vorgesehen.“

So wird Leipzig in aller Stille doch Bauherr des Freizeithafens. Zumindest, wenn das Land Sachsen befindet, dass das eine echte Wirtschaftsförderung in einer strukturschwachen Region ist und nicht nur der Spaß einiger Verwaltungsmitarbeiter.

Platz für neue Wohnbebauung und eine Bürgerbeteiligung zu neuen Ideen für das Projekt Stadthafen

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Es gibt 3 Kommentare

Die Retuorkutsche wird kommen, man hört sie ja schon. DARAUF haben die BürgerInnen keine Lust mehr! Man kann schon längst sagen, zu Recht. Die Verwaltung, die eigentlich im Dienste der BürgerInnen stehen soll, macht, was sie will. Gegen die Gesetze. Mit Geld, das ihr nicht gehört, sondern den BürgerInnen. Und der Stadtrat? Wird er sich dieses offensichtliche Vorgeführtwerden wieder gefallen lassen? Aufstehn und widersetzen, wäre mal was Neues. Um dann vielleicht wieder gewählt zu werden.

Ein Hafen wird für eine gewerbliche Nutzung benötigt, für die Schiffahrt. Schiffahrt ist maßgeblicher Güter- und Personentransport. Tourismus ist ausdrücklich keine Schiffahrt. Ganz klare gesetzliche Regelung.

Tourismus ist Spaß und Gaudi. Kann man haben, wenn die Natur nicht zerstört und öffentliche Mittel nicht in Anspruch genommen werden. Achterbahnen werden auch nicht mit GRW-Mitteln finanziert.
Daß das alles rechtswidrig und unsinnig ist (hier noch zur Zerstörung des Auwaldes führt) heißt nicht, daß es nicht trotzdem gemacht wird. Dann müssen sich aber Verwaltung und “die Politik” (Jung, Rosenthal, Dittmar, Heymann, LDS und Freistaat – hier wirkt die ganz große Koalition) nicht wundern, wenn sie nicht ernst genommen werden und sich Bürger verächtlich abwenden. Bei denen (nicht dem Bürger) gelten offensichtlich keine zivilisatorischen Regeln (meint Achtung von Recht und Gesetz, Austausch von Argumenten, Diskurs auf Augenhöhe) mehr.

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