Connewitz ist ein Politikum. Hier machen nicht nur Linke Politik, fallen Rechte als organisierte Schlägertruppe ein, macht ein CDU-Stadtrat Wahlkampf für „Mehr Sicherheit“ für sich, um vielleicht gar in den Landtag zu kommen, und ein Graffiti mit der Schrift „No Cops“ beschäftigt sogar den Stadtrat. Aber anders als CDU-Stadtrat Karsten Albrecht in seinem Wahlclip suggeriert, ist Connewitz kein besonders gefährlicher Ortsteil.

Nicht mal dann, wenn man die Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) nimmt, die das Landeskriminalamt auflistet.

Die Zahlen dazu hat jetzt die Landtagsabgeordnete der Linkspartei Juliane Nagel von Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) bekommen. Ihr ging es erst einmal um die Frage, was die Polizei eigentlich bezweckt, wenn sie nun regelmäßig uniformierte Polizeistreifen durch Connewitz schickt. Sollen die Streifen dauerhaft durch den Ortsteil patrouillieren oder will Leipzigs Polizei hier wieder eine besondere Connewitz-Präsenz demonstrieren, so wie mit der Polizeiwache, die die Leipziger Polizeidirektion hier – gegen den auch lauten Widerstand der Connewitzer Autonomen – eingerichtet hat?

Aber Wöller betont, bei den Streifen gehe es vor allem um das Gefühl der Sicherheit: „Die polizeiliche Fußstreife ist ein Mittel der Präsenzerhöhung, das anlassbezogen in unterschiedlichster Intensität und Dauer mit präventivpolizeilicher Zielstellung eingesetzt wird, um auf aktuelle Lagen und Entwicklungen zu reagieren. Beispielhaft können mehrere Einsatzanlässe benannt werden, bei denen diese Einsatzform in der Polizeidirektion Leipzig Verwendung fand, um Straftaten zu verhindern und damit auch das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung positiv zu beeinflussen.”

Die Beispiele, die er findet, weisen dann aber alle nicht auf Connewitz, es kommen andere Fälle auf den Tisch: “Die schwere Vergewaltigung einer Frau im Jahr 2017 im Leipziger Rosental war ein Verbrechen, bei dessen Aufarbeitung diese Form der polizeilichen Einsatzbewältigung genutzt worden ist. Diese Straftat hatte Auswirkung auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, die Primärintention der Maßnahme lag jedoch in der Verhinderung einer Wiederholungstat. Auch absehbaren Konflikten zwischen Personengruppen kann mittels solcher Präsenzmaßnahmen entgegengewirkt werden. Beispielhaft können hierbei die intensiven Fußstreifen im Stadtgebiet von Wurzen seit Beginn des Jahres 2018 angeführt werden, um Übergriffe rechtsmotivierter Personen auf Asylsuchende zu verhindern.“

Aber die Streifen kommen tatsächlich auch da zum Einsatz, wo es Straftatenhäufungen gibt wie in der Stuttgarter Allee in Grünau sowie in der Eisenbahnstraße. „Gleiches gilt für den Innenstadtbereich und Gebiete um den Hauptbahnhof Leipzig“, so Wöller,

Nur ist Connewitz in diesem Sinne kein Kriminalitätsschwerpunkt.

Manches in Connewitz ähnelt ja einer Art Ping-Pong-Spiel. Mal prescht die Polizei vor und versucht, im Ortsteil ein bisschen Härte zu zeigen. Dann wieder wird eine weitab vom Geschehen passierte Polizeiaktion zum Anlass, dass in der autonomen Szene in Connewitz die Gemüter überkochen. Dann kommt es zu einer Reihe von Zerstörungen oder auch Graffiti, von denen die Meldeliste des Landeskriminalamts voll ist.

Es stimmt: Unter den 517 vom LKA gemeldeten Vorfällen mit „Politisch Motivierter Kriminalität“ in Leipzig im Jahr 2018 werden 109 im Ortsteil Connewitz lokalisiert. Das sieht dann natürlich wie ein Schwerpunkt aus. Nur sind die meisten dieser Straftaten vor allem Sachbeschädigungen oder ganze Reihen von an die Wand gesprühten Sprüchen vom Muster „ACAB“ oder „No Cops“. Im Polizeisprech: „Täter schmierte Parolen an eine Schule“, „Täter schmierte Parolen an eine Garage“ oder „Täter sprühte eine Parole an eine Sporteinrichtung“.

In Connewitz wird das alles fleißig gesammelt, gemeldet und wenig später kommen dann die Malerkolonnen und beseitigen die Schriftzüge wieder von den Wänden. An der Streetballanlage am Connewitzer Kreuz ist daraus ein regelrechter Wettbewerb geworden, wer schneller ist – die Sprüchemaler oder die Putzkolonnen der Stadt.

Man könnte es auch als eine Art missglückter Dialog bezeichnen: „Wir sprechen zwar nicht miteinander, aber wir zeigen einander, was wir jeweils vom anderen halten.“

Manchmal agiert auch die Polizei so, etwa bei Silvesterfeiern, wenn sich die Versammlung am Connewitzer Kreuz schon längst auflöst, der Einsatzleiter dann aber doch noch ein paar schwergepanzerte Polizisten losschickt, um ein paar Leute aus der Menge einzufangen – was dann regelmäßig damit endet, dass eine eigentlich schon beendete Feier noch einmal eskaliert und die Polizei dann gleich wieder eine ganze Reihe – scheinbar – politisch motivierter Straftaten anzeigt, so, wie sie gleich am Anfang der Liste zu finden sind: „Täter warf Flaschen, Steine und Pyrotechnik auf Polizeifahrzeuge“, „Täter warfen Flaschen auf ein Polizeifahrzeug“ und „Täter warfen Gegenstände auf ein Polizeifahrzeug“. Was dann gleich wieder als „Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs gem. § 125a Strafgesetzbuch (StGB)“ gehandelt wird.

Das klingt so, als wären in Connewitz immerzu Straßenschlachten im Gang und nicht ein Geplänkel auch politischer Art, bei dem gerade konservative Politiker gern auch einmal ein bisschen zündeln und aus einer suggerierten Unsicherheit in Connewitz Kapital schlagen. Als hätten sie keine anderen Themen und müssten sich jeden Tag neu an einem Ortsteil reiben, der ihnen zu bunt, zu frech und zu aufsässig ist. Die Aktionen der Polizei sind dabei viel zu sporadisch, um irgendeine Art System dahinter zu erkennen.

Aber vielleicht hilft es ja wirklich, wenn jetzt immer wieder uniformierte Polizisten durch die Biedermannstraße laufen und mit den Leuten, die da herum so leben, auch mal ins Gespräch kommen. Dann lernen sich die beiden Parteien vielleicht sogar kennen und kommen ins Gespräch. Sie müssen sich ja nicht gleich lieben.

Der Stadtrat tagt: Graffiti-Krieg in Connewitz noch nicht beendet + Video

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