Nicht nur innenstadtnahe Wohnquartiere bekommen so langsam heftige Stellplatzprobleme, so wie Stötteritz, 16.974 Einwohner (2017), 7.087 Kraftfahrzeuge, 347 pro 1.000 Einwohner. „Das durch eine enge Bebauung geprägte Viertel in Stötteritz weist aufgrund der hohen Wohndichte und der im öffentlichen Straßenraum sowie auf Privatflächen nur begrenzt zur Verfügung stehenden Stellplätze einen hohen Parkdruck auf“, stellte die Grünen-Fraktion Anfang des Jahres in einem Antrag fest.

Darin forderte sie auch für Stötteritz ein Parkraumkonzept. Denn der Parkdruck „führt zunehmend zu einem erhöhten Parksuchverkehr und regelmäßig unsachgemäß abgestellte Autos im Wohnviertel. Insbesondere in den Kreuzungsbereichen entstehen unübersichtliche Situationen. Dadurch werden in hohem Maß Kinder, Menschen mit Behinderung und Fußgänger sowie andere Verkehrsteilnehmer gefährdet. Zusätzlich zum Individualverkehr fährt in Stötteritz die Straßenbahnlinie 4 durch enge und kurvenreiche Straßen. Diese wird ebenfalls immer wieder durch Falschparker behindert.“

Also wäre doch nur logisch, so die Grünen: „Die Stadt Leipzig wird beauftragt, für den Stadtteil Stötteritz zwischen Holzhäuserstraße und Papiermühlstraße ein Parkraumkonzept zu entwickeln und umzusetzen. Hierfür werden zunächst 100.000 € für Untersuchungen und die Konzepterstellung zur Verfügung gestellt.“

Doch die Verwaltung empfiehlt jetzt die Ablehnung des Antrags. Und hat dafür gute Gründe. Denn für das wilde Parken in Stötteritz sind ganz allein die Stötteritzer verantwortlich, niemand sonst.

„Aufgrund der in den vergangenen Jahrzehnten im Stötteritzer Gründerzeitviertel zwischen Papiermühlstraße und Holzhäuser Straße durchgeführten umfangreichen Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen ist das Gebiet durch eine hohe Wohndichte geprägt. Mangels privater Stellflächen reicht der Parkraum nicht für alle Fahrzeuge aus und der öffentliche Verkehrsraum ist durch hohe Belegungen bzw. hohen Parkdruck gekennzeichnet. Dieser äußert sich insbesondere durch Parksuchverkehr sowie Falschparken in Kreuzungsbereichen, auf Gehwegen oder in der 2. Reihe“, bestätigt das Dezernat Stadtentwicklung und Bau die Feststellung der Grünen.

Ähnliche Probleme kennt man ja inzwischen auch aus Plagwitz, aus Schleußig sowieso, aber auch auch Altlindenau und Leutzsch. Obwohl es relativ gute Straßenbahn- und Radwegeanbindungen gibt, behalten die Anwohner ihre Pkw. Und wer neu hinzuzieht, bringt sein Auto in der Regel mit. Und wenn man es abends irgendwo abstellen will, steht das Gefährt dann oft genug auf Kreuzungen, in doppelter Reihe oder auch mal auf dem Fußweg.

„Da diese Situation im Wesentlichen durch die Anzahl der Fahrzeuge der Bewohner selbst hervorgerufen wird, ist eine Besserung durch die Einrichtung von Quartiersparken oder mögliche verkehrsorganisatorische Maßnahmen nicht oder nur marginal zu erwarten“, erklärt das Planungsdezernat, warum ein Parkraumkonzept (wie im Waldstraßenviertel) für diese überbordenden Probleme nichts bringt.

„Analog der Situation im Stadtteil Schleußig wäre die für einen Stellplatzgewinn für Bewohner maßgebliche Verdrängung von Fremdparkern aus dem Gebiet nicht gegeben. Unabhängig davon, dass der für die Einführung des Quartiersparkens zu führende straßenverkehrsrechtliche Nachweis umfangreiche Untersuchungen zum Parkraumangebot und zur Parkraumnachfrage erfordert, die wiederum Grundlage für die Entwicklung und Bewertung eines möglichen Parkraumkonzeptes sind, setzt dieser die gleichzeitige Erfüllung zweier Bedingungen voraus.“

Die Bedingungen legen zumindest nahe, dass ein Parkraumkonzept nicht die Lösung ist.

„Neben dem detailliert zu belegenden hohen Parkdruck ist dies das Bestehen einer Konkurrenz zwischen verschiedenen Nutzergruppen, wie beispielsweise Bewohnern, Kunden und Besuchern. Eine Parkraumbewirtschaftung als Bestandteil des Quartiersparkens ist deshalb nur sinnvoll und rechtssicher, wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind“, so das Planungsdezernat.

„Da vor allem in den Abend- und Nachtstunden keine relevanten Nutzungskonflikte zwischen Bewohnern, Beschäftigten oder Kunden bestehen und nachts hier nahezu nur Bewohner parken, würde eine Parkraumbewirtschaftung im Gebiet keine relevante Entlastung der bestehenden Parkraumsituation bringen. Aufwendige Untersuchungen sind deshalb aus heutiger Sicht entbehrlich und wären nachteilig für andere Stadtteile mit vergleichbarer oder noch kritischerer Parkraumsituation, in denen vorgenannte Bedingungen jedoch erfüllt sind und in denen eine Verbesserung durch Umsetzung eines Parkraumkonzeptes zu erwarten und angestrebt ist.“

Eine andere Lösung schlägt das Planungsdezernat nicht vor. Ganz unübersehbar kommt die Pkw-Ausstattung der Bewohner der Stadt Leipzig jetzt an ihre Grenzen. Der Straßenraum kann einfach nicht mehr aufnehmen. Ob die Autobesitzer tatsächlich auf ihren Pkw angewiesen sind, hat ja noch niemand untersucht. Aber auch in Stötteritz können die Lösungen nur in einer besseren ÖPNV-Versorgung und einer besseren Nutzung von Leihautosystemen liegen, vielleicht noch ergänzt durch einen besseren Ausbau des Radwegenetzes, sodass der Verzicht aufs Auto leichterfällt.

Leipzig wird weitere Ortsteile für die Einführung von Parkraumbewirtschaftung prüfen + Video

Leipzig wird weitere Ortsteile für die Einführung von Parkraumbewirtschaftung prüfen + Video

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Es gibt 3 Kommentare

#Axel: Danke für den Hinweis. Da hat “pro 1.000 Einwohner” gefehlt. Ich hab’s ergänzt.

Die “347 pro Kopf” verstehe ich nicht so ganz, ist aber wahrscheinlich nur ein Tippfehler.
Ich komme selber aus Stötteritz, wenn auch oberhalb der Holzhäuser, wo die Parksituation noch etwas entspannter ist und kenne natürlich auch den angesprochenen Bereich. Ich sehe hier spontan 3 Ansätze: a) wie von Darjeeling schon beschrieben die konsequente Ahndung von Falschparkern (passiert gar nicht bisher); b) platzsparenderes & sinnvolles parken (keine Verschwendung von Parkraum mehr) – ist allerdings ein grundsätzliches Problem, was sich überall beobachten lässt: me first & sollen die anderen doch sehen, ob sie noch was finden. Der 3.Punkt ist allerdings Kopfsache: Stötteritz ist recht kompakt und durch Tram, Bus & S-Bahn nicht allzu schlecht erschlossen, inkl. Erreichbarkeit der Nahversorger etc., warum muss es dann so viele Autos geben? Arbeiten tatsächlich alle jwd bei schwer erreichbaren AG, oder ist das nur die eigene Bequemlichkeit (gilt für viele Stadtteile)? Bis auf 2 (Holzhäuser & K.-Prendel-Allee, exkl. Prager) gibt es keine allzu stark befahrenen Straßen im Viertel und somit ist Rad auch kein Ausschlusskriterium.
Ein vielleicht weiterer Punkt wäre die Auflage für Stellplätze bei Neubauten oder den gerade in Stötteritz mehrfach vorkommenden Umbauten von ex-Gewerbe- zu jetzt Wohnimmobilien.

Solange wie Gehweg, Kreuzung oder Radweg zuparken konsequent nicht geahndet wird, wird sich auch nix ändern. Dieser rechtsfreie Raum umfaßt übrigens nicht nur Stötteritz, sondern die ganze Stadt. Autofahrer sind Menschen erster Klasse, alle anderen müssen sehen, wie sie zurechtkommen.

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