Vom 12. bis 14. September findet in der Alten Börse das nunmehr 2. Internationale Auenökologiesymposium statt, zu dem der NUKLA e.V. wieder hochkarätige Fachreferenten eingeladen hat. Die Mitarbeiter der zuständigen Ämter in Leipzig hat der Verein auch wieder eingeladen. Aber da geistert eine Protokollnotiz durch die Lande, in der im Namen von Bürgermeister Heiko Rosenthal deren Teilnahme regelrecht untersagt wird. So lernt man natürlich nix.

Ist ja Arbeitszeit. Da haben die Mitarbeiter des Dezernats Umwelt, Ordnung und Sport ja gefälligst an ihren Schreibtischen zu sitzen.

„Wer, wenn nicht dieser Kreis sollte an dem international und hochkarätig besetzten Programm Interesse haben?“, fragt sich Wolfgang Stoiber, der Vorsitzende des NUKLA e.V. „Herr Rosenthal habe höchst persönlich zu einer Dienstberatung im Mai dies so angewiesen. Hat er? Wir von NuKLA wollten dies nicht glauben. Handelt es sich bei dem Auensymposion doch um eine wissenschaftliche Fachtagung rund um das Thema Auenökologie.

Unser noch amtierender OBM hat NuKLA vor zwei Jahren geschrieben, dass Herr Rosenthal sich sehr für Auen und ihren Schutz und Erhalt einsetze: Das Thema Leipziger Auwald sei bei Herrn Rosenthal in den besten Händen. Selbiger Herr und Umweltbürgermeister Rosenthal untersagt nun den Mitarbeitern seines Dezernates, eine direkt vor der Haustür stattfindende Fachveranstaltung zu besuchen, bei der es um eines der zentralen Naturschutzthemen der Stadt geht. Man könne ja Urlaub nehmen.“

Natürlich hat der NUKLA e.V. die Ämter im Umweltdezernat mehrfach geärgert in letzter Zeit. Auch weil der Verein sich nicht einklinken will in die derzeit opportune Meinung, der Leipziger Auenwald würde mit den aktuell geltenden Forstwirtschaftsplänen gut bewirtschaftet. Wird er das?

Nein. Ganz klar: Nein. Egal, was der Stadtförster auf den seit Juli zu bewundernden Informationstafeln erzählt.

Denn die schlichte sächsische Wahrheit lautet: Seit 2007 setzen weder Sachsen noch Leipzig das um, was das sächsische Landesamt für Umwelt und Geologie damals als „Fachliche Arbeitsgrundlagen für einen landesweiten Biotopverbund im Freistaat Sachsen“ erarbeitet hat.

Der sächsische Umweltminister hieß damals noch Stanislaw Tillich. Und man durfte ihm damals tatsächlich zutrauen, dass er die Sache ernst nimmt und umsetzt. Aber bekanntlich kam ja dann der Skandal um die Sachsen LB und Tillich musste ganz schnell Finanzminister und dann Ministerpräsident werden. Ein Vorgang, der schon zeigte, wie dünn die kompetente Personaldecke der sächsischen CDU damals schon war.

Die Folge: Das Programm zum Biotopverbund verschwand in der Ablage. Alle Teile, die die Landwirtschaft betrafen, wurden von den nachfolgenden Landwirtschaftsministern kassiert, sodass weder die Erosion noch der massive Artenverlust in Sachsens Feldern gestoppt wurde, vom Aufforsten der notwendigen Verbund-Inseln ganz zu schweigen.

Und auch das von den Fachleuten dringend empfohlene „Befreien” der noch intakten Biotope fand nicht statt. Im Gegenteil: Unter Tillichs Nachfolgern wurde die alte, eigentlich längst überholte Eindeichungspolitik der Flüsse weiter verfolgt und ab 2010 passierte auch in der Leipziger Elsteraue genau das, was dem Biotop-Verbund komplett widersprach: Die Landestalsperrenverwaltung fällte mehrere Hektar uralten Auwaldbestandes und investierte Millionen in die Verstärkung der Deiche – mitten in der Aue.

Das ist technischer Wahnsinn.

Wer nachliest, findet eine völlig andere Empfehlung für das Naturschutzgebiet Leipziger Auenwald: „Erhaltung des Leipziger Auengebietes als naturnahes System in seiner funktionellen Einheit von Nordwest- und Südaue; Erhaltung und Wiederherstellung auentypischer Naturprozesse sowie ihrer Arten und Biotope bzw. ihnen adäquater Verhältnisse.“

Wozu dann im Einzelnen auch gehört: „Entwicklung der Durchgängigkeit im Bereich des Elsterbeckens, Entwicklung auentypischer Biotope im Bereich des Clara-Zetkin-Parkes und der Nonne.“ Oder: „Vergrößerung des dauerhaft gesicherten Flächenanteils und Zulassen natürlicher Entwicklungen (Prozessschutz) in Teilbereichen (in den NSG Luppeaue, Burgaue, Elster-Pleiße-Auwald).“

Die Burgaue ist jenes Gebiet, das die Landestalsperrenverwaltung unbedingt mit dem Nahlewehr als künstlichen Polder steuern möchte und wo irgendwie die „Lebendige Luppe“ mal hindurchtröpfeln soll (270 Hektar), der Elster und Pleißeauewald (66 Hektar) ist das Gebiet am Wildpark vorm Zusammenfluss von Pleiße und Elster, die Lehmlache Lauer (49 Hektar) findet man kurz vorm Cospudener See und die Luppeaue (circa 32 Hektar auf Leipziger Stadtgebiet, insgesamt 598 Hektar) beginnt, kurz bevor die Neue Luppe wieder in die Weiße Elster fließt, kurz vor Schkeuditz.

Wenn mal Wasser da ist, freuen sich auch die Graureiher. Foto: Ralf Julke
Wenn mal Wasser da ist, freuen sich auch die Graureiher. Foto: Ralf Julke

Das Papier plädierte also eindeutig für das „Zulassen natürlicher Entwicklungen“ in diesen vier Gebieten und die „Wiederherstellung auentypischer Naturprozesse“.

Mit der „Lebendigen Luppe“ glaubt man das zwar irgendwie für die Burgaue schaffen zu können. Aber bislang ist nicht einmal geklärt, wie der Wasserzufluss hergestellt werden soll, der irgendwie als Bypass aus der Kleinen Luppe kommen soll. Die Landestalsperrenverwaltung bezweifelt zu Recht, dass das Wasserdargebot für diesen Zweck überhaupt zur Verfügung steht.

Tatsächlich dominiert seit Jahren in Leipzig ein anderer Unterpunkt: „Naturnahe Entwicklung der Wälder, Verzicht auf Anbau gebietsfremder Baumarten sowie sukzessives Zurückdrängen derselben in vorhandenen Bestockungen im Rahmen von Pflege- und Nutzungsmaßnahmen.“ Also Bevorzugung allein forstlicher Maßnahmen.

Allein dieses Papier bietet genug Stoff, endlich das ganze Auensystem und die Sicherung des Auenwaldes zu diskutieren, denn gerade die Hartholzauenbestände im Leipziger Auenwald sind auch nach Einschätzung des LfULG massiv bedroht. Sie sind auf regelmäßige Überflutungen angewiesen. Da helfen keine Forstmaßnahmen.

Logisch, dass der NuKLA so seine Sorgen hat mit der Gesprächsbereitschaft der Stadt zu dem Thema.

Dabei steht auch für die Leipziger Elsteraue längst auf der To-do-Liste, was der BUND in seinem Klimanothilfeplan formuliert – auch mit dem wichtigen Stichwort Biotopverbund. Denn abgeschottete und zu kleine Naturschutzgebiete schützen nicht, wie der Insektenforscher Andreas H. Segerer in seinem Buch „Insektensterben“ betont. Die Populationen sind zu klein, können die Biotopgrenzen nicht überschreiten, weil dort der Anschluss an andere Naturlebensräume fehlt, der Genpool verarmt, die Arten sterben trotzdem aus.

In anderen Bundesländern hat man zumindest schon begriffen, wie wichtig große, zusammenhängende, unzerschnittene und unberührte Schutzgebiete für die gesamte Artenvielfalt sind. Und sie sind wichtige „Klimapuffer“.

Oder den BUND zitiert: „Eine besondere Bedeutung zum Klimawandel kommt Wildnisgebieten aufgrund ihrer langfristigen und nachhaltigen Schutzperspektive zu. Wildnisgebiete können sowohl die Mitigation (Abmilderung, etwa im Sinne von Kohlenstoffspeicherung) der Effekte des Klimawandels als auch die Adaptation (Anpassung) an seine Auswirkungen unterstützen.

Durch ihre wesentlich höheren Holzvorräte gegenüber den meisten Wirtschaftwäldern ist die CO2-Bindung dort viel höher und vor allem länger; sie beträgt teilweise mehrere Jahrhunderte. Diese Kohlenstoffspeicher zu erhalten oder zu erhöhen, ist eine wichtige Maßnahme der Mitigation, die im Einklang mit Naturschutzzielen steht.“

Etliche dieser Themen sollen auf dem Auenökologiesymposium zur Sprache kommen. Und natürlich hofft der Vereinsvorsitzende von NUKLA, Wolfgang Stoiber, darauf, dass Vertreter aus dem Umweltdezernat trotzdem kommen. Denn nur so kann man über das notwendig zu Tuende tatsächlich ins Gespräch kommen.

Kleine Maßnahmen, von denen nicht einmal klar ist, wie sie funktionieren sollen, helfen nicht mehr. Auch Leipzig muss lernen, wieder in großen Biotopverbänden zu denken. Und auch die Rettung der Elsteraue braucht einen großen Atem. Und eine andere Biotoppolitik.

Das Auenökologiesymposium NuKLA e. V. findet vom 12. bis 14. September in der Alten Börse statt.

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NuKLA schreibt einen Offenen Brief an Leipzigs Stadtförster

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