Fast hat man sich dran gewöhnt, dass die Zentralen der Leipziger Kommunalbetriebe präsentabel aufgereiht am Ring liegen: LWB, Verkehrsbetriebe, Wasserwerke, Stadtwerke. Doch im Europahaus sind die Stadtwerke Leipzig nur eingemietet. Sie tragen sich mit Plänen für eine neue, eigene Konzernzentrale. Bis 2023 soll die nach einem Bericht der LVZ auf dem Gelände der Stadtwerke zwischen Arno-Nitzsche-Straße und Richard-Lehmann-Straße entstehen. Hier werden echte Zukunftschancen verbaut, kritisieren die Grünen.

Das Gelände ist derzeit noch wenig genutzt und bildet durch seinen verschlossenen und fest eingezäunten Zustand eine sehr breite, nicht durchquerbare Barriere zwischen dem künftig neu entstehenden Stadtteil auf dem Gelände des Bayerischen Bahnhofs und Connewitz. Die Verbindung zwischen der Richard-Lehmann-Straße mit dem publikumsstarken Panometer und der Arno-Nitzsche-Straße ist im Moment nur umständlich und weit über die vorhandenen Straßen oder gefährlich und illegal über den Trampelpfad am Bahngelände möglich. Auch stehe das Panometer isoliert da, was auch gut mit einzubinden wäre.

Details der Planungen sind derzeit über die Presseberichterstattung aber auch dem Stadtrat nicht bekannt. Die Spitze der L-Gruppe pflegt ja einen besonderen Kuschelkurs mit der LVZ. Mehrfach freilich hatte der Stadtrat in der jüngeren Vergangenheit angemahnt, auch die Grundstücke der Kommunalbetriebe für wichtige städtische Infrastrukturprojekte in Betracht zu ziehen. Aber augenscheinlich macht weiterhin jeder sein eigenes Ding.

„Die nun bekannt gegebenen Planungen für das Gesamtareal zeugen nicht davon, dass die Stadt- und Unternehmensspitze nach vorn denkt…“, kritisiert Katharina Krefft, Fraktionsvorsitzende und Aufsichtsratsmitglied beim Stadtkonzern LVV mit Bezug auf den aktuellen Wahlkampfslogan von Oberbürgermeister Burkhard Jung.

„Stattdessen plant man ein Gelände, welches sich auch künftig nach außen hin abschottet. Statt alle Möglichkeiten zu nutzen, einerseits die vielfältigen Bedarfe der Bürgerinnen und Bürger einfließen zu lassen, andererseits die Stadtwerke als kommunalen Energieversorger in die Bürgerschaft hinein erlebbarer zu machen, bleibt das Gelände für Passant/-innen weiter verschlossen.

Wir Grüne fordern eine barrierefreie Durchwegung des Areals zwischen den beiden aufeinander zuwachsenden Stadtteilen an der Richard-Lehmann- und Arno-Nitzsche-Straße. Wir regen an, die Nutzung einiger Flächen dieses riesigen Gebietes als zum Beispiel Spiel- oder Sportflächen, gegebenenfalls sogar als einen ‚Energie-Erlebnispark‘ aktiv voranzutreiben und so die einmalige Chance zu nutzen, den Stadtteil deutlich aufzuwerten.“

Auch die im Leipziger Sportprogramm auf Initiative der Grünen verankerte neue Schwimmhalle Süd würde sich in das Gebiet wunderbar einbinden, findet Krefft. „Dies alles scheint aber nicht gewollt zu sein und aktiv verhindert zu werden! Die Chance, in einer visionären Architektur die Themen ‚Energie‘ und ‚Wärme‘ zu verankern, wurde vertan. Die Entwicklung des Gesamtgebietes hätte die Erarbeitung eines Masterplanes mit Bürgerbeteiligung erfordert. Auf beides wurde bewusst verzichtet, die Stadtwerke scheinen sich hier nicht hineinreden lassen zu wollen.“

Die Stadtwerke wollen nach eigenen Angaben einen autofreien Campus und nur an dessen Rand Stellplätze realisieren.

Ein Vorhaben, das Kristina Weyh, Stadträtin und verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, völlig daneben findet in einer Zeit, in der Leipzig intensiv über die Verkehrswende diskutiert. Nur in der Spitze der Statdtwerke scheint das Thema nicht angekommen zu sein.

„Von einem autofreien Campus zu sprechen, entbehrt jeder Realität und erscheint wie ein schlechter Witz“, sagt Kristina Weyh. „Am Rande des Unternehmensgeländes sind 600 ebenerdige Stellplätze geplant, was nicht nur einer gigantischen Flächenversiegelung zum Abstellen von Autos entspricht, sondern die Mitarbeiter/-innen regelrecht dazu einlädt, mit dem Auto ins Unternehmen zu fahren.

Das ist kein zeitgemäßes Verkehrskonzept, das ist Verkehrspolitik von vorgestern! Hier fordern wir Oberbürgermeister Jung dazu auf, die Stadtwerke zu einem Stopp eines solchen Irrsinns zu zwingen, stattdessen endlich an einem echten Mobilitätskonzept für den Standort zu arbeiten, welches den Namen verdient und sich zwingend an den Zielen des einstimmig vom Stadtrat beschlossenen Nachhaltigkeitsszenarios orientiert!“

Da passt dann erstaunlicherweise auch der Plan der Stadt, ausgerechnet in der Richard-Lehmann-Straße auf der Schlachthofbrücke die Gleise der Straßenbahn zu entfernen. Da hat man auch bei den LVB das „Denken nach vorn“ völlig vergessen. Jetzt entsteht hier also auch noch eine Unternehmenszentrale. Eine reguläre Straßenbahnlinie erscheint hier immer sinnvoller. Aber augenscheinlich plant im Stadtkonzern jeder für sich allein.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat zum Sachverhalt noch vor Weihnachten eine umfangreiche Anfrage an den Oberbürgermeister gerichtet, die in der kommenden Stadtratssitzung am 22. Januar zur Beantwortung kommen wird.

„Nach der nun erfolgten, vermutlich auf unserer öffentlichen Anfrage beruhenden Veröffentlichung der Stadtwerke wird unser Fokus auf der verkehrlichen Erschließung des Gesamtgeländes liegen“, betont dazu Michael Schmidt, Grünen-Stadtrat und seit fast zehn Jahren für die Fraktion im Aufsichtsrat der Leipziger Verkehrsbetriebe aktiv.

„Hier braucht es nach unserem jetzigen Kenntnisstand dringende Umplanungen, um nicht einen kapitalen Fehler einzuleiten. Die Zukunft darf nicht darin liegen, dass Menschen allein im eigenen Auto zur Arbeit fahren und noch zu einem solchen Mobilitätsverhalten durch entsprechende Angebote eingeladen werden.

Mit dem Slogan des Stadtkonzerns ‚Wir sind Leipziger‘ sollte man auch erwarten können, dass Mitarbeitende der Stadtwerke zur Nutzung der umfangreichen Angebote der LVB motiviert werden und auch zu deren Mobilitäts- und Entwicklungszielen stehen! Das Gegenteil scheint aber von den Stadtwerken forciert zu werden. Diese Fehlsteuerung lässt den Leitspruch ‚Wir sind Leipziger‘ eher wie eine leere Hülle um die Unternehmen des Stadtkonzerns wirken, statt wie eine wirkliche Leitkultur.“

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