Die Enttäuschung kam nicht sofort. Im ersten Moment überstrahlte die Begeisterung von Jury und Oberbürgermeister alles, als am 6. Juli die Preisträger für den Leipziger Wettbewerb bekanntgegeben wurden. Doch dann durften sich alle Leipziger in der Ausstellung und im Online-Forum mit den Ergebnissen beschäftigen. Ratlosigkeit machte sich breit. Manchenorts artete sie in wilde Schimpfereien aus.

Nicht auf dem von der Stadt initiierten Online-Forum, das von einer auf solche Foren spezialisierten Agentur aus Berlin moderiert wurde. Da erschienen die wilden Stammtischbeiträge gar nicht erst. Auch die Künstler selbst kamen zu Wort. Die Ratlosigkeit blieb trotzdem.

Während einige Kombattanten längst forderten: Das Ding muss weg!, beschäftigte sich die L-IZ immer wieder mit der Frage: Was ist schief gelaufen? Warum erfüllt keiner der preisgekrönten Beiträge (und auch keiner von den anderen) die Erwartungen? Waren die Erwartungen falsch oder die Rahmensetzungen des Wettbewerbs?

Darüber könnte man durchaus diskutieren.

Doch nicht nur die L-IZ beobachtete, wie der Wettbewerb für das Denkmal, das am 9. Oktober 2014 zum 25. Jahrestag der Friedlichen Revolution feierlich eingeweiht werden sollte, sich immer mehr in ein Wahlkampfthema im OBM-Wahlkampf verwandelte. Die Stimmung, die einige mediale Akteure geschürt hatten, scheint auf einmal das ideale Instrument, die OB-Wahl am 27. Januar zu einer Abstimmung auch über das Denkmal zu machen. Und es ist nicht nur der Antrag der Linken, am 27. Januar 2013 die Wahl des OBM mit einem Bürgerentscheid über das Denkmal (Ja oder Nein) zu machen, der die “Initiative Tag der Friedlichen Revolution – Leipzig 9. Oktober 1989” besorgt macht. Die Intitiativgruppe “fühlt sich der Erinnerung an die Friedliche Revolution und besonders der Rolle Leipzigs verpflichtet und ist so die bestimmende Kraft für ein lebendiges Erinnern an 1989/90 als entscheidende Chiffre der Nationalgeschichte und ihrer internationalen Bedeutung”.

Sie steht hinter dem Leipziger Lichtfest. Und sie bekennt sich auch zum Freiheits- und Einheitsdenkmal auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz.

Rainer Eckert, Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums, der Mitglied der Initiative ist, ist über den Vorschlag der Linken empört, findet aber auch den CDU-Vorstoß, die Leipziger über die drei Sieger-Entwürfe abstimmen zu lassen, populistisch. Und keineswegs zielführend. Auch die “Stiftung Friedliche Revolution” hatte in dieser Woche den CDU-Vorschlag unterstützt.
Für Eckert ein Grund zu höchster Besorgnis, denn bislang ist der Wettbewerb in einem rechtsförmigen Verfahren abgelaufen. Das ist manchmal etwas schwer auszuhalten in einer Demokratie. Aber jedes einzelne Gremium, das das Projekt befürwortet hat, war und ist demokratisch legitimiert: der Bundestag, der sich zusätzlich zum Berliner Standort auch für ein Leipziger Denkmal aussprach, das besonders die Rolle der Friedlichen Revolution in den Mittelpunkt rückt, und der 5 Millionen Euro dafür bewilligte. Das gilt auch für den sächsischen Landtag, der weitere 1,5 Millionen Euro bewilligte. Womit schon zwei Partner mitentscheiden können, die logischerweise auch den überregionalen und nationalen Aspekt im Auge haben.

Und da ist noch der Leipziger Stadtrat, der jeden einzelnen Schritt im Wettbewerbsverfahren, den OBM Burkhard Jung vorgeschlagen hat, abgenickt hat, sowohl das Werkstattverfahren als auch die Standortfestlegung auf den Wilhelm-Leuschner-Platz und auch die Umbenennung in “Platz der Friedlichen Revolution”. Einige Schwierigkeiten in der Denkmals-Findung resultieren ganz konkret aus den Leipziger Festlegungen. Dazu gehört die Nicht-Festlegung der Raumkante und die Einbeziehung von Landschafts- und Architekturbüros. Jede Einzelentscheidung verändert den Zielhorizont.

“Was aber nicht geht”, kritisiert Eckert, “dass jetzt einfach Stimmung gemacht wird und versucht wird, die demokratischen Entscheidungen einfach mit einem Bürgerentscheid auszuhebeln. Nach unserer Grundauffassung war das gesamte Verfahren rechtskonform und rechtskräftig.” Was auch bedeutet: Sollte der Stadtrat einem der Anträge zu einer Bürgerabstimmung über das Denkmal zustimmen, könnte das auch gerichtliche Konsequenzen haben.

Demokratie ist wirklich kein einfaches Miteinander. Und Akteure, die sich da, als über die einzelnen Wettbewerbsschritte nachgedacht wurde, nicht einmal die Mühe machten, sich mit den Folgen zu beschäftigen, haben, so sieht es Eckert jedenfalls, jetzt nicht wirklich eine Berechtigung, eine Abstimmung über das Ergebnis zu fordern.

“Wir dürfen einfach nicht vergessen, dass dieses Denkmal, das ganz bewusst an einen Brennpunkt der Friedlichen Revolution gesetzt werden soll, auch stellvertretend steht für alle anderen Aktionen damals in Plauen, Dresden usw.”, betont Eckert. Wer jetzt gegen das Denkmal stimme, brüskiere zwangsläufig auch die Geldgeber, den sächsischen Landtag und den Bundestag.

Bleibt trotzdem die Frage: Was tun? Denn auch OBM Burkhard Jung hat mittlerweile recht deutlich formuliert, dass alle drei Siegerentwürfe so noch nicht realisiert werden können und auch eine Verschiebung der Denkmals-Einweihung in Frage kommt.

“Ich sehe das ganz ähnlich”, sagt Eckert. “Die einzige Chance besteht daran, dass die drei Siegerentwürfe noch einmal kräftig überarbeitet werden.” Noch fehlt allen dreien die Prägnanz der Botschaft, noch brauchen sie alle drei eine Erklärungstafel, damit der nichtinformierte Passant auch gleich sieht, worum es geht.

“Es ist keine nur Leipziger Angelegenheit”, betont er. “Und es ist höchst besorgniserregend, wenn das Denkmal jetzt im Wahlkampf politisch instrumentalisiert wird.”

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