Wenn eine Regierung keine Lösungen mehr für die wirklichen Probleme der Gegenwart hat, dann flüchtet sie in Placebo-Politik und verschärft die Gesetze. So ist das auch mit dem sächsischen Polizeigesetz, das nach dem Vorbild Bayerns verschärft werden sollte. Die Polizei soll deutlich mehr Überwachungskompetenzen bekommen, so viele, dass nicht nur die Landtagsopposition davon ausgeht, dass das Gesetz dann der Verfassung widerspricht.

Das geht ja schnell unter in solchen Zeiten wie den unseren, dass unsere Verfassung wichtige Grundrechte nicht gegen irgendwelche dubiosen Invasoren schützt, sondern gegen eine Übermacht des Staates. Die Geschichte des 21. Jahrhunderts stellt genug Beispiele dafür bereit, was es bedeutet, wenn der Staat seinen Bürger nicht nur misstraut, sondern auch noch ungebremst in ihre Privatsphäre und ihre Grundrechte eingreift.

Aber das war der von Ordnungspolitik berauschten sächsischen CDU kaum noch beizubringen. Auch die SPD, die den Gesetzentwurf an einigen nicht ganz so prägnanten Stellen entschärfen konnte, biss sich am großen Koalitionspartner die Zähne aus.

Erst die massiven Straßenproteste und die Petition gegen das Gesetz brachten die Regierungskoalition zum Einlenken.

Und es klang schon ein bisschen erleichtert, als Albrecht Pallas, der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, am 14. Februar erklärte: „Wir haben heute im Innenausschuss beschlossen, zu den von SPD und CDU vorgeschlagenen Änderungen am Entwurf des Polizeigesetzes nochmals eine Anhörung durchzuführen. Konkret geht es um die Einführung der Body-Cam. Damit gibt es für alle Beteiligten genügend Zeit, den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zu prüfen. Wir wollen ein verfassungskonformes Gesetz auf den Weg bringen und wir nehmen die Rechte der Opposition ernst. Deshalb folgen wir der Empfehlung des Juristischen Dienstes des Landtags für eine weitere Anhörung. Ich gehe davon aus, dass das Gesetz dann im April im Landtag verabschiedet werden kann. Ein Monat Zeitverzug ist zu verkraften, wenn es der demokratischen Kultur im Sächsischen Landtag dient.“

Aber nicht nur die Landtagsopposition zweifelt daran, dass das Gesetz auch nach dieser Überarbeitung verfassungskonform sein wird.

Auch das Bündnis „Polizeigesetz stoppen!“ zweifelt und ruft vom 11. bis 16. März zu einer Aktionswoche gegen das Polizeigesetz auf. Am heutigen Dienstag, 12. März, findet im Landtag um 12 Uhr die öffentliche Anhörung zur geplanten Einführung von Bodycams statt. Das Bündnis ist schon seit 11 Uhr mit einer Kundgebung gegen die von CDU und SPD forcierte Verschärfung des Polizeirechts vor Ort.

„In den Händen der CDU-SPD-Landesregierung sind Grund- und Bürger*innenrechte nicht gut aufgehoben. Das geplante Polizeigesetz greift tief in unsere demokratischen Rechte ein und hebelt diese aus“, erklärt dazu Josephine Fischer vom Bündnis „Polizeigesetz stoppen!“. „Das werden wir nicht stillschweigend hinnehmen. Dagegen werden wir auch weiterhin Protest organisieren.“

Bereits am 26. Januar hatte das Bündnis über 7.000 Menschen zum Protest auf Dresdens Straßen mobilisiert.

„Zwar kursiert mittlerweile ein Änderungsantrag zum Polizeigesetz, aber das Grundproblem bleibt bestehen: Die Kompetenzen der Polizei werden enorm zulasten unserer Grundrechte ausgeweitet“, erklärt Fischer den Grund für den ungebrochenen Protest. „Demokratische Standards wie Kennzeichnungspflicht und eine unabhängige Beschwerdestelle hingegen sucht man im Gesetz vergebens. Das ist nicht modern, sondern ein Zurück zu Untertanengeist und Überwachungsstaat. Sehr viele Menschen haben das bereits erkannt.“

Am Mittwoch, 13. März, findet dann im Landtag die Übergabe einer Petition statt, die von über 21.000 Menschen unterzeichnet wurde. Die Übergabe im Rahmen der Aktionstage findet um 14:30 Uhr statt.

Und am Donnerstag, 14. März, lädt das Bündnis “Sachsens Demokratie – Polizeigesetz Stoppen!” zum offenen Bündnis-Treffen ein. Dieses beginnt um 18 Uhr in der EHS (Evangelischen Hochschule Dürerstraße 25, 01307 Dresden). Das Treffen ist offen für alle Menschen, die sich an der Kampagne beteiligen möchten.

Den Aufruf des Bündnisses „Polizeigesetz stoppen!“ haben bis heute über 1.900 Initiativen und Personen unterzeichnet. Die Kritik am geplanten Polizeigesetz wird von zahlreichen Verbänden geteilt. Zuletzt veröffentlichte der Kinder- und Jugendring Sachsen am 8. Februar eine Stellungnahme, in der er deutlich macht, dass das Polizeigesetz menschenrechtlichen Werten und rechtsstaatlichen Prinzipien zuwiderläuft.

Über 21.000 Menschen haben die Petition gegen das neue sächsische Polizeigesetz unterschrieben

Über 21.000 Menschen haben die Petition gegen das neue sächsische Polizeigesetz unterschrieben

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