Das Handicap von Umweltverbänden wie dem Ökolöwen ist meist, dass sie ihre Arbeit nicht komplett aus Mitgliedsbeiträgen finanzieren können, auch nicht, wenn sie es mit viel Fleiß zu 2.000 Mitgliedern gebracht haben wie der Ökolöwe. Sie brauchen stets auch Förderung aus öffentlichen Töpfen, werden also in Teilen just von jenen Ämtern finanziert, denen sie eigentlich kritisch auf die Finger schauen sollen. Wie kann man da eigentlich noch wirklich bissige Kampagnen machen?

Da verärgert man ja ausgerechnet jene Amtsinhaber, die einem im nächsten Jahr wieder Geld geben sollen für die Umweltarbeit. Oder gar die Stadrät/-innen, deren Beschlüsse man völlig ungenügend findet.

Und in den vergangenen Monaten war schon deutlich spürbar, dass es dem Ökolöwen ganz ähnlich geht wie den anderen Umweltverbänden in Leipzig: Ihre Interventionen verliefen sich irgendwie, fanden nur abgeschwächt in Stadtratsbeschlüsse, manchmal kamen sie sich vor wie zahnlose Tiger.

Man denke nur an den entmutigenden Kampf für Pop-up-Radwege in der Corona-Zeit. Oder an die Befürwortung eines fortgeschriebenen Wassertouristischen Nutzungskonzeptes (WTNK), der der Stadtrat im Oktober zustimmte, obwohl alle wissen, dass sich (noch mehr) Wassertourismus überhaupt nicht verträgt mit dem hochgradig gefährdeten Auensystem.

BUND und Ökolöwe wandten sich damals gemeinsam mit einem Statement an die Öffentlichkeit, in dem es hieß: „Der Stadtrat hat in der Ratsversammlung am 14. Oktober 2020 die Aufstellung des wassertouristischen Nutzungskonzeptes (WTNK) beschlossen.

,Die Leipziger Aue bleibt leider weiter nur Werbeaushang für Massentourismus‘, sagt Friederike Lägel, umweltpolitische Sprecherin des Ökolöwen.

Erst im Mai 2020 bekannten sich die Stadträtinnen und Stadträte zur Rettung der Leipziger Auenlandschaft und beschlossen, dass der Revitalisierung keine einzige Maßnahme im Wege stehen darf.

,Mit dem Aufstellungsbeschluss zum WTNK hat der Rat gegen seinen eigenen Beschluss gehandelt und ein völlig falsches Signal gesendet‘, sagt Lägel. ,Statt der Verwaltung die Prioritäten im Auwald deutlich vorzugeben, lässt der Stadtrat ihr weiter freie Hand.‘

Das Konzept zum Wassertourismus befasst sich ausschließlich mit der Nutzung der Gewässer und der Herstellung von Kanälen, aber nicht mit den ökologischen Entwicklungszielen der bestehenden Flüsse. Die Möglichkeiten zur Herstellung eines intakten Auwalds werden dadurch enorm eingeschränkt und der Blick auf die notwendige Gewässerrenaturierung verstellt.

,Die Stadtverwaltung will nicht realisieren, dass die Aufstellung des WTNK dem Konzept zur Entwicklung des Auwalds entgegensteht‘, sagt Martin Hilbrecht, Vorsitzender des BUND Leipzig. ,Es muss endlich allen Akteuren klar sein, dass jede wasserbauliche Maßnahme zum Zwecke einer Bootsgängigkeit die Zukunft der Leipziger Aue aufs Spiel setzt!‘“

Es ist ja nicht das erste oder zweite Mal, dass auch der Ökolöwe erlebte, dass seine fachlich untermauerten Einsprüche einfach ignoriert wurden. Man könnte die Vorgänge um den Neubau der Eisenbahnbrücken in der Elsteraue genauso nennen wie den am Ende vergeblichen Kampf um den Erhalt der Straßenbahnlinie 9 nach Markkleeberg.

Und das werden nicht die letzten Kämpfe gewesen sein. Denn noch hat eine wirklich stringente Klimapolitik in Leipzig nicht den nötigen Rückhalt, spielt auch die Stadt gern auf Zeit und tut so, als könne Leipzig nicht so schnell umsteuern, obwohl Klimawandel, Energie- und Mobilitätswende seit über zehn Jahren auf der Agenda stehen und viele derweil veröffentlichte Papiere nicht mehr geblieben sind als eben schön bedrucktes Papier.

„Gegen die Klimakrise wird es keinen Impfstoff geben“, betont der Ökolöwe. „Es hilft nur unser engagiertes Handeln. Jetzt!“

Und so sucht der Umweltverband jetzt eine neue Kampagnenmitarbeiterin oder eben einen Mitarbeiter, die unabhängig agieren können. Und zwar so unabhängig, dass damit auch neue Aktionsräume gegenüber Ämtern und Behörden entstehen.

„Wir Ökolöwen müssen mehr erreichen! Damit statt ,Was wäre‘ endlich ,Es ist‘ gilt: Lebendiges Grün überall in Leipzig, beste Bedingungen, um Wege klimaschonend per Rad, Bus, Bahn oder zu Fuß zu erledigen und selbstverständlich aktiver Klimaschutz stadtweit“, beschreibt der Ökolöwe seinen Anspruch. „Das alles erreichen wir nur durch hartnäckiges Dranbleiben, Nachforschen, Stellungnahmen erarbeiten und diese bei Politik und Verwaltung vertreten. Dafür benötigen wir Ökolöwen dringend Verstärkung im Team: Mit einem/r erfahrenen Kampagnenmitarbeiter/-in können wir mehr erreichen.“

Und noch wichtiger: „Diese Stelle muss zu 100 % unabhängig sein, weshalb wir sie ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanzieren werden“, betont der Umweltverband, der dafür auch fleißig Spenden sammelt. „Die dafür benötigte Summe können wir schaffen, wenn heute viele eine Spende beisteuern … Ein guter Anfang ist bereits geschafft. In den letzten Wochen sind 9.859,71 Euro als Spenden bei uns eingegangen. Fest steht: Jede Spende stärkt uns den Rücken und hilft, unsere wichtige Arbeit zu finanzieren.“

Und vielleicht sollte der Stadtrat auch einmal die Finanzierung von Vereinen und Initiativen in Leipzig überdenken und diese aus den Budgets der jeweiligen Fachämter herausnehmen. Denn wenn diese Vereine immer auf den guten Willen just jener Ämter angewiesen sind, deren Tun und Lassen sie eigentlich kontrollieren und korrigieren müssen, dann werden sie zwangsläufig zu zahnlosen Tigern. Ihre Stellungnahmen werden wohlwollend zur Kenntnis genommen, in den Planungen dann aber meist doch nicht berücksichtigt.

Sodass die Dinge dann doch wieder ihren alten und leider umweltschädlichen Trott gehen und die Klimawende in Leipzig nur sehr langsam und zögerlich vonstatten geht.

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