Gut Ding will Weile haben. Schon 2017 hatten nicht nur Bürger und Vereine so ein mulmiges Gefühl, dass die Bürgerbeteiligung in der Stadtpolitik nicht so richtig klappt, dass irgendetwas rumpelt und knirscht und viele Beteiligte am Ende das Gefühl haben, dass sie auch hätten zu Hause bleiben können, es wäre genau dasselbe dabei herausgekommen. Damals taten sich die Fraktionen von SPD, Linken und Grünen zusammen und beantragten, Bürgerbeteiligung in Leipzig endlich zu institutionalisieren.

Dazu sollte ein „Forum Bürgerbeteiligung Leipzig“ geschaffen werden: „Hinsichtlich der Fortführung des Trialogs wird die Notwendigkeit eines neu zu schaffenden Gremiums als sinnvoll und zielführend erachtet, denn es ermöglicht zum einen die Sicherung von Kontinuität und zum anderen die Nachvollziehbarkeit von Verwaltungshandeln gegenüber Stadtrat und Zivilgesellschaft“, schrieben sie damals.

„Insbesondere Beteiligungskonzepte der Verwaltung und ggf. auftretende Konflikte bei Beteiligungsverfahren sollen von dem Gremium beraten werden. Des Weiteren sollen von dem Gremium auch aktuelle Fragen zur Bürgerbeteiligung auf die Agenda gesetzt und fachlich bearbeitet werden können.“

Zwei Jahre gingen drüber hin. Das Dezernat Stadtentwicklung und Bau hat jetzt einen Vorschlag vorgelegt, wie so ein Forum aussehen könnte.

„Das Forum soll zu selben Anteilen aus Vertreterinnen und Vertretern der Stadtverwaltung, der Stadtratsfraktionen und der Zivilgesellschaft bestehen, wobei die Zivilgesellschaft mit einem/r zusätzlichen Vertreter/-in vertreten ist“, heißt es in der Vorlage dazu. „Die Besetzung des Gremiums wird für die Vertreter_innen der 6 Fraktionen für eine Wahlperiode festgesetzt, für die Vertreter_innen der Verwaltung entsprechend der jeweiligen Zuständigkeit für die Aufgabenbereiche möglichst langfristig geplant und für die Vertreter_innen der Zivilgesellschaft auf drei Jahre vereinbart.“

Zu letzteren heißt es weiter: „Die Vertreter/-innen werden vom Oberbürgermeister ernannt und berufen. Für die erste Periode sind dies Vertreter/-innen von: Soziokulturelles Zentrum ‚Die Villa‘, Servicestelle der Freiwilligenagentur Leipzig, Ökolöwe – Umweltverband Leipzig e.V., Quartiersexperte im Beteiligungsverfahren Eutritzscher Freiladebahnhof, Forum Nachhaltiges Leipzig, Kinderbüro Leipzig, Gromke Hörzentrum in Vertretung der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig.“

Wobei natürlich noch spannender ist, wie so ein Gremium künftig über den transparenten Verlauf Leipziger Beteiligungsverfahren wachen soll. Dazu skizziert das Planungsdezernat folgende Vorgaben: „Das Forum tagt 3 bis 4 Mal im Jahr und gibt sich eine Geschäftsordnung. Die Leitung wird dem Amtsleiter des Stadtplanungsamtes/zukünftig Leiter der Geschäftsstelle Integrierte Stadtentwicklung übertragen. Die mehrstufigen Beteiligungsverfahren mit gesamtstädtischer Bedeutung zur Diskussion und Beratung im Gremium werden durch den Oberbürgermeister in Abstimmung mit dem Referat Grundsatz und Koordination und der Koordinierungsstelle ‚Leipzig weiter denken‘ im regelmäßigen Turnus festgelegt. Die Geschäftsstelle liegt bei der Koordinierungsstelle ‚Leipzig weiter denken‘. Sie bereitet die Sitzungen vor und nimmt daran teil. Die Ergebnisse werden als Protokoll aufbereitet und an die jeweils federführenden Dezernate/Ämter/Abteilungen weitergegeben. Bei Bedarf können Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen eingesetzt werden, wie z. B. Unternehmensengagement, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Anerkennungskultur etc.“

Wichtig: Es ist kein beschlussfassendes Gremium, sondern ein beratendes. Es soll Verwaltung und Stadtrat in Sachen Bürgerbeteiligung beraten.

Und im Kern soll es folgende drei Felder abdecken:

„Kontinuierliche Verstetigung von ‚informellen‘ Bürgerbeteiligungsverfahren und Verbesserung der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: Das Forum begleitet den Prozess der Weiterentwicklung einer Beteiligungskultur, weist auf Veränderungsbedarfe hin und gibt Impulse.

Beteiligungskonzepte für städtische Planungen und Projekte: Das Gremium beschäftigt sich mit ausgewählten Beteiligungsprojekten im Vorfeld der Durchführung, gibt Anregungen für die Umsetzung und bewertet die Beteiligungsansätze. Die Entwürfe der Beteiligungsverfahren werden in Abstimmung mit dem OBM dem Gremium zur Beratung vorgelegt.

Mitwirkung bei der Entwicklung einer Engagementstrategie und Begleitung deren Umsetzung: Das Gremium begleitet die Entwicklung der gesamtstädtischen, Engagementstrategie und gibt Anregungen zu den jeweiligen thematischen Bausteinen.“

Das klingt noch sehr trocken, so, wie manche Bürgerbeteiligungsverfahren bislang auch vermittelt wurden, was ja schon 2015 bei Auflage von „Leipzig weiter denken“ heftig diskutiert wurde. Die Mängel sind noch nicht wirklich abgestellt. Vor allem hakt es in der Kommunikation: Die Bürger erfahren oft gar nicht, wo sie sich wie einbringen können. Das Verfahren ist oft intransparent, am Ende ist meist nicht nachvollziehbar, welche Wortmeldungen berücksichtigt wurden und welche nicht. Und vor allem: warum nicht.

Das neue Forum könnte auf diese Weise durchaus ein Ort sein, diese Fragen zu klären und dafür eindeutige Verfahren zu entwickeln, solche, die Bürger wirklich zu Beteiligten machen und nicht nur zu Gästen moderierter Informationsveranstaltungen.

Im Herbst soll es losgehen, kündigt das Planungsdezernat an: „Arbeitsbeginn des Forums im 3. Quartal 2019.“

Bürgerbeteiligung Pleißemühlgraben sehenden Auges vor die Wand gefahren + Video

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