Die Mitglieder des Pro Leipzig e. V. haben sich auf ihrer Mitgliederversammlung Ende 2019 deutlich gegen die Regelung zum Anwohnerparken im Waldstraßenviertel ausgesprochen. Hauptgrund ist die Tatsache, dass diese den einstigen Entwicklungszielen des Viertels widerspricht. Das Waldstraßenviertel war nach 1990 eines der ersten Stadtgebiete Leipzigs, welches eine umfassende Rettung und Sanierung erfuhr.

Vor allem private Investoren, unterstützt mit öffentlichen Fördergeldern, und Investitionen der Kommune, des Landes und des Bundes in den öffentlichen Raum hatten daran ihren Anteil. Neben dem Erhalt der wertvollen Denkmalsubstanz war es oberstes Ziel der Bemühungen, die Lebendigkeit und Angebotsvielfalt des Viertels in Form von Geschäften, Dienstleistern, Handwerkern, Kneipen, Ärzten usw. zu erhalten und kein beruhigtes Schlafviertel für Besserverdienende entstehen zu lassen.

Der Verein Pro Leipzig hatte diese Bemühungen intensiv begleitet und mit der Herausgabe der Waldstraßenhefte (1992 bis 2004) eine entsprechende Öffentlichkeit geschaffen. 1994 erhielt die Stadt Leipzig für ihre Strategie zum Erhalt des Waldstraßenviertels beim Bundeswettbewerb vom Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau immerhin eine Goldmedaille und befand sich auf dem richtigen Weg.

Wenn in der gegenwärtigen Diskussion um das Anwohnerparken im Waldstraßenviertel Dienstleister, Gastronomen, Ärzte und andere Freiberufler, Bäcker oder andere Gewerbetreibende um die für ihre Existenz notwendigen Parkscheine betteln müssen und damit als Mieter 2. Klasse behandelt werden, dann ist das nicht nur beschämend, sondern deutet auch darauf hin, dass sich die Stadtverwaltung von den einstigen Entwicklungszielen für das Viertel verabschiedet hat.

Die Regelungen zum Anwohnerparken widerstreben auch einer Reihe weiterer moderner europäischer Stadtentwicklungsziele, z. B. der Verkehrsvermeidung. Durchmischte Viertel mit vielfältigsten Angeboten für Alltag und Beschäftigung bieten kurze Wege. Das Auto ist hier deutlich weniger erforderlich als im ländlichen Raum. Wenn nun Dienstleister, Gewerbetreibende oder Ärzte das Viertel – wie bereits angekündigt – wegen verweigerter Parkmöglichkeiten verlassen müssen, dann werden vor allem neue Wege und zusätzlicher Autoverkehr geschaffen.

Andererseits bietet das Waldstraßenviertel wie kein weiterer Stadtteil in Leipzig die Möglichkeit für Bewohner, gänzlich auf ein eigenes Auto bzw. auf den Zweitwagen zu verzichten. Fußläufige kurze Verbindungen sowohl in die Innenstadt, in den Kindergarten, zum Hauptbahnhof als auch ins Grüne sind hier ebenso vorhanden wie eine kleinteilige Erschließung durch die Straßenbahn und Angebote zum Leihen von Autos.

Eine zunehmende Zahl junger Familien richtet unter diesen Bedingungen ihren Alltag bereits ohne eigenes Auto ein. Der Anstoß für diesen Schritt ist nicht selten – wie etwa in Schleußig – ein hoffnungslos zugeparkter Straßenraum. Das derzeitige Modell des Anwohnerparkens im Waldstraßenviertel sendet mit der verbrieften Garantie auf einen Parkplatz dahingehend falsche Signale.

Ein wirkliches Problem besteht im Viertel aus Sicht des Pro Leipzig e.V. vor allem durch sogenannte Fremdparker, die ihr Auto gern vor allem im südlichen und östlichen Teil des Viertels kostenfrei abstellen möchten, weil sie einer nahegelegenen Arbeit in der City nachgehen oder die Angebote der Innenstadt nutzen wollen. Das Anwohnerparken wird möglicherweise den Großteil dieser Parker verdrängen, allerdings nur in andere nahegelegene Stadtgebiete.

Dieses Problem wird nicht durch Verbote zu lösen sein, sondern ausschließlich durch Angebote. Neben der Verbesserung der Angebote des öffentlichen Nahverkehrs und weiterer park & ride-Möglichkeiten an den Stadträndern sieht Pro Leipzig vor allem im Bau separater Radwegeverbindungen, die die Stadt radial und tangential erschließen, einen Ausweg. Gerade auf letztgenanntem Gebiet hat die Stadtpolitik nach Ansicht des Vereins in den letzten Jahren viel zu wenig unternommen und dabei die Zeichen der Zeit regelrecht verschlafen.

Noch mehr Ärger um das Bewohnerparken im Waldstraßenviertel

Noch mehr Ärger um das Bewohnerparken im Waldstraßenviertel

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Es gibt 8 Kommentare

Zu J. Sie haben das schon so verstanden, wie ich auch. Der Bedarf zum Bewohnerparken kam von Bewohnern und dem Waldstraßenviertelverein mit dem Hintergrund, dass nicht genügend Parkplätze für die Bewohner zur Verfügung stehen und man mehr Parkmöglichkeiten will. Aber nach dem Wegzug des Gewerbes und Umnutzung zu Wohnungen wird dieses Problem nicht gelöst, weil damit nicht mehr Parkmöglichkeiten entstehen, da zukünftig mehr Anspruch (Zuzug in Wohnungen ehemaligen Gewerbes) auf Bewohnerparkkarten bewirkt wird. Das unnötiger Verkehr zu vermeiden ist, ist logisch. Nur die Bewohner müssen sich, da die Grundversorgung (Arzt, Apotheke, Gemüseladen, Bäcker, Friseur usw.) rauszieht in anderen Stadtteilen bedienen, was wieder zu mehr Verkehr führt. Jetzt kann ich mein Brot nicht mehr vor Ort kaufen sondern fahr nach Gohlis, vielleicht mit dem Fahrrad, der Arzt ist auch nicht mehr nah im Viertel, ich muss also zu ihm weiter weg.

Herr Saschok, das beantwortet meine Frage nicht.

Noch mal.

Also wir haben einen Parkplatz. Da steht das Auto eines Gewerbetreibenden drauf.

Wenn der dort nicht parken kann und aus dem Viertel deswegen wegzieht, zieht jemand in den bisher gewerblich genutzten Raum ein, der dann als Wohnung genutzt wird. So meinen sie das doch?

Nun parkt auf dem Parkplatz das Auto eines Bewohners.

Wo ist nun rein physikalisch der Unterschied? Auto bleibt Auto.

Wo entsteht hier ein höherer Bedarf an Parkplätzen?

Es ändert sich doch nichts, außer dass u.U. ein Gewerbetreibender ausgezogen ist.

PS: ich denke nicht, dass dieses Anwohnerpark-Konzept besonders gelungen ist, sonst würde hier nicht diskutiert werden. Es ist zu grob und zu pauschal angelegt, bräuchte vielleicht mehr Feinheiten. Ein paar mehr Anlieferzonen wären vielleicht gut gewesen, so als Beispiel. So wie die Situation war, kann es aber auch nicht bleiben. Das ist doch nicht normal, wenn schon in zweiter Reihe geparkt wird und man nur noch in Schlangenlinien die Straßen langfahren kann. Es ist gefährlich und unübersichlich. Das Problem sind vielleicht auch nicht die Gewerbetreibenden. Das Problem sind ja auch die Autos der Bewohner. Das ist aber in anderen Stadtteilen auch so. Es muss ja offenbar jeder ein Auto haben im Format eines kleinen Traktors, selbst wenn er bspw. im Waldstraßenviertel wohnt und in der Innenstadt arbeitet (ich kenne solche Menschen entfernt, ohne Witz, das Stück MUSS mit dem Auto gefahren werden weil es ja regnen könnte, kalt ist, die Füße weh tun, was weiß ich). Ich kenne auch einen gesunden Mann, der fährt regelmäßig mit seinem Auto von seiner Wohnung zum 100 Meter entfernten Supermarkt, kauft dort ein und fährt mit dem Auto wieder 100 Meter zurück. Was soll man da noch zu sagen. Ich kenne aber auch viele Geschäfte (in anderen Vierteln), die haben keinen eigenen wirklichen Parkplatz, weder für Kunden noch für sich selbst, irgendwie laufen diese Geschäfte dennoch. Die Kunden kommen zu Fuß oder per Rad oder per Bahn, die Angestellten ebenso, nur angeliefert wird mit einem Auto. Läuft bei denen ganz unspektakulär.

Das Problem der Fremdparker wird nicht durch Angebote zu lösen sein. Hier kämpft man gegen Windmühlen, gegen die Bequemlichkeit der Stadtbevölkerung.

Das Problem der Gewerbeparkplätze ist ein ebenso perverses. Viele Anwohner haben, wollen oder brauchen kein Auto.
Aber jeder Mitarbeiter der Gewerbetreibenden soll mit dem Auto zu seiner Arbeit fahren dürfen?
Dort, wo die Bürger ohne Auto wohnen?
Wie wäre es mit Fahrrad, Bahn, Bus oder Fuß? Oder wohnen die Gewerbler alle vor den Toren Leipzigs?

Das Problem der gewünschten Parkzonenanwendung besteht in der Begrifflichkeit “Bewohner”, welcher nur dann einer ist, wenn er dort meldebehördlich registriert ist. Das ist der Gewerbetreibende in der Regel nicht.
Da hilft auch keine Auslegung, das ist so.
Andererseits ist eine Unternehmung, die fürs Geldverdienen gut ist, nun mal gewissen Risiken unterworfen. Ein Recht auf einen Parkplatz gibt es nicht. Zu Recht, wie ich meine. Ein Riesenvorteil sind die Mengen an potentiellen Kunden im unmittelbaren Umfeld…

Die Einrichtung des Bewohnerparkens ist wegen der gesetzlichen Vorgaben (Straßenverkehrsordnung/Straßenverkehrsgesetz) und der darin vorgegebenen Privilegierung der Bewohner immer eine Entscheidung gegen das ansässige Gewerbe/Freiberufler. In reinen Wohngebieten (Schlafstädte) mag das begründbar sein aber nicht in Gebieten mit einem hohen Gewerbeanteil wie im Waldstraßenviertel. Von Anfang an (Bürgebeteiligung, Beteiligung des Gewerbes hin oder her) war der Stadt klar, dass bei Einrichtung des Bewohnerparkens, dass Gewerbe aus dem Viertel rausfliegt.

Zu ” J”:
Wenn man Ihrer Argumentation folgt, dann könnte ja fast alles so bleiben, wie es jetzt ist. Alle die im Waldstraßenviertel wohnen (auch Nebenwohnsitz) und Gewerbetreibende/Freiberufler bekommen einen Parkausweis nur die Fremdparker werden ausgeschlossen. Und alle hätten einen Parkausweis und würden auch einen Parkplatz finden. Aber so viel Parkplätze sind dann gar nicht vorhanden, dass alle dann bedient werden können, ist auch jetzt schon so. Deshalb schließt die Stadt Gewerbetreibende/Freiberufler aus, damit der Eindruck entsteht es würden mehr Parkmöglichkeiten für die Anwohner geschaffen. Nach Umnutzung der Gewerberäume in Wohnungen ist das Parkplatzgebot genauso ungünstig wie heute mit einer geringen Differenz (Fremdparker weg). Das Problem das wegen der nicht mehr vorhandenen wohnungsnahen Versorgung (Arzt, Apotheke, Friseur, Bäcker, Gemüseladen usw.) eine höhere Verkehrsbedarf dann entsteht, ist dann aber mit dem Bewohnerparken neu geschaffen worden

Werter Herr Saschok,

eine Frage.

Momentan ist es so: Der Parkplatz A wird von Gewerbetreibenden XYZ genutzt.
Mit dieser neuen Regelung darf Gewerbetreibender XYZ nicht mehr den Parkplatz A nutzen.
Der Gewerbetreibende mag nicht soweit laufen bis zum nächsten Parkhaus und zieht aus dem Waldstraßenviertel weg (bei einem Handwerker, der schwere Teile hin und her tragen muss, kann ich das auch verstehen, der will ja keine schwere Kloschüssel mehrere 100 Meter umhertragen).
Der Gewerberaum wird frei und wird Wohnung. Hab ich das korrekt verstanden wie sie das meinen?

Ja, aber nun meine Frage: nun steht auf Parkplatz A eben nicht das Auto des Gewerbetreibenden, sondern von jemanden, der dort wohnt.

Inwiefern erhöht sich denn dann da der Parkdruck?

1 Auto bleibt ja 1 Auto. Nur ist es eben nicht mehr das Auto des Gewerbetreibenden, sondern eines Mieters.

PS: Lastenfahrräder sind eine tolle Sache, ich habe mir oft schon eins gewünscht. Ich würde sie nicht weltfremd nennen, sondern eher sehr praktisch.

Wie alle Maßnahmen im Verkehrsbereich muss auch für das Vorhaben Bewohnerparken die Verkehrsprognose berücksichtigt werden, d.h. welche Auswirkungen hat das Bewohnerparken als Projekt selbst auf die prognostische Verkehrsentwicklung. Offensichtlich ist das nicht geschehen. Die Umnutzung zahlreicher Gewerberäume in Wohnungen, die das Bewohnerparken bewirken wird und womit damit ein deutlicher Anstieg von Ansprüchen auf Parkgenehmigungen bei gleichbleibenden oder sogar sinkenden Parkplatzangeboten findet sich in der Begründung zum Vorhaben nicht. Auch die mit der Aufgabe wohnungsnaher Dienstleistungen verbundenen Mehrwege sind nicht erwähnt.Die Begründung des Vorhabens stellt ausschließlich auf den Status quo ab nicht auf die zukünftige Verkehrsentwicklung.

Der Verein Pro Leipzig weißt richtigerweise daraufhin, dass das Waldstraßenviertel kein reines Wohngebiet ist sondern ein nicht unerheblicher Teil der Räumlichkeiten auch gewerblich genutzt werden. Die Auswirkungen des Bewohnerparkens führen perspektivisch dazu, dass das Viertel ein reines Wohngebiet wird, da das vom Parken ausgeschlossene Gewerbe sich überwiegend aus dem Viertel zurückzieht, auch die Versorgung wohnungsnaher Dienstleistungen (wie ärztliche Versorgung) wird damit aufgegeben, was zu zusätzlichem verkehr führt. Die in Wohnräume umgenutzten Gewerbeflächen werden dann zukünftig den Parkdruck erhöhen, da ja auch keine neuen Parkplätze geschaffen werden sollen und die Zahl der Anspruchsberechtigten (Hauptwohnung) steigen wird, mit der Aussicht zukünftig 200 Euro pro Jahr bezahlen zu müssen ohne einen Parkplatz zu finden. Bitte von weltfremden Kommentaren wie (Kindertransport, Pflegedienste, Handwerker und Lastenfahrrädern) absehen.

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