Seit 2017 ist die Brücke im Zug der Geithainer Straße gesperrt. Fußgänger und Radfahrer können noch drüber. Und wenn die Deutsche Bahn die Strecke nach Chemnitz endlich modernisiert, dann wird auch diese 117 Jahre alte Brücke neu gebaut. Doch wenn es um freie Fahrt für Autofahrer geht, bilden sich im Leipziger Stadtrat seltsame Allianzen. Im November taten sich Stadträte von CDU und AfD zusammen, um die Stadt aufzufordern, den Brückenneubau zu forcieren.

„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, gemäß Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen (Eisenbahnkreuzungsgesetz) das erforderliche Verlangen auf Ersatzbau des Brückenbauwerks (Kreuzung) in der Geithainer Straße unverzüglich gegenüber der DB Netz AG anzuzeigen, die seitens der Stadt Leipzig erforderlichen planungsrechtlichen Genehmigungsverfahren einzuleiten und die erforderlichen Mittel in den Haushalt einzustellen“, hatten die Stadträte Jens Lehmann und Siegrun Seidel (CDU) und Marius Beyer (AfD) beantragt.

Aber so einen Druck zu machen bringt nichts. Tatsächlich kann sich auch Leipzig nur danach richten, wann die Deutsche Bahn vorhat, die Brücke zu erneuern. Das Planungsdezernat schlägt deshalb alternativ vor: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Planung und den Bau der Straßenüberführung Geithainer Straße über die Gleise der Deutschen Bahn AG, durch die Deutsche Bahn AG einzuleiten.“

Denn die DB AG plant seit längerem den Ausbau der Strecke Leipzig–Chemnitz, über die diese Brücke führt. Diese Planung stellt wegen der neuen Gleislage im Brückenbereich auch die Grundlage der neuen Brücke als Ersatzneubau der 1903 gebauten Brücke dar.

„Wegen der bisher fehlenden Vorgaben zur neuen Gleislage war die Planung der Brücke stadtseitig jedoch noch nicht möglich“, stellt das Planungsdezernat fest. Doch 2019 hat sich ja einiges getan, nachdem sich der Bund jahrelang zierte, die Elektrifizierung der Stecke Leipzig–Chemnitz in den vordringlichen Bedarf aufzunehmen. Der Kohleausstieg macht so manches möglich. Und so wurde jetzt auch endlich diese wichtige sächsische Regionalverbindung hochgestuft.

Die Bahn will noch in diesem Jahr die Vorplanungen für die Strecke vorlegen. Und mit Schreiben vom 19. November liegt auch der Stadt Leipzig eine Planungsanzeige der DB AG mit Voranfrage an die Stadt Leipzig zur Ausbaustrecke (ABS) Leipzig–Chemnitz vor. Am 26. November habe daraufhin die erste Planungsberatung zwischen Vertretern der DB AG und der Stadt Leipzig stattgefunden, teilt das Planungsdezernat mit.

Und damit steht am Horizont ein Brückenneubau an dieser Stelle in den Jahren 2026 bis 2027.

Aber planen wird das nicht die Stadt, sondern die Bahn.

„Im Ergebnis der Beratung ist vereinbart worden, dass die Planung und der Bau der Straßenüberführung im Zuge der Geithainer Straße durch die DB AG erfolgen soll. D. h., der Bau der Brücke soll parallel während des Baus der Ausbaustrecke Leipzig–Chemnitz in den Jahren 2025–2028 stattfinden“, erläutert die Vorlage aus dem Planungsdezernat.

„Die Prüfung des Verkehrs- und Tiefbauamtes hat ergeben, dass auch bei eigener Verfahrensträgerschaft für Planung und Bau der Brücke die benötigte Zeitschiene identisch ist, d. h., mit einem früheren Baubeginn wäre auch in diesem Falle nicht zu rechnen. Es wäre im Gegenteil, durch die zu erwartenden Schnittstellenproblematiken und Koordinierungsaufwände durch zwei gleichberechtigte Bauherren, eher mit nachteiligen Auswirkungen auf den avisierten Planungs- und Bauablauf zu rechnen.“

Oder mal so formuliert: Der Antrag der drei Stadträte war Unfug, reine Placebo-Antragstellerei. Dass die Planungen der Bahn hier den Zeitplan bestimmen, hätten sie auch vorher wissen können.

„Die planungsrechtlichen Genehmigungsverfahren sollen ebenfalls unter der Ägide der DB AG abgewickelt werden. Diese beginnt Anfang 2020 mit der Vorplanung und wird die Entwurfsplanung 2021 beenden, sodass dann der Stadt Leipzig eine entsprechende Eisenbahnkreuzungsvereinbarung angeboten werden kann“, stellt das Planungsdezernat fest. Der Oberbürgermeister muss also gar nichts machen. Selbst der Alternativvorschlag aus der Verwaltung ist also eher überflüssig.

Solche Kreuzungsvereinbarungen muss die Bahn sowieso mit den betroffenen Kommunen abschließen. Siehe Paragraph 11 im Eisenbahnkreuzungsgesetz. Leipzig kann also auch nicht mit Geld winken, um den Brückenneubau schon früher gebaut zu bekommen. Der Bau muss sich in die Pläne der Bahn einfügen, was ja auch mit den ganzen komplizierten Streckensperrungen im DB-Gleisnetz zu tun hat.

Aber zumindest erste Aussagen zu den möglichen Kosten für die Stadt kann das Baudezernat schon treffen: „Die finanziellen Auswirkungen können momentan nur sehr ungenau definiert werden, da die Gesamtbaukosten und deren Aufteilung zwischen den Kreuzungspartnern erst nach Entwurfsplanung und nach Entwurf der Kreuzungsvereinbarung (KV) feststehen. Das soll nach Angaben der DB AG Ende 2021 der Fall sein.

Die von uns ermittelten Gesamtkosten (Planung und Bau) der Baumaßnahme belaufen sich auf 5.340.000 € brutto. Bei mutmaßlicher hälftiger Teilung zwischen DB AG und Stadt Leipzig wären das 2.670.000 € pro Kreuzungspartner. Aufgeteilt auf 2 Baujahre wären das ca. 1.335.000 € je Haushaltsjahr z. B. in 2026 und 2027 innerhalb der Gesamtbauzeit der Ausbaustrecke zwischen 2025–2028.

Vor rechtsverbindlicher Unterzeichnung der KV werden wir den darauf abgestimmten Bau- und Finanzierungsbeschluss fassen und die finanziellen Mittel in den Haushalt der entsprechenden Jahre einstellen lassen.“

Aber das sind nur grobe Zahlen. Genaueres wird man erst wissen, wenn die Entwurfsplanung, die Eisenbahnkreuzungsvereinbarung und der Bau- und Finanzierungsbeschluss fertig sind. Auf der Grundlage will man dann einen Fördermittelantrag stellen. Aber das betrifft frühestens den Doppelhaushalt 2025/2026.

Oder mit den Worten des Planungsdezernats: „Die sich daraus in Summe ergebenden Kosten für die Stadt müssen für die Jahre 2026–2027 innerhalb des dann dem VTA zur Verfügung stehenden Budgets in den Haushaltsplan 2023/2024 – Mittelfristige Finanzplanung (MiFriFi) eingeordnet werden.“

Der große Termin mit Brückenfreigabe und Blaskapelle ist dann frühestens 2027. Wenn alles nach Plan läuft.

Wilde Placebo-Diskussion: Die Deutsche Bahn wird die Brücke in der Geithainer Straße doch sowieso neu bauen

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