Nein, 2013 war es definitiv noch nicht so weit. Damals bekam Leipzig zum zweiten Mal den Titel "Faitrade Town" verliehen, darf ihn bis 2017 tragen. Und erfüllt ihn, so kann man hoffen, auch immer mehr mit Inhalt. „Vor zwei Jahren hatte die Stadt Leipzig den Titel ,Fairtrade Town‘ für weitere vier Jahre verliehen bekommen. Damals haben wir eine Bestandsaufnahme gemacht und festgestellt, dass zu diesem Thema in Leipzig noch viel getan werden kann."

So freundlich formulierte es jetzt am Montag, 13. Juli, Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal: “Auf eine Bewerbung um den Hauptstadt-Titel haben wir schon gehofft, aber es fehlte noch an Substanz. Heute sehen wir uns für die Bewerbung gut gerüstet.”

Am Montag, 13. Juli, organisierten die Akteure der Steuerungsgruppe deshalb ein großes Show-Ziehen auf dem Leipziger Markt, bei dem Heiko Rosenthal ganz öffentlich die Bewerbungsunterlagen für den Hauptstadt-Titel an OBM Burkhard Jung übergab. Der muss sie nun weiterreichen an die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt der Engagement Global gGmbH. Abgabetermin ist der 17. Juli. Aber dann wird es spannend, denn im Unterschied zu “Faitrade Town” wird der Titel “Hauptstadt des Fairen Handels” nur an eine einzige Siegerkommune verliehen.

In der Regel gibt es zwei Dutzend Bewerbungen aus der ganzen Bundesrepublik. Vergeben wird der Titel seit 2003. Dass es machbar ist, den Titel zu bekommen, haben zuletzt Düseldorf (2007), Marburg (2009), Bremen (2011) und Rostock gezeigt, das 2013 den Titel bekam, in dem Jahr, in dem sich Leipzig noch nicht bereit fühlte. In Rostock wird am 26. September auch der neue Titelträger ausgezeichnet.

Die Chancen sind auch deshalb höher als bei anderen Wettbewerben, an denen sich Leipzig beteiligt, weil nicht nur die Stadtverwaltung Träger der Entwicklung ist, sondern auch dutzende Akteure aus der Gastronomie, dem Handel, der Vereinslandschaft mitmachen – vorneweg natürlich solche Vereine wie der Ökolöwe, der sich für regionale Vermarktung stark macht, oder der Weltladen, der in seinen beiden Läden fair gehandelte Produkte aus den sonst meist nur ausgeplünderten Ländern der Erde anbietet. Hier geht nun auch seit Jahren der fair produzierte und gehandelte “Leipziger”-Kaffee über den Ladentisch.

Während viele Supermärkte kleine Ecken mit fair gehandelten Produkten eingerichtet und Restaurants fairen Kaffee im Angebot haben, hat die Stadt selbst einen Teil ihrer Beschaffungspolitik auf fair umgestellt. Auch wenn Letzteres oft genug auch zu heftigen Auseinandersetzungen im Stadtrat führt. Bei Hölzern und Steinen ist es eigentlich auch klar. Aber wie ist es bei der – am Ende auch noch bezahlbaren – Beschaffung von Bekleidung? Bei Maschinen und Elektronik?

Tatsächlich ist die ganze europäische Gesellschaft erst am Anfang einer echten Trendwende. Städte, die sich am Wettbewerb um die “Hauptstadt des Fairen Handels” beteiligen, sind Vorreiter, testen aber auch erst ihre Möglichkeiten aus.

Leipzig bewirbt sich mit über 100 größeren und kleineren Projekten. Bemerkenswert findet Heiko Rosenthal zum Beispiel den Status des Gustav-Hertz-Gymnasiums in Paunsdorf als Sachsens als erste Fairtrade School, die Bewerbung der Universität Leipzig um den Titel Fairtrade University, die vollständige Umstellung des Caterings der Messetochter Fairgourmet auf nachhaltige und faire Produkte oder die schrittweise Umstellung der im Zoo-Shop verkauften Artikel auf faire Herkunft. Auch die Stadtverwaltung leistete wichtige Beiträge, beispielsweise mit dem „Konzept zur nachhaltigen und fairen Beschaffung“ aus dem Jahr 2014 und der gemeinsam mit der Verbraucherzentrale veröffentlichten „Handreichung für nachhaltiges und faires Catering“.

Richtig begeistert von der Menge von Leuten – etliche davon in einem babyblauen Fairtrade-Town-T-Shirt – war auch OBM Burkhard Jung, der die Gelegenheit zu starken Worten nutzte: “Fairer Handel ist kein abstraktes Schlagwort, sondern eine ganz konkrete Herausforderung auch für uns. Es besteht eine direkte Linie zwischen den aktuellen Fluchtbewegungen, die wir auch in Leipzig spüren, und den Handelsbeziehungen zu anderen Ländern. Nur wer fair bezahlt wird für seine Arbeit und Produkte, wird in seiner Heimat auch eine Perspektive sehen. Wir wollen als Stadt beim fairen Handel mit gutem Beispiel vorangehen und so auch Unternehmen und Bürger animieren beim Einkauf auf Fairness zu achten.“

Was nicht einfach ist, denn die meisten in Deutschland gehandelten Konsumgüter sind weder unter fairen Bedingungen produziert noch gehandelt. Tatsächlich trägt auch der Konsum in der Bundesrepublik massiv zur Ausplünderung der Ressourcen in Afrika, Asien und Südamerika bei, basiert auf miserablen Arbeits- und Sozialstandards und einer Unterlaufung der hohen europäischen Umweltvorschriften.

Und Kinderarbeit gehört heute noch immer zur Herstellung verschiedener Produkte. Ob es freilich die Kindergartenknirpse verstanden haben, auch wenn Burkhard Jung es ihnen anhand eines Fußballs sehr emsig erklärt hat, darf wohl bezweifelt werden. Tatsächlich durchschauen auch die meisten Erwachsenen die Zusammenhänge nicht und blenden die Probleme, die durch die sogenannte “Globalisierung” entstehen, lieber aus beim Einkauf. Und sie denken auch die massive Fluchtbewegung aus den armen Nationen, in denen aber oft genug die Billigproduktion europäischer Verbrauchsgüter ihre Heimstatt hat, nicht zusammen mit den schlechten  und unfairen Produktionsbedingungen. Man sieht ja nicht, was da auf der anderen Seite der Welt geschieht. Und den Produkten, die in deutschen Geschäften landen, sieht man nicht an, unter welchen Bedingungen sie hergestellt wurden. Es regiert der schöne Schein.

Am 26. September 2011 war die Stadt Leipzig für ihre Bemühungen um den fairen Handel als erste Stadt in Sachsen mit dem Titel „Fairtrade-Town“ ausgezeichnet worden. Fairer Handel garantiert Menschen in Entwicklungsländern sichere Arbeitsbedingungen und einen gerechten Lohn für ihre Arbeit. Es werden nur Produkte mit dem Fairtrade-Siegel ausgezeichnet, die den Kriterien des fairen Handels entsprechen. Seit der Titelverleihung finden regelmäßig Veranstaltungen und Aktionen statt, die auf das Thema Fairtrade aufmerksam machen sollen.

Dazu gehört auch der mittlerweile traditionelle Eissommer mit fairem Eis.

Mit der Abgabe der Unterlagen ging es am Montag gleich nahtlos weiter: Mit dem Auftakt zum vierten Fairen Eissommer wurde der Startschuss für die nächste Runde von Aktionen und Initiativen zur Förderung des fairen Handels gegeben. Die Kinder der Kindertagesstätte St. Nikolai konnten sich ein faires Eis vom Eiscafe San Remo, das dieses Jahr erstmals teilnimmt, schmecken lassen.

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