Augenscheinlich haben moderne Bauentwickler verlernt, wie man preiswert baut. Man hat sich aufs Luxussegment einschossen und kommt allein schon durch die dazugehörigen Baukosten auf Mindestmieten von 12 bis 17 Euro je Quadratmeter. Das können sich viele Normalverdiener nicht nur in Leipzig nicht leisten. Selbst Hamburgern geht es so. Aber ein Hamburger Projekt macht jetzt der Leipziger SPD-Fraktion Hoffnung.

Denn in Hamburg-Bramfeld soll ein neues Wohnquartier entstehen, in dem gezeigt werden soll, dass durchaus auch noch sparsam und preiswert gebaut werden kann. Indem man zum Beispiel auf einige Dinge verzichtet, die heute für manche Zeitgenossen zum Standard gehören – aber halt nicht für alle. Denn seit nicht mehr mit Kohlen geheizt wird, brauchen nicht mehr alle Mieter auch einen Keller.

Wenn man aber auf Keller verzichtet, wird das Bauen sofort preiswerter. Dasselbe erst recht beim Verzicht auf eine Tiefgarage. In einer Stadt, in der der ÖPNV gut ausgebaut ist, brauchen nicht alle Mieter auch einen Autostellplatz. Was selbst den Baulandentwicklern klar ist, die mit der Stadt durchaus ernsthaft über das Thema autoarmes Wohnen diskutieren.

Denn damit spart man Parkplätze und Tiefgaragen im Quartier, kann den Bewohnern also sogar mehr Grün und Spielplätze anbieten. Und die notwendigen Stellplätze werden am Rand des Wohnquartiers in einem Parkhaus geschaffen.

Wenn man dann auch noch alle Häuser nach dem selben Schema baut, also in seriellem Bauen, wie es einst in den 1960er Jahren europaweit üblich war, spart man auch noch die Hälfte der Entwicklerkosten. Man braucht nicht für jedes Haus extra Planungen und Sonderanfertigungen. Und wenn man so baut, dass man auch noch auf Fahrstühle verzichten kann, wird es noch einmal preiswerter. Selbst in Hamburg rechnet man damit, einen Mietsatz von 8 Euro je Quadratmeter erreichen zu können.

Was deutlich unter den 10 bis 12 Euro liegt, die mit den bisherigen Bauweisen in Leipzig erreichbar sind.

Und weil gerade im preiswerten Wohnsegment in Leipzig derzeit viel zu wenig geschieht, hat die SPD-Fraktion das Thema in ihr Antragspaket zum Doppelhaushalt 2019/2020 mit aufgenommen. Denn Leipzig hat ja eine schon seit 30 Jahren an sämtlichen Versorgungsleitungen angeschlossene Baufläche, wo man genau so bauen könnte, ohne dass man sich um enge Baufelder in der Innenstadt und schwindelerregende Grundstückspreise kümmern muss.

Die Fläche gehört der Stadt und war mal das geplante Erweiterungsgebiet für das Neubaugebiet Paunsdorf-Nord, wo die Bauarbeiten aber kurz nach 1990 eingestellt wurden. Seitdem beackert der Bauer dort weiter die Felder.

Eine Riesenchance, gleich zu mehreren tausend bezahlbaren Wohnungen zu kommen, findet die SPD-Fraktion und beantragt: „Im Haushalt werden notwendige Finanzmittel bereitgestellt, um eine Projektgesellschaft zur Entwicklung und Erweiterung des Wohngebietes Paunsdorf einzurichten. Hierfür werden 2019 250.000 Euro und 2020 500.000 Euro in den Ergebnishaushalt eingestellt. Diese Mittel sollen einerseits für die Gründung einer GmbH sowie für die Schaffung entsprechender Personalstellen und andererseits für erforderliche Gutachten sowie notwendige Planungen eingesetzt werden.“

Die Projektgesellschaft soll alle Interessenten bündeln, die bereit sind, mit der Stadt zusammen in Paunsdorf ein neues Wohnquartier hochzuziehen.

„Auftrag der zu gründenden Projektgesellschaft soll es sein, die Entwicklung der Baufelder 3 und 4 der Kiebitzmark voranzutreiben. Das Quartier, das dort entstehen soll, soll ein energiesparsames Wohngebiet mit mehreren tausend Wohneinheiten werden, das optimal an den ÖPNV angebunden wird, um es möglichst autoarm gestalten zu können“, benennt die SPD-Fraktion die Parameter, wie sie auch in Hamburg zum Tragen kommen.

„Der soziale Wohnungsbau bzw. das bezahlbare Wohnen soll bei 40 Prozent der Wohneinheiten eine besondere Berücksichtigung finden. Bei der Projektentwicklung sollen die kooperative Baulandentwicklung, eine gute soziale Durchmischung, die Schaffung der notwendigen sozialen und Bildungsinfrastruktur sowie die Integration von Sportflächen, kulturellen Einrichtungen, quartiersbezogenen öffentlichen Grünanlagen und Nahversorgungsmöglichkeiten wichtige Leitmotive sein.

Es soll die Möglichkeit bestehen, dass sich auch andere Akteure der Wohnungs- und Bauwirtschaft (LWB, Genossenschaften, private Vermieter etc.) an dieser Projektgesellschaft beteiligen können, um so Kräfte zu bündeln und das Areal möglichst schnell entwickeln zu können.“

Heute fährt hier die Straßenbahn parallel zur Paunsdorfer Allee noch durch grüne Felder. Beide würden das neue Wohngebiet durchschneiden und damit auch sofort erschließen. Das Paunsdorf Center wäre gleich nebenan.

Im September 2017 hat die Ratsversammlung den Oberbürgermeister auf Antrag der Linksfraktion beauftragt, nach Beschluss der Fortschreibung des STEP Wohnbauflächen sowie nach Priorisierung der Standorte für den Wohnungsbau entsprechende Umsetzungsvorlagen zur Projektentwicklung, Erschließung und Bauleitplanung vorzulegen. Da war die Kiebitzmark schon im Gespräch.

„Angesichts der aktuellen Zahlen des städtischen Wohnungsmarktindex’ ist in Leipzig ein angespannter Wohnungsmarkt in vielen Segmenten zu verzeichnen, insbesondere bei kleinen (Ein-Raum-)Wohnungen, sowie bei großen Wohnungen (4 Räume plus). Um den weiter wachsenden Bedarf an Wohnraum abzudecken, ist neben der Verdichtung innerhalb der Stadt auch die Entwicklung und Erweiterung von großen Arealen als Wohnstandorte notwendig“, betont die SPD-Fraktion.

„Ein solches Areal für künftiges Wohnen könnte dabei das Gebiet der Baufelder 3 und 4 der Kiebitzmark neben dem bestehenden Wohngebiet Paunsdorf auf dem Baufeld Heiterblick sein. Die Gründung einer Projektgesellschaft, die ein solches Wohngebiet entwickelt, soll zur Beschleunigung der Entwicklung des Areals beitragen.

Eine Beteiligung an der Projektgesellschaft und der vorgesehenen Entwicklung des Areals soll auch für anderen Akteure der Wohnungs- und Bauwirtschaft (Genossenschaften, private Vermieter) offenstehen, weil davon auszugehen ist, dass die Stadt dieses Vorhaben, auch gemeinsam mit der LWB, nicht alleine stemmen können wird.“

Es würde auch der Entwicklung in Paunsdorf-Nord wieder Auftrieb geben. Und endlich auch mal ein größerer Baustein sein bei der Schaffung dringend benötigten Wohnraums in Leipzig.

SPD-Fraktion dekliniert es durch: Sicherheit fängt mit Bildung, sicheren Straßen und bezahlbarem Wohnraum an

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Autoarm? Am hintersten Ende von Paunsdorf? Klingt super realistisch. Oder sollen nur die hinziehen, die sich unter Garantie kein Auto leisten können? Urbanität zwischen Autobahn und Paunsdorf-Center.

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