Natürlich klingt es mächtig gewaltig, wenn der Median der Leipziger Nettoeinkommen 2014 von 1.152 auf 1.207 Euro stieg. 55 Euro mehr im Monat, das sind immerhin 4,8 Prozent mehr. Geht's den Leipzigern damit nun besser? Kommen sie ein bisschen zu Wohlstand? Wohl eher nicht. Bei vielen wird der Einkommenszuwachs gleich wieder von der Miete aufgefressen.

Auch nach der Mietbelastung fragten Leipzigs Statistiker in der Bürgerumfrage 2014, für die seit Dienstag, 14. April, ein “Schnellbericht” vorliegt. Dabei fragen sie eben die Bestandsmieten ab, die alten – möglicherweise niedrigeren Miethöhen mischen sich also mit den Mieten, die erst in jüngster Zeit abgeschlossen wurden.

Jahrelang gab es hier eine gewisse Stabilität. Zwischen 2001 und 2007 schaukelte sich der Median der Leipziger Mieten zwischen 4,73 Euro kalt pro Quadratmeter und 4,83 Euro zurecht. Das konnte man einen stabilen Mietwohnungsmarkt nennen. Der wachsende Zuzug nach Leipzig machte sich noch nicht bemerkbar.

Aber ab 2009 wurde dann doch deutlich, dass das Neuvermietungsniveau so langsam anstieg. 4,98 Euro je Quadratmeter Kaltmiete war schon ein kleiner Zuwachs. “Moderat”, hieß es damals aus der Leipziger Statistik. Auch der Anstieg auf 5,00 Euro (2011) und 5,08 Euro (2013) war moderat. Keine Frage. Aber für 2014 haben die Statistiker nun einen Median von 5,38 Euro ermittelt.

Median heißt: Die Hälfte der abgefragten Mieten lag über diesem Wert, die andere Hälfte lag drunter. Aber 30 Cent Zuwachs bei der Kaltmiete bedeuteten eben auch ein Plus von 5,9 Prozent. Das lag deutlich über dem Einkommenszuwachs. Wenn das so bleibt – und wenn man den Meldungen der Makler und Börsenbetreiber glaubt, bleibt es so – dann frisst die Mietpreisentwicklung in den nächsten Jahren erst einmal die nun tatsächlich moderate Einkommensentwicklung wieder auf.

Leipziger ziehen etwas seltener um

Und nicht nur das: Die steigenden Miethöhen in einigen Stadtteilen sorgen dafür, dass ein alter Leipziger Lieblingssport sein Ende findet. Darüber staunten ja die Statistiker nun fast 20 Jahre lang, wie oft die Leipziger umzogen jedes Jahr. Jahrelang lag der Anteil derer, die unbedingt oder möglicherweise umziehen wollten, bei 40 Prozent. Mit jeder Änderung der Lebenssituationen suchte man sich eine neue Wohnung. Vorzugsweise wieder in Leipzig. An Letzterem ändert sich vorerst nichts. Aber erstmals rutschte der Anteil der Umzugswilligen in der Bürgerumfrage 2014 von 40 auf 35 Prozent. Und besonders stark sank der Anteil derer, die “unbedingt” umziehen wollten oder mussten. Und das nicht zum ersten Mal. Gaben 2009 noch 15 Prozent der Befragten an, sie würden unbedingt umziehen, waren es 2011 noch 13 und 2013 dann 11 Prozent. 2014 rutschte dieser Wert auf 9 Prozent.

Das kann man mit einiger Sicherheit dem sich spürbar verengenden Wohnungsmarkt zuschreiben: In einigen der attraktiven Stadtteile im Inneren der Stadt ist kaum noch eine Wohnung zu finden – und wenn, dann oft zu einem deutlich höheren Mietniveau. Und attraktive und gleichzeitig bezahlbare freie Wohnungen wurden seltener. Warum die Umzugswilligkeit sank, könnte genau an der Stelle erklärbar werden, denn im gleichen Atemzug stieg der Anteil der Umzugswilligen, die im selben Wohnviertel eine neue Wohnung suchten, von 22 auf 33 Prozent. Die Leipziger ziehen zwar gerade zu Beginn ihrer Berufskarriere und ihrer Familienplanung mehrmals um, wechseln dabei auch gern mal den Stadtteil, wenn das sinnvoll erscheint. Aber wenn sie ihren Lieblingsstadtteil gefunden haben, wollen sie da meistens nicht wieder weg.

Insgesamt 56 Prozent der Umzugswilligen suchen im selben Wohnviertel oder im selben Stadtteil nach einer Wohnung. Weitere 24 Prozent wollen ebenfalls in Leipzig bleiben, können sich aber den Wechsel des Stadtviertels vorstellen.

Nur 20 Prozent der Umzugswilligen wollen die Stadt überhaupt verlassen. Aber 8 Prozent auch nur, um sich was Schnuckeliges im direkten Umland zu suchen. Übrigens eine bedenkenswert niedrige Zahl, gerade in einem Jahr, in dem auch Leipzigs Statistiker wieder das Wort Suburbanisierung in den Mund nehmen. 8 Prozent von allen Umzugswilligen, das ist ein historischer Tiefwert. Nur 2005 waren es mit 6 Prozent mal weniger. In den 1990-er Jahren, als Leipzig ein Fünftel seiner Einwohner verlor, lag dieser Wert deutlich über 20 Prozent.

Was ja wohl heißt: Der Anteil der Suburbanisierer, der Stadtflüchtlinge, liegt seit Jahren auf einem niedrigen Niveau. Nur einige wenige Städte im Leipziger Umland profitieren also vom Leipziger Bevölkerungswachstum. Eine Trendumkehr des nun seit zehn Jahren anhaltenden Drangs in die kompakte Großstadt ist nicht sichtbar.

Was die Frage aufwirft: Machen  sich die Leipziger überhaupt Sorgen über die steigenden Mieten? Und wenn ja: Wie viele?

Aber dazu kommen wir morgen an dieser Stelle.

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