Wie lange wird nun schon über diese riesige Stadtfläche im Herzen Leipzigs diskutiert, die irgendjemand in der Verwaltung einfach mal zum Wilhelm-Leuschner-Platz erklärt hat. Obwohl es bei all den (gar nicht) kühnen Plänen zur Neubebauung immer um das historische Markthallenviertel ging? Seit 2008. Und die ganze Zeit wurde das Thema Natur ausgeblendet, ignoriert, weggebügelt. Bis zum 21. Januar 2021, als der Nabu die Baumfällungen stoppen ließ.

Natürlich hat das mit diesem Federstrich zu tun, den irgendjemand im Neuen Rathaus damals vornahm, als es darum ging, mit einem Bebauungsplan und einem Architekturwettbewerb irgendwie irgendwas gebaut zu bekommen auf diesem 1944 zerbombten Gelände. Nur ja nichts, das irgendwie an das alte Markthallenviertel erinnerte. Und auch kein Grün.
Und das hatte in den Folgejahren mehrere Entgleisungen zur Folge, bei denen sich der Außenstehende durchaus fragen konnte: Wer zieht da eigentlich die Strippen? Wer kocht im Gewand scheinbar sachlich fundierter Stadtratsbeschlüsse eigentlich sein eigenes Süppchen?

Denn wer sich erinnert: Eigentlich war der Zündfunke, hier wieder gestaltend aktiv zu werden, ein Grünen-Antrag zur Schaffung einer neuen Markthalle auf dem Gelände der im Weltkrieg verlorenen. Ein Gedanke, der ganz augenscheinlich allerlei Gelüste erweckte bei Leuten, die hier ihre Chance witterten, ein Filetstück im Herzen der Stadt zu erobern und dafür dieses Gebiet möglichst dicht zu packen mit möglichen Nutzeinheiten.

So sah der Architekturwettbewerb 2010 dann auch aus. Mit Entwürfen, die in den konservativen Medien gefeiert wurden. Das sah doch genauso aus, wie sich moderne Städteplaner Städte vorstellten – mit großen Kubaturen in zeitlos gesichtsloser Architektur.

Doch je länger die Sache vor sich hinschmorte, um so deutlicher wurde, dass der Leerraum schon mit lauter Vorversprechungen gespickt war. Eine davon war ein komplettes Grundstück an der Windmühlenstraße für den Freistaat Sachsen, eben jenes, auf dem die Stadt jetzt ganz plötzlich Baugrunduntersuchungen starten wollte und dafür die Fällkommandos schickte, die der Nabu Leipzig erst mit polizeilicher Hilfe stoppen konnte.

Ein Vorgang, der nur zu deutlich zeigte, dass zumindest in einigen Ämtern der Verwaltung die vehemente Forderung, genau hier ein wertvolles Bioptop zu bewahren, seit 13 Jahren schlankweg so behandelt wurde, als spiele sie keine Rolle.

Doch seit ein paar Jahren diskutiert die Stadt nicht nur über den Klimawandel (auf den auch Leipzig nicht vorbereitet ist), sondern auch über den massiven Artenverlust, der sich in Leipzig durch die Bebauung von immer mehr Brachen noch zugespitzt hat.

Höchste Zeit für einen Offenen Brief des Nabu Leipzig an die in Leipzig Verantwortlichen.

Der Offene Brief

Sehr geehrter Herr Jung,
Sehr geehrter Herr Rosenthal,
Sehr geehrter Herr Dienberg,
Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
Sehr geehrte Interessierte,

Seit vielen Jahren gibt es Bauplanungen für den Wilhelm-Leuschner-Platz. Viele von Ihnen haben es mitbekommen, der NABU Leipzig nennt diesen Ort „Platz der biologischen Vielfalt. In unserer Stadt gibt es keine weitere 3 Hektar große Fläche mit der gleichen Brutvogelvielfalt.

Der Leuschnerplatz 2020. Foto: LZ
Der Leuschnerplatz 2020. Foto: LZ

Frühzeitig hat der NABU Leipzig das Gespräch mit Architekten, Stadtplanungsamt und Umweltamt gesucht. Immer mit ausführlichen Dokumentationen wie dringend ein Umdenken in der flächenraubenden Stadtplanung und Versieglung nötig ist. Immer wieder betonten wir unseren Wunsch nach Gesprächen, eine naturverträgliche Flächenplanung anzustreben.

Ärgerlich ist, dass die Antworten seitens des Stadtplanungsamtes immer gleich lauten: Leipzig wächst, Leipzig braucht Neubauten, aber nie, wir brauchen daneben Erholungsflächen und Lebensräume für unsere Wildtiere. Eine gleichwertige Debatte über Bebauung und über Naturräume findet in Leipzig nicht statt.

Übrigens hat der NABU nichts gegen eine Markthalle, wir sind ebenfalls für bezahlbaren Wohnraum, Kitas, Schulen und Büros. Warum vergessen verantwortliche Stadtplaner und einige Stadträte aber, dass auch grüne Erholungsräume mit Platz für Natur für uns alle wichtig sind.

Jetzt soll auch noch ein Hotel neben der katholischen Kirche am Wilhelm-Leuschner-Platz entstehen. Dafür wurden 2019 dreißig vitale Bäume gefällt, die nun auch verloren sind für den innerstädtischen Bereich und das bereits sehr stark überbaute Zentrum Süd, wozu der Leuschnerplatz gehört.

Und fragwürdig ist auch, müssen unbedingt alle geplanten Bauten auf den Wilhelm-Leuschner-Platz passen und damit die Fläche fast komplett überbauen? Es geht um die Art und Weise, wie man baut und wie geschickt Flächen mit größtmöglichem Erhalt bei gleichzeitiger Schaffung von Grünflächen geplant werden. Und es geht um den fehlenden Dialog, den wir reklamieren.

Tatsächlich kommt es mir vor, als gäbe es keine Abwägung zwischen Bebauung und Naturflächen, und wenn doch mal gewogen wird, bekommt die Natur kein Gewicht.

Seitens der Stadträte wird häufig mit doppelter Innenentwicklung argumentiert. Aber wo gibt es die? Doppelt entwickelt heißt doch nicht Beton statt Natur!? Doppelte Innenentwicklung meint sowohl die bauliche Verdichtung als auch den Erhalt, die Weiterentwicklung und Qualifizierung des urbanen Grüns. Ich sehe nach wie vor nur großflächige Bauvorhaben, anstatt flächensparend und höher zu bauen.

Man will vermeiden, am Stadtrand zu bauen und verdichtet die Stadt. Klingt gut, ist so, wie aktuell gehandhabt aber nicht gut gemacht. Ja, der Leuschnerplatz ist zu einem großen Teil bereits versiegelt, da bietet sich eine Nachverdichtung an. Aber Architekten ohne jede Vision für Baukörper mit Platz für den Erhalt der vorhandenen Natur lassen mich nur mit dem Kopf schütteln.

Fällt Ihnen denn nicht selbst der Leerstand von Gewerbeflächen in unserer Stadt auf? Das Karstadt-Kaufhaus, etliche Geschäfte im Einkaufzentrum Höfe am Brühl und viele weitere.

Wir brauchen Natur in der Stadt, oder sind die Menschen, die im Zentrum wohnen, Bürger zweiter Klasse, dass ihnen die Natur permanent gestohlen wird? Wir brauchen daneben ein grünes Netzwerk, das unsere Stadt durchzieht und dafür sorgt, dass die Nachtigall und die Amsel wieder überall zu hören sind.

Wir sind mit den all sich um ihr Grün sorgenden Leipziger/-innen in Kontakt, auch mit den Anwohnern des Leuschnerplatzes, welche traurig sind und nun aktiv werden, um sich Gehör zu verschaffen. Sie glauben gar nicht, wie uns diese Menschen für unser beherztes Eingreifen gedankt haben! Was hier am Leuschnerplatz passiert, wiederholt sich an sehr vielen Orten in der Stadt. Bürger, die traurig und hilflos mit den gerodeten Flächen in Ihrer Nachbarschaft zurückbleiben.

Am Wilhelm-Leuschner/Höhe Rossplatz in der Nacht zum 21. Januar 2021. Foto: LZ
Am Wilhelm-Leuschner/Höhe Rossplatz in der Nacht zum 21. Januar 2021. Foto: LZ

Es ist doch einseitig gedacht, Bebauung von Wohnraum und Arbeitsplätzen im Zentrum nur mit langen Arbeitswegen von Menschen am Stadtrand oder außerhalb der Stadt zu erklären, um für Neubauten in der Stadt zu werben, wenn immer mehr Menschen, die sich einst in der Stadt wohlfühlten nun immer öfter an den Stadtrand flüchten, um Erholungsräume zu finden. Wenn Leipzig nachhaltige Mobilität und Stadt der kurzen Wege sein möchte, sollte man auch an Menschen denken, denen in der Innenstadt ihre grünen lebenswerten Naturräume immer öfter genommen werden.

Doppelte Innenentwicklung JA, aber wenn das in Leipzig nur mit der Zerstörung eines großen Arteninventars einhergeht, ist mir ein Wohngebiet auf Rapsmonokultur am Stadtrand lieber. Der Leuschnerplatz ist, was seine Artenausstattung angeht, ein letztes Juwel in der Innenstadt, welches sich mit Nistkästen und Dachbegrünung auf einem ansonsten völlig überbauten Platz nicht bewahren lässt.

Noch ein Beispiel, das mir Sorgen macht, ist die Wohnungsbauplanung in Paunsdorf-Kiebitzmark. Besorgt bin ich nicht, weil Wohnungen gebaut werden sollen, sondern weil vermutlich wie in der Vergangenheit keine Rücksicht auf die biologische Vielfalt genommen wird. Diese Fläche beherbergt eine der letzten Vorkommen an Braunkehlchen und Feldlerche in Leipzig.

Beide Vogelarten sind in Sachsen auf der Roten Liste und im Bestand stark abnehmend. Bei allen Neubauvorhaben, welche mir aus den letzten 10 Jahren bekannt sind, gab es keine Ersatzmaßnahme, das heißt keine Schaffung von funktionierenden Ersatzlebensräumen für die vertriebenen Arten. Das führt zum Artensterben, wie am Leuschnerplatz und an vielen anderen Plätzen in unserer Stadt.

Die Leipziger Naturschutzwoche, organisiert vom Amt für Umweltschutz hat in den vergangen Jahren u. a. folgende Themen: 2015 – Wilde Orte – Wildnis in der Stadt; 2017 – Biologische Vielfalt in der Stadt; 2019 – Insektenvielfalt vor unserer Haustür.

Nur was ist übrig von diesen Botschaften und wo gibt es noch solche Flächen?

Ich war bei allen Themenwochen dabei, Defizite werden erkannt, ein Gegensteuern erkenne ich allerdings nicht.

Erst wird der Bürger aufgeklärt, wie wichtig und toll urbane Artenvielfalt ist, und wenn er die Natur vor seiner Haustür auch schützen will, erfährt er, dass er ein Störenfried ist. Täglich rufen bei mir weinende BürgerInnen an, weil für sie das Kettensägen-Massaker zum Trauma wird, danach der liebgewonnene Ausblick ins Grüne vorm Fenster verschwand, der Amselgesang verstummt.

Viele unserer Mitglieder und eine enorm wachsende Zahl an Neumitgliedern berichten, dass sie auf unseren Verband aufmerksam wurden, weil sich für ihre Anliegen – Naturräume in unserer Stadt zu erhalten – keine zuständigen Ämter fanden.

Warum hat Leipzig im Jahr 2010 die Deklaration „Kommune der biologischen Vielfalt“, unterzeichnet, wenn seitdem die biologische Vielfalt stetig abnimmt?

Beim Thema Natur und Umweltschutz, heute oft noch als Klimaschutz vermarktet, reicht es nicht über Gründächer, Fassadendämmung- und Begrünung oder Solardächer zu reden. Wichtig ist auch die für unser Stadtklima brutale Flächenversiegelung zu stoppen.

Das Zubetonieren der Stadt nimmt uns Menschen und den geschützten Arten die Lebensgrundlage. Wenn wir weiter Tiefgaragen 2- oder 3-geschossig unter Tage bauen, gibt es keine Grundwasserzirkulation mehr. Niederschlagsmangel in den letzten Jahren hat ohnehin zu ausgetrockneten Böden und hohem Baumverlust geführt.

Am Beispiel des Leuschnerplatzes helfen als Ersatzlebensraum auch keine Baumpflanzungen auf der geplanten Freifläche westlich der Markthallenstraße, wenn durch verantwortungslose Bauplanung jede Möglichkeit genommen wird, dass neu gepflanzte Bäume je zu einem Lebensraum (erst ab entsprechender Baumgröße) werden können. Große Bäume mit einer gewünschten Wuchshöhe, die die gefällten ersetzen können, brauchen Wasser in einer Tiefe, in der nach heutigen Erkenntnissen nie mehr welches sein wird. Großflächiger Kahlschlag ist hier übrigens der menschengemachte Anteil am Klimawandel, den alle mitverantworten, wenn sie solche Rodungen ausgleichslos genehmigen!

Die letzten 30 alten Bäume westlich des Leuschnerplatzes zwischen St. Trinitatis und Dimitroffstraße sind für einen Hotelneubau gerodet worden. Ich spare mir die Frage, beantwortet zu wünschen, wie viele Hotels wir noch brauchen!

Wie bei den Planungen östlich der Markthallenstraße hat man versäumt, den Erhalt des Baumbestandes im Architekturwettbewerb zu fordern. Wie einfallslos sind unsere Stadtplaner?

Warum hat der Leipziger Stadtrat im Jahr 2019 den Klimanotstand beschlossen, wenn die alten Bäume die für gesundes Stadtklima sorgten im Tausch gegen den Klimakiller Beton abgehackt werden?

Neben 16 Vogelarten, die gemäß EU-Vogelschutzrichtlinie und Bundesnaturschutzgesetz alle besonders geschützt sind, haben zusätzlich zum besonderen Schutzstatus der streng geschützten Grünspecht und der streng geschützte Turmfalke auf dem Leuschnerplatz essentielle Lebensraumbestandteile.

Alle Artvorkommen sind Stadtplanungsamt und Naturschutzbehörde bekannt. Nachdem der NABU bereits seit Jahren auf den Verlust der Lebensräume für alle Vogelarten in unserer Stadt hinweist, blieben unsere wiederholten Anfragen bis heute unbeantwortet, wie man den Erhalt dieser geschützten Arten gewährleisten wird.

Allerweltsarten wie Amsel, Rotkehlchen oder Haussperling meint man nicht schützen zu müssen. Den Haussperling kennt jeder, auf den gehe ich mal näher ein.

Der Haussperling steht inzwischen auf der Vorwarnliste der Roten Liste. Und er steht heute auch stellvertretend für viele andere Vogelarten, die rapide aus den Städten verdrängt werden. Die Brutplätze ganzer Kolonien gehen durch energetische Sanierungen derzeit unwiederbringlich verloren. Spatzenkolonien sind auf Ruhe- Sammel,- und Schlafplätze in dichten Hecken und Sträuchern angewiesen, dort, wo auch Amseln, Rotkehlchen und Nachtigallen ihre Nester bauen und den Nachwuchs großziehen.

So wie auf dem Leuschnerplatz. Genau diese einst häufigen städtischen Lebensräume verschwinden derzeit rasant und genauso sinnlos. Hamburg, Köln, München, London, Paris und viele andere haben uns gezeigt, dass innerhalb nur weniger Jahre die Bestände typischer Stadtvögel wie Haussperlinge rapide einbrechen.

Seit einigen Jahren erleben wir das auch in Leipzig.

Der NABU teilt immer wieder Belege dafür mit, dass sogenannte Allerweltsarten in Leipzig abnehmen, bei einigen gibt es einen drastischen Rückgang. Doch auch weiterhin werden die bedrohten Lebensräume in Leipzig durch katastrophale Stadtplanung dem Erdboden gleichgemacht. Das passiert immer wieder ohne den gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleich.

Frau Dubrau und Frau von Fritsch sagten mehrfach, es gebe doch genug Ausweichmöglichkeiten im Umfeld. Nein gibt es nicht. Auf unsere Fragen, wo die Vögel jetzt hin seien, wenn sie in der Nachbarschaft auch nicht mehr zu finden sind, gab es nie Antworten. Wir akzeptieren nicht, dass für jeden Neubau immer wieder dieselben Ausgleichsflächen im Clarapark, Rosental oder Mariannenpark genannt werden, die ohnehin bei Lebensraumeignung bereits besetzt sind.

Eine Aufwertung, also ausreichend große Neupflanzungen um als Fortpflanzungs-, Ruhe- und Nahrungsstätte funktionell zu sein, und damit bisherige Lebensräume bereichern könnten, gibt es nicht. Es ist utopisch, dass die vertriebenen Vögel auf diesen ausgewiesenen Flächen einen neuen Lebensraum finden. Diese Populationen sind für immer verloren und das grüne ökologische Netzwerk in der Stadt schrumpft weiter zusammen, bis es bald nur noch als grüne Alibikulisse dient, in dem kein Vogel mehr singt. Beispiele dafür gibt es schon heute, wenn man sich die quadratischen Minihecken gegenüber dem Astoria Hotel ansieht, dort und an vielen weiteren umgestalteten Grünflächen sind die Vögel weg.

Immer wieder reden Politiker über mehr Nachhaltigkeit, über Ressourcenschonung, über Biodiversität ohne ernsthaft Naturräume für Menschen und Tiere zu schützen, die unsere Nachbarn sind. Vogelarten sind hier zum Überleben auf unsere Vorgärten und Hinterhöfe, unsere Brachflächen und Parks angewiesen sind, weil sie in unseren Städten auch Zuflucht fanden, nachdem außerhalb der Städte Monokulturen und Ackergifte tote Landschaften hinterlassen.

Es ist völlig absurd, dass auf der einen Seite immer mehr über Stadtnatur geredet wird und aufwendige Kampagnen gestartet werden, gleichzeitig aber überall massiver denn je Lebensräume für Vögel und Insekten wegsaniert und gerodet werden. Nicht nur im Umfeld des Leuschnerplatzes, sondern inzwischen für ganz Leipzig liegen uns Erkenntnisse vor, dass die ausgleichslose Lebensraumzerstörung rechtswidrig ist. Am Beispiel Wilhelm-Leuschner-Platz werden wir für eine Sanierung des Umweltschadens kämpfen und sollten Baupläne ohne notwendige Ersatzmaßnahmen erfolgen, werden wir vor Gericht klagen.

Wir brauchen die Arten in der Stadt, wir müssen auch die Allerweltsarten schützen, denn diese sind die Rote-Liste-Arten von morgen. Es nützt nichts, wenn es Vögel nur noch in weit entfernten Schutzgebieten gibt. Wir brauchen sie in der Stadt, die Generalisten, die uns die Natur vor die Haustür bringen.

Unsere tierischen Nachbarn gehören von der Hummel bis zum Spatz zu unserem Ökosystem, das funktionieren muss, und zwar für unser Überleben. Sie wollen leben und sie sind gut für unser Wohlbefinden, für Gesundheit, Erholung und Lebensqualität. Das zeigen auch aktuelle Studien zu Straßenbäumen und Vogelgesang aus Leipzig und Frankfurt am Main, welche essentiell für das seelische Wohlbefinden sind und gar gleichbedeutend zu einer Gehaltserhöhung! Außerdem ist es für die Entwicklung von Kindern von größter Bedeutung, Naturerfahrungen durch die Jahreszeiten hindurch sammeln zu dürfen und nicht nur während Urlaubsreisen in ferne Länder!

Es geht im urbanen Artenschutz um ein gesellschaftliches Schutzgut und ein demokratisches Recht der Bürger auf eine nachhaltige Stadtentwicklung.

Wenn in jede Lücke, die uns mit Frischluft versorgt, Betonklötze gebaut werden, wenn immer mehr Bäume gefällt werden, wenn Büsche gerodet werden, wenn unsere Lebensgrundlage zerstört wird, ist jeder der sich daran beteiligt für die Opfer dieses Raubbaus mitverantwortlich.

Je mehr Menschen in der Stadt leben, umso mehr Stadtnatur brauchen wir, und nicht weniger! Wir brauchen Plätze für Erholung und Naturerfahrung, auch neben dem Auwald und dessen Strahlkraft!

Ich wünsche mir, und ich weiß viele andere auch, dass es endlich zu gemeinsamen Gesprächen kommt zwischen denen, die sich um Klimaschutz, Umwelt und Naturschutz bemühen und denen, die sich um nachhaltigen Städtebau bemühen, die Stadt aber bisher einseitig, meist ausschließlich im Sinne von Wohnen und Arbeiten gedacht haben.

Ich freue mich über jedes offene Ohr und Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Karsten Peterlein

Vorstandsmitglied
Arbeitskreisleiter Ornithologie und Vogelschutz
NABU – Naturschutzbund Deutschland
Regionalverband Leipzig e. V.

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