Wie viele neue Wohnungen wird Leipzig brauchen? Das weiß niemand wirklich, auch wenn Leipzigs Statistiker immer wieder möglichst belastbare Prognosen erstellen. 700.000 Einwohner bis 2030 sind wohl eher unrealistisch. Die letzte Prognose sah eher 665.000 als Zahl, die 2030 erreicht wird. Aber fehlende (bezahlbare) Wohnungen spielen für diese Entwicklung eben auch eine Rolle. Weshalb ein gemeinsamer Stadtratsantrag am 24. März auch Erfolg hatte.

Eingebracht hatten ihn die Stadträte Mathias Weber (Die Linke), Anja Feichtinger (SPD), Sabine Heymann (CDU) und Thomas Köhler (Freibeuter) gemeinsam. Auch aus Ungeduld, denn über ein völlig neues Stadtgebiet in der Kiebitzmark in Paunsdorf diskutiert der Stadtrat seit 2017. 2019 schrieb Oberbürgermeister Burkhard Jung das Projekt in sein „Arbeitsprogramm 2023“ – eigentlich schon mit einer verbindlichen Zeitschiene.Ein Workshop fand statt. Aber irgendwie passierte nun seit zwei Jahren kaum noch etwas. Womöglich – wie Mathias Weber anmerkt – weil das Stadtplanungsamt tatsächlich zu wenig Planer hat und die Kapazitäten fehlen, dieses neue Wohngebiet endlich durchzuplanen.

Weshalb die vier Stadträt/-innen beantragten: „Der Oberbürgermeister wird aufgefordert, die beschriebenen Meilensteine zum Areal Heiterblick-Süd, wie im Arbeitsprogramm 2023 des Oberbürgermeisters formuliert, weiterzuverfolgen. Dafür wird dem Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau eine neue Zeitschiene schriftlich mitgeteilt. Die Ergebnisse des Zukunftsworkshops 2019 sind aufzugreifen und bis spätestens 2023 ist Planrecht zu schaffen.“

In seinem Arbeitsprogramm 2023 hatte Burkhard Jung sogar noch schnellere Ergebnisse versprochen.

Ihre Ungeduld haben die vier jedenfalls nicht zurückgehalten: „Drei Jahre nach dem Verwaltungsstandpunkt VI-A-04477-VSP-01,  der Leerstandsentwicklung in Leipzig und dem mangelnden Wohnraum im niedrigen und mittleren Preissegment sprechen sich die Antragsteller dafür aus, zügig in die Weiterentwicklung und Baureifmachung der Flächen Heiterblick-Süd zu gehen. Die aufgeführte Zeitschiene des Arbeitsprogramms 2023 des Oberbürgermeisters ist leider veraltet, diese sah eine Aufstellung des B-Planes Mitte 2020 vor.“

Aber in seiner Stellungnahme machte dann das Planungsdezernat deutlich, dass es den Zeithorizont 2023 für zu ambitioniert hält und möglicherweise mit seinen Kapazitäten nicht schaffen könnte. Weshalb Baubürgermeister Thomas Dienberg auch für einen realistischeren Zeitplan plädierte.

Die Frage stand tatsächlich im Raum. Wie viel Zeit hat Leipzig eigentlich, um so ein neues Wohnquartier mit „rd. 1.000 bis 3.600 Wohnungen, davon etwa 30 % sozial gefördert bei 1.800 – 5.600 Einwohnern“ zu planen und zu bauen? Wann ist der Bedarf wirklich da? Erst bei 700.000 Einwohnern, wie Grünen-Fraktionschef Tobias Peter in seinem Statement in der Debatte meinte, in dem er begründete, warum die Grünen gegen den Antrag stimmen würden?

Er sieht die Hauptaufgabe in der Innenentwicklung der Stadt, also der Entwicklung der neuen Wohnquartiere im Stadtinneren. Da fiel dann schnell das Wort Peripherie, mit dem SPD-Fraktionsvorsitzender Christopher Zenker reagierte, der darauf hinwies, dass die Kiebitzmark – im Gegensatz zu allen anderen aktuellen Quartiersprojekten – zum größten Teil in städtischem Besitz ist. Das Gebiet ist bestens erschlossen. Mit Straßenbahn und S-Bahn ist man relativ zügig im Stadtzentrum.

Und der Druck, das Quartier zu bauen, ist eigentlich jetzt schon da, denn gerade Zuzugswillige mit Normalverdiensten finden eben keinen bezahlbaren Wohnraum, wenn im Stadtinneren vor allem „höchstwertig“ gebaut wird. Selbst die geförderten Wohneinheiten sind mit 6,50 Euro je Quadratmeter für Leipziger Verhältnisse recht teuer. Weshalb eigentlich der Gedanke naheliegt, hier nicht nur die mickrigen 30 Prozent geförderten Wohnraum zu planen, sondern deutlich mehr. Denn nicht die Mieter höherpreisigen Wohnraums haben in Leipzig ein Problem, eine Wohnung zu finden, sondern die Gering- und Normalverdiener.

Am Ende spielte der Verwaltungsstandpunkt keine Rolle. Der Stadtrat stimmte mit 45:18:1 Stimmen deutlich für den Antrag der vier Stadträt/-innen. Was eben auch bedeutet: Er drängt auf Tempo, damit 2023 Planungsrecht vorliegt und auch das jeweils mit dem Bau beauftragte Leipziger Unternehmen loslegen kann, hier ein paar hundert neue Wohnungen zu bauen, um wenigstens einen kleinen Beitrag zur Entspannung des engen Wohnungsmarktes für Normalverdiener zu schaffen.

Die Debatte vom 24. März 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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Keine Kommentare bisher

Es ist schon perfide, ein Gebiet so zu bebauen, dass der namensgebende Vogel und andere Feldvögel noch in irgend einer Weise von dieser Art der Kulturprägung profitieren. Ein Hoch auf die Flächenversiegelung, Klima und Natur hat immer noch keine Lobby

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