Wer an schönen Sommertagen mit leichtem Fahrzeug auf Leipzigs Innenstadtgewässern unterwegs ist, erlebt schon einmal recht atemberaubende Vorfälle, wenn ein Passagierboot mit hoher Geschwindigkeit durch die Wellen der Weißen Elster pflügt und die leichten Boote der Paddler und Ruderer an den Rand drängt. Ein Thema, das Thomas Gensch zum Thema einer Einwohneranfrage gemacht hat. Doch die Stadtverwaltung weicht ihm aus.

Dabei hatte er das Problem aus seiner Sicht sehr deutlich umrissen: „In den letzten Jahren ist immer wieder aufgefallen, dass sich einzelne Fahrzeugführer der motorbetriebenen ‚schwimmenden Kaffeetafeln‘ durch eine rücksichtslose Fahrweise auszeichnen (hohe Geschwindigkeit, die starke Wellen verursacht, sowie ‚Drängeln‘ und geringer Abstand) und dadurch insbesondere Menschen mit kleinen Booten gefährden. Dies ist insbesondere problematisch, da häufig paddel-unerfahrende Menschen, oft mit Kindern, i. A. in Leihbooten, betroffen sind.“

Antwort zur Anfrage „Verhalten und Fahrweise der „schwimmenden Kaffeetafeln“ auf Leipziger Gewässer“.

Und so fragte Gensch: „Welche wasserverkehrsrechtlichen Vorschriften gelten auf den Leipziger Gewässern, die durch gewerbliche Motorboote befahren werden und wie werden diese durch wen durchgesetzt?“

Antworten des Amtes

„Die Leipziger Fließgewässer sind keine schiffbaren Gewässer. Die Nutzung der Leipziger Fließgewässer im Rahmen des Gemeingebrauchs (u. a. das Befahren mit Paddel- und Ruderbooten – muskelbetrieben) nach § 25 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) i. V. m. § 16 Sächsisches Wassergesetz (SächsWG) ist zulässig und wird intensiv genutzt“, stellt dann das Amt für Umweltschutz fest.

Was für motorbetriebene Boote heißt: „Für die Nutzung bzw. die Befahrung mit motorbetriebenen sowie gewerblich nichtmotorbetriebenen Booten (Verleihboote) sind Einzelgestattungen nach § 5 Abs. 3 des Sächsischen Wassergesetzes (SächsWG) erforderlich. Zuständige Genehmigungsbehörde ist hier die untere Wasserbehörde. Im Rahmen des jeweiligen Zulassungsverfahrens ist die Verträglichkeit mit anderen Schutzgütern und Interessen zu prüfen (Schutzgut Gewässer und seiner Ufer, Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung, Erhalt der geschützten Biotope und Schutzgebiete an den Gewässern, Sicherstellung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie – WRRL).“

Welche Regeln gelten eigentlich?

So weit, so gut – obwohl das flotte Fahren einige Bootsführer ganz eindeutig nicht diesen Prüfkriterien entspricht.

Dann aber wird es seltsam, wenn das Amt für Umweltschutz erklärt: „Darüber hinaus gilt auch auf den Leipziger Fließgewässern die Sächsische Schifffahrtsverordnung (SächsSchiffVO) und die darin verwiesenen Vorschriften (u. a. Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung – BinSchStrO). Der Vollzug der SächsSchiffVO obliegt der Sächsischen Schifffahrtsbehörde bei der Landesdirektion Sachsen, Referat Luftverkehr und Binnenschifffahrt.“

In der Sächsischen Schifffahrtsordnung kann man dazu nachlesen: „Diese Verordnung gilt für folgende Gewässer im Freistaat Sachsen sowie für die dazugehörenden Häfen und Umschlagstellen:
1. allgemein schiffbare Gewässer, die in Anlage 2 Nr. 1 SächsWG genannt sind,
2. Gewässer, die in Anlage 2 Nr. 2 SächsWG genannt sind und für die die zuständige Wasserbehörde die Fertigstellung des Gewässers für die Nutzung nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SächsWG erklärt hat sowie
3. Gewässer, die die zuständige Wasserbehörde nach § 17 Abs. 2 Satz 3 für schiffbar erklärt hat oder auf denen das Befahren mit Wasserfahrzeugen nach § 5 Abs. 3 oder § 16 Abs. 3 SächsWG durch die zuständige Wasserbehörde zugelassen wurde.“

Die Stadt Leipzig bezieht sich hier also auf die Ausnahmegenehmigung für motorisierte Wasserfahrzeuge nach § 5 des Sächsischen Wassergesetzes, wo es heißt: „Nutzungen, die keine Benutzungen nach § 9 Abs. 1 und 2 WHG sind und für die nach dem Wasserhaushaltsgesetz oder diesem Gesetz keine Zulassungsfreiheit vorgesehen ist, bedürfen einer Gestattung durch die zuständige Wasserbehörde. Für die Erteilung der Gestattung gilt § 26 Abs. 2 bis 6 entsprechend.“

Und da heißt es dann z. B. in Satz 3: „Auflagen zur wasserrechtlichen Genehmigung sind auch zulässig, um nachteilige Wirkungen für andere zu verhüten oder auszugleichen.“

Und in Satz 4: „Die wasserrechtliche Genehmigung ist zu versagen, wenn von dem beabsichtigten Unternehmen eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit oder erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für andere Grundstücke, Bauten oder sonstige Anlagen zu erwarten sind, die durch Bedingungen oder Auflagen weder verhütet noch ausgeglichen werden können.“

Wer sichert das Allgemeinwohl?

Womit Thomas Gensch recht hat: Das Wohl der Allgemeinheit darf durch die Sondernutzung nicht beeinträchtigt werden.

Nur: Wer kontrolliert das eigentlich?

Wir nicht, so ungefähr kann man die Antwort des Amtes für Umweltschutz interpretieren.

Welches zwar betont: „Die Überwachung der wasserrechtlichen Gestattungen liegt in der Zuständigkeit der unteren Wasserbehörde.“

Die untersteht zwar dem Amt für Umweltschutz, hat aber keine eigenen Kontrolleinheiten.

Also meint das Amt ganz trocken: „Das Befahren/Nutzung der Gewässer erfordert in jeder Hinsicht eine ständige Vorsicht und grundsätzlich eine gegenseitige Rücksichtnahme durch Jedermann.“

Wenn aber nun die motorisierten Verkehrsteilnehmer keine Rücksicht nehmen, was dann?

„Die Wasserschutzpolizei Sachsen nimmt vollzugspolizeiliche Aufgaben auf den Gewässern im Freistaat Sachsen sowie den dazugehörigen Häfen und Umschlagstellen wahr. Sie kontrolliert bei den gewerblichen Anbietern von Wasserfahrzeugen die Einhaltung der schifffahrtsrechtlichen Zulassung (z. B. zulässige Höchstgeschwindigkeit) und der erteilten wasserrechtlichen Gestattung in enger Zusammenarbeit mit der Schifffahrtsbehörde Sachsen und der jeweilig zuständigen Wasserbehörde. Verstöße gegen die SächsSchiffVO werden von der Wasserschutzpolizei aufgenommen und ggf. durch die Schifffahrtsbehörde geahndet.“

Eigentliche Frage blieb unbeantwortet

Dass das überhaupt keine Antwort auf die eigentliche Frage war, die Thomas Gensch gestellt hat, wird deutlich, wenn man die Frage noch einmal liest: „Welche Wege sieht die Stadt Leipzig, den oben beschriebenen Zustand zu verbessern und welche Planungen existieren, diese auch umzusetzen? Welche Beschwerdemöglichkeiten und -wege gibt es für betroffene Menschen?“

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 8 Kommentare

@Bahnschranke
Wäre ja schlimm, wenn die Sesselpupser in den sächsischen Ministerien und Landesbehörden alle aus Leipzig wären. Oder dachten Sie, dass die Gesetze und Regelungen, von denen im Artikel die Rede ist, von der Stadtverwaltung Leipzig gemacht würden? Dann wäre Ihr pauschales Stadtverwaltungsbashing komplett nach hinten losgegangen…

Das passiert, wenn man haufenweise gutbezahlte Sesselpupser nicht-Leipziger Herkunft in Ämtern tagelang Gesetze und Regelungen schreiben lässt, während in dem und anderen Fällen absolut niemand auf die Einhaltung achtet.
Das ist das heutige System in seiner Reinform. Der Staat ist so geformt, dass die Oberen und ihre Verbündeten noch die letzten Tropfen aus uns und dem Planeten rauspressen können. Es ist absurd.

Was heißt hier eigentlich schnell, ich war mal mit so einem unterwegs. Schöne Kaffeefahrt mit Onkels und Tanten, war sehr beschaulich.

Ohne die Ausflugsboote verteidigen zu wollen, die sind tatsächlich meist sehr schnell unterwegs, die Regeln auf dem Wasser gelten für alle. Alkohol und laute Musik sind auch bedenklich.

Was Hupen auf Booten verloren haben verstehe ich jetzt auch nicht, aber sicherlich haben diese “Berufsfahrer” einfach ihre Erfahrungen gemacht. Leider hat dabei wohl der ein oder andere wohl die Nerven verloren, denn sowas wie Drängeln ist natürlich unschön.
Was ich als seltener Paddler aber auch gemerkt habe ist, wie viele Leute die Gewässer als Feierfläche sehen. So, wie hier Stimmung gegen die schwimmenden Kaffeetafeln gemacht wird, regten mich jedes Mal Leute auf, die munter kreuz und quer, juchzend und unbekümmert über die Kanäle strömen. Da kommt man selbst als Paddler nicht immer ohne Kollisionen vorbei, und das wird vermutlich auch die Leute stören, die das ganze professionell machen und ihre Tour auch ungefähr innerhalb der vorgegebenen Zeit erledigen wollen. Ich finde, neben der Gewässeraufsicht, die man für die Käne fordern kann, gibts auch an der Stelle der Sektchen- und Bierkastenmitschlepper noch Potential für Verhaltensänderungen.
P.S.: Die “schwimmenden Kaffeetafeln” waren bisher immer ein total neuer Einblick in Leipzigs Gewässerwelt für Leute von außerhalb, die ich dahin mal empfohlen habe. Richtig schön, dass es sowas bei uns gibt!

@Chris
Haben Sie schon einmal die Wasserschutzpolizei auf Leipzigs Gewässern gesehen (außerhalb von Todesfällen)?
Das ist wie im ruhenden Leipziger Verkehr:
Vorschriften gibt es, aber die Kontrolle dieser wird entweder mangels Personal ausgesessen oder man duldet Zustände aufgrund des Ermessensspielraums…

Ich kann die Beobachtungen von Herrn Gensch bestätigen; etliche motorisierte Bootsführer führen sich auf, als wäre es ihr Gewässer; Drängeln und Hupen zum Beispiel.

Mal wieder so ein üblich polemisch-d…er Artikel von RJ. Ja, das AfU genehmigt die Nutzungen, da vom Grunde her kaum/keine Bedenken der Nutzung entgegenstehen. Wie der Antwort schon zu entnehmen, existieren auch auf Gewässern und Wasserstraßen Vorschriften – die zulassande/genehmigende Behörde muss und kann nicht per sé ohne hinreichende Begründung davon ausgehen, dass diese Vorschriften missachtet werden. Und die Kontrollinstanz ist nun einmal die Wasserschutzpolizei. Dementsprechend kurzum: wenn die Wasserschutzpolizei nicht außergewöhnlich viele Feststellungen trifft und meldet, kann auch nicht wirklich viel passieren.

Da hätten sie auch gleich schreiben können: “Leg dich gehackt und geh uns nicht auf die Nerven!”

Schreiben Sie einen Kommentar