Am 16. April steht der Planungsbeschluss zur Umsetzung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals in Leipzig auf der Tagesordnung des Stadtrates. 500.000 Euro sollen die Planungen für das Denkmal auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz kosten. Die Grundsteinlegung soll am 9. Oktober 2025 erfolgen. Doch nicht nur Leipziger Architekten sind unglücklich mit der gefundenen Lösung auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz. Auch der Verein Pro Leipzig äußert sich in einem Offenen Brief kritisch zum Standort.
Und auch die Einbettung in die geplante Freiflächengestaltung auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz sieht der Offene Brief kritisch.
„Der Zeitplan zur Umsetzung des Freiheits- und Einheitsdenkmals orientiert sich an der Zeitschiene zur Umsetzung des Siegerentwurfs ÖKOTOPIA des Wettbewerbs zur Freiflächengestaltung auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz“, heißt es in der Vorlage aus dem Kulturdezernat.
„Die Platzfläche und das Freiheits- und Einheitsdenkmal sollen spätestens bis zum 40. Jahrestag der Friedlichen Revolution am 9.10.2029 insgesamt fertiggestellt werden. Die Planungs- und Realisierungszeiträume beider Prozesse sind auf diese Vorgabe einzustellen.“
Rund 5 Millionen Euro sind dabei noch für den Aufbau des Freiheits- und Einheitsdenkmals in den Jahren 2025/2026 vorgesehen.
Der Offene Brief
Offener Brief zum Freiheits- und Einheitsdenkmal
Vor dem Hintergrund der Dauer-Misere der Berliner „Einheitswippe“ und nach der teuren Schlappe des ersten Leipziger Denkmal-Wettbewerbs zeichnet sich ab, dass auch der zweite Anlauf stark umstritten ist. Der 50-teilige Siegerentwurf „Banner, Fahnen, Transparente“ aus weiß lackiertem Edelstahl soll nach Absicht der Autoren im übertragenen Sinn als Projektionsfläche für freie Wünsche und Gedanken sowie als Zeichen für Gewaltlosigkeit stehen.
„Wäschetrockenplatz“, „Raum für Eintragungen“, „Platz der Kapitulation“ – so die ersten, freilich etwas anders gearteten Deutungen aus der Bürgerschaft, der ausgerechnet in der Denkmalfrage eine Grundsatzentscheidung versagt wurde.
Die maßgeblichen Orte im Herbst 1989 waren neben der Nikolaikirche der Nikolaikirchhof, der Karl-Marx-Platz und in ganz besonderer Weise der Ring. Auf dem Nikolaikirchhof erinnern heute die Palmensäule, der Brunnen und die eigentlich leuchtenden Pflastersteine an die Geschehnisse.
Obwohl der Wilhelm-Leuschner-Platz damals keine Rolle spielte, wurde er mit der Bezeichnung „Platz der Friedlichen Revolution“ ideell überhöht und so als Denkmalstandort legitimiert.
Diesbezügliche Kritiken fanden kein Gehör.
Die Platzfläche, die in der städtebaulichen Planung unbedingt größer als die des alten Königsplatzes sein sollte, wurde inzwischen gänzlich aufgegeben und wird sich nun zum Park wandeln – ein Paradigmenwechsel. Wie und wo genau die Stahlteile eingeordnet werden sollen, blieb bislang vage. Verdichtet „in der Nähe des City-Rings“ hieß es, wohl um den inhaltlichen Bezug assoziierbarer zu machen.
Generell ist das Durchsetzen der anspruchsvollen, differenziert und feinsinnig bepflanzten Parklandschaft mit einer solch großen Menge abstrahierter Demonstrations- und Kundgebungs-Elemente mehr als fragwürdig. Die Gefahr der Zergliederung und Überfrachtung ist real.
Absehbar ist zudem, dass die Transparente innerhalb kürzester Zeit ihr strahlendes Weiß verlieren werden. Soll es dann einmal im Jahr ein Reinigungs-Happening geben, oder wird eine Art Bauhütte installiert, eine permanent in Bereitschaft stehende Kärcher- und Malerbrigade, die bemüht ist, den Urzustand umgehend und immer wieder herzustellen? Vielleicht obsiegt ja auch die Lesart, all die zu erwartenden „Beiträge“, die gesprühten Chiffren, Zeichen und Parolen und die Unmengen bunter Werbeaufkleber als urbanes Zeitbild und schrilles Spektrum spontaner Meinungsäußerungen zu tolerieren?
Letzteres hätte dann sehr viel mit der aktuellen Jugend- und Sprayerszene zu tun, deutlich weniger mit den an ein Freiheits- und Einheitsdenkmal geknüpften Intentionen und rein gar nichts mit den natürlichen Qualitäten der künftigen Stadtoase.
So oder so, das „Fünf-Millionen-Geschenk“ von Bund und Freistaat dürfte in dieser Gestalt weder eine lokale Bereicherung darstellen noch den erhofften Status nationaler, gar internationaler Bedeutung erlangen – es ist verzichtbar.
Pro Leipzig e.V.
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Es gibt 6 Kommentare
Der offene Brief von Pro Leipzig hat meine volle Unterstützung. Gebt das Geld für sinnvolle Dinge statt für Symbole aus, die niemand braucht, niemand will, niemand versteht. Es ist ohnehin viel zu viel Geld für ein paar weiße Flecken, die bald verschandelt sein werden.
Wir haben Geldnot (auch dieses “geschenkte” Geld kommt vom Steuerzahler), Wohnungsmangel, Mangel an Grundstücken – und klotzen uns ein (überflüssiges) Denkmal an prominenter Stelle hin.
Die Säule auf dem Nikolaikirchhof reicht doch. Ich befürchte, dass sich hier einige Personen eher selbst ein Denkmal setzen wollen (wie schon mit dieser hässlichen Kirche).
Entscheidungsprozesse kranken oft daran, daß man vergißt/versäumt die eigentlich wesentliche Grundlage von Anfang an klar zu stellen. Was ist gewollt?
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Ist diese Grundlage unklar, und wird durch “politische” Wünsche überlagert, kommt nur Mist dabei raus. Da helfen auch keine Korrekturen im Klein-Klein.
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Neulich erst am “Eingangsgebäude” an der Brückenstraße mal wieder vorbei gekommen (da hatte ich Bauleitung in 1999). Das Konzept hinter diesem Gebäude war damals schon falsch, und durch Politik verdreht – nun kümmert sich niemand mehr dadrum und es schon fast ein Lost-Place draus geworden.
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Ich glaube zwar nicht, dass einem Einheitsdenkmal auf dem Leuschnerplatz das Vergessen drohen würde, dazu ist es zu zentral gelegen – aber es geht irgendwann bildlich an dieser Stelle im allgemeinen Stadttrubel unter, und der Park drumrum und die Verunstaltung durch Sprayer usw würde es zunehmend banalisieren. Nicht dass ich wüsste, wie man so ein Denkmal angemessen inszeniert, und wo…
Wenn wir weiter mit “Deutschland-Geschwindigkeit” darüber diskutieren werden wir bald nicht mehr wissen worum es ursprünglich mal hätte gehen sollen. Außerdem ist Urgrund die sog. (Reise?)FREIHEIT zu feiern schon längst von der Wirklichkeit überholt: ohne Moos nix los. Und das Eigentum ist ebenso längst fast vollständig in altbundesdeutsche Hände gekommen, womit also auch die Freiheit wieder zur Worthülse wurde, die sie auch vorher schon war.
Von wegen EINHEIT!
Lasst das Denkmal weg – oder gerne in Berlin aufstellen nicht in LE
Ich bin weiterhin der Meinung, lasst unsere Enkel und unsere Urenkel sich Gedanken machen, ob sie so ein Denkmal benötigen / wünschen. Die Zeit ist m.M.n. noch nicht reif genug.
In Anlehnung an einen längst vergessenen dt. Politikdarsteller: “Lieber kein Denkmal als ein schlechtes Denkmal am falschen Ort!”