Der September ist durch, abgehakt und abgerechnet. "Mit 9,1 Prozent wurde im September 2015 die niedrigste Arbeitslosenquote in einem Monat überhaupt seit Anfang der 1990er Jahre gemessen", freute sich am Mittwoch, 30. September, Reinhilde Willems, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig. Dabei hat sie den Blick vor allem auf den ganzen bürokratischen Zahlensalat.

Weniger auf den wirklichen Arbeitsmarkt, wo die Leipziger und die Pendler tatsächlich Arbeit finden. Denn der wächst ja seit 2010 in einer erstaunlichen Weise. Und das, obwohl gerade die Landesregierung mit allen Mitteln versucht zu bremsen. Lehrer und Polizisten können ein Lied davon singen.

Die Arbeitsagentur Leipzig veröffentlicht auch die jeweils verfügbaren Zahlen zu diesem richtigen, ersten Arbeitsmarkt. Die Zahlen kleckern immer ein Stück hinterher. Jetzt sind die für März noch verfügbar. Danach stieg die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Leipzig von 237.382 Personen im März 2014 auf 246.564 ein Jahr später an. Und die Wirtschaftsbereiche, die neue Jobs zur Verfügung stellten, waren richtig klassische, ohne dass Leipzig über eine große echte Neuansiedlung jubeln konnte.

Augenscheinlich ist die Auftragslage in den produzierenden Unternehmen gut und stabil, so stabil, dass immerfort neue Aufträge und Projekte andocken und immer mehr Leute gebraucht werden.

Allein im Verarbeitenden Gewerbe gab es übers Jahr 2.350 neue Arbeitsplätze, die meisten davon direkt in der Metall-, Elektro- und Stahlindustrie (+ 2.003). Die wirtschaftlichen Dienstleister profitierten davon ebenfalls mit 1.789 neuen Arbeitsplätzen, bei den freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistern entstanden 1.332 neue Arbeitsplätze und auch bei Verkehr und Lagerei wurden 1.404 Arbeitskräfte mehr gebraucht.

848 Arbeitsverträge entstanden zusätzlich in der Zeitarbeit, 751 in Handel, Instandhaltung, Reparatur. Und auch im Gastgewerbe sind 666 neue Arbeitsplätze entstanden – trotz Einführung des Mindestlohns.

Viele der wachsenden Beschäftigungsbereiche spiegeln einfach den wachsenden Bedarf der wachsenden Stadt – 436 neue Jobs entstanden im Gesundheitswesen, in der Regel alles Pflegekräfte in den zunehmend aktiven Pflegediensten. Die Informationsbranche legte um 240 Arbeitskräfte zu.

Nur ein Bereich fällt völlig aus dem Rahmen: der öffentliche Dienst. Auch 2014 lief der Abbau von Beschäftigten vor allem im Landesdienst ungebremst weiter, so dass die öffentliche Verwaltung selbst (mit Polizei) ein Minus von 9 Arbeitskräften verzeichnete. Im Bereich Erziehung und Unterricht ging – trotz massiv steigenden Bedarfs in Kitas und Schulen – die Zahl der Arbeitsplätze sogar um 60 zurück. Die sächsische Landesregierung läuft bei der Nachwuchssicherung derzeit regelrecht ins offene Messer und baut sogar noch Arbeitsplätze ab, während die freie Wirtschaft alles aufnimmt, was derzeit an einsetzbaren Arbeitskräften verfügbar ist.

Und sie bekommen – anders als noch vor fünf Jahren – fast alle auch sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen angeboten. In der Regel auch in Vollzeit. Und der Bedarf ist noch keineswegs gedeckt.

“Seit Jahresbeginn sind 16.136 Stellen eingegangen, gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist das ein Zuwachs von 1.980 oder 14 %. Im September wurden 1.827 Arbeitsstellen abgemeldet, 256 mehr als im Vorjahr. Von Januar bis September gab’s insgesamt 14.596 Stellenabgänge, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das ein Zuwachs von 1.321 oder 10 %”, schreibt die Arbeitsagentur in ihrem Bericht.

Die größte Bewegung im September war logischerweise bei den jungen Arbeitsuchenden. Viele, die ihre Ausbildung hinter sich haben, haben jetzt auch eine Arbeitsstelle gefunden. Andere haben eine neue Ausbildungsstelle gefunden. So dass unter den 1.106 Personen, um die die offizielle Arbeitslosenzahl im September sank, 418 junge Leute unter 25 Jahre waren. Selbst die Zahl der arbeitslos gemeldeten Ausländer sank – immerhin um 74. Was ja auch heißt: Etliche Unternehmen nehmen das Versprechen, Ausländer in Beschäftigung zu nehmen, ernst. Noch liegt die Arbeitslosenquote bei Ausländern mit 23,3 Prozent deutlich höher als die Gesamtquote von 9,1 Prozent. Da ist also noch eine ganze Menge Integrationsarbeit zu leisten. Aber anders wird es nicht gehen, wenn Leipzig seinen Arbeitskräftebedarf wirklich befriedigen will.

Dass die Möglichkeiten von Arbeitsagentur und Jobcenter begrenzt sind, Menschen mit Vermittlungshandicap tatsächlich dauerhaft in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen, das hat ja auch der letzte Halbjahresbericht des Jobcenters Leipzig gezeigt. Der Sockel der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Jobcenter schmilzt deutlich langsamer ab als die offizielle Arbeitslosigkeit – von 52.142 im August auf nunmehr 51.796 (- 346). Was dann auch dafür sorgt, dass der Bestand an Bedarfsgemeinschaften ebenfalls nur langsam schmilzt – von 41.792 auf 41.528.

Immerhin betrifft diese Versorgtheit in Bedarfsgemeinschaften auch Kinder. Ein altes Leipziger Problem, denn zeitweilig waren in den vergangenen Jahren über 30 Prozent der unter 14-Jährigen in einer Bedarfsgemeinschaft zu Hause.

Es sieht ein wenig so aus, dass deren Zahl nun langsam schmilzt. Sie stecken mit in den “nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten” und deren Zahl sank von 18.392 auf 18.305. Was bei einer permanent steigenden Kinderzahl in Leipzig eben auch heißt, dass junge Eltern deutlich häufiger als noch vor wenigen Jahren den Einstieg in eine Erwerbstätigkeit schaffen.

Alles in allem also das Bild einer Stadt, die nach wie vor einen Hunger auf neue Arbeitskräfte hat, damit vor allem die zuwandernden jungen, gut ausgebildeten Menschen versorgt, aber auch so langsam beginnt, wieder Menschen ins Erwerbsleben zu holen, die bis vor fünf Jahren fast keine Chance hatten dazu. Noch ganz zaghaft. Aber man spürt, wie der Druck auf die Unternehmen zunimmt. Und dass ein Arbeitgeber in Kürze richtig heftige Probleme bekommt, seinen Bedarf überhaupt noch zu decken: Das ist der Freistaat Sachsen.

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