An den allgemeinbildenden Schulen in öffentlicher und freier Trägerschaft lernten im Schuljahr 2017/18 insgesamt 369.000 Schülerinnen und Schüler. Der steigende Trend der Schülerzahlen in den letzten Schuljahren wird sich auch in Zukunft weiter fortsetzen. Aber wie viel werden es? Das Statistische Landesamt hat jetzt zumindest zwei sehr eigenwillige Prognosen vorgelegt.

Eigenwillig deshalb, weil man über einen Teil dieser Zahlen schon jetzt sagen kann, dass man sie nicht groß prognostizieren muss – die Kinder sind ja schon da und einen großartigen Abwanderungstrend aus Sachsen gibt es derzeit nicht, der dafür sorgen würde, dass tausende junge Familien mit ihren Kindern das Bundesland verlassen.

Weshalb zumindest Zahlen für 2020/21 schon jetzt belastbar angegeben werden könnten. Man staunt also eher, was die Statistiker da prognostizieren.

So ergab die vom Kultusministerium beim Statistischen Landesamt in Auftrag gegebene Schüler- und Absolventenprognose auf Basis der 6. Regionalisierten Bevölkerungsvorausberechnung für den Freistaat Sachsen, welche die mögliche Bevölkerungsentwicklung in einem Korridor, der durch eine obere und untere Variante begrenzt wird, darstellt, zwar einen Anstieg. Aber möglicherweise in beiden Varianten einen viel zu niedrigen.

Die Ergebnisse der Prognose

Bis zum Schuljahr 2030/31 wird nach der unteren Variante (V2) ein Anstieg um rund 6 und nach der oberen Variante (V1) um etwa 12 Prozent erwartet. An den allgemeinbildenden Schulen würden dann zwischen 390,9 und 412,5 Tausend Schülerinnen und Schüler am Unterricht teilnehmen. Das sind voraussichtlich zwischen 21,8 und 43,4 Tausend mehr als im Schuljahr 2017/18. Wie das Statistische Landesamt weiter mitteilt, werden nach V2 im Schuljahr 2025/26 mit 403,3 Tausend und nach V1 im Schuljahr 2027/28 mit 416,6 Tausend die meisten Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen erwartet.

An den berufsbildenden Schulen steigen seit dem Schuljahr 2016/17 in Sachsen die Schülerzahlen wieder an, nachdem diese zuvor 10 Jahre kontinuierlich zurückgegangen sind. Im Herbst 2017 wurden 102,2 Tausend Schülerinnen und Schüler an berufsbildenden Schulen ausgebildet. Entsprechend den Vorausberechnungen werden bis zum Schuljahr 2030/31 die Schülerzahlen auf 110,0 bzw. 112,8 Tausend steigen, wobei für beide Varianten über den gesamten Prognosezeitraum ein kontinuierlicher Anstieg erwartet wird.

Das Fragezeichen

Das Fragezeichen taucht schon mit der Prognose für das Jahr 2020/2021 auf. In der niedrigen Prognose gehen die Statistiker da von 142.000 Schülerrinnen und Schülern in den Grundschulen aus, gerade einmal 2.700 mehr als im Schuljahr 2017/2018. In der höheren Variante wären es 145.000.

Diese Kinder aber sind schon alle geboren. Es wären ungefähr – mit den üblichen „Sommerverschiebungen“ zum Einschulungsstichtag – die Jahrgänge 2011 bis 2014. Nach den Angaben des Landesamtes für Statistik gibt es über 145.000 Kinder in diesen Jahrgängen. Der Kultusminister täte also gut daran, für 145.000 Kinder Schulplätze in den Grundschulen einzukalkulieren und eben nicht nur 140.000.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass bis zur Einschulung 2020 über 5.000 Kinder einfach mit ihren Familien abwandern. Nicht einmal dann, wenn der Innenminister noch mehr Familien auseinanderreißt und in alle Himmelsrichtungen abschieben lässt.

Was logischerweise für alle folgenden Jahre auch immer wieder Erhöhungen um mindestens diese 5.000 Kinder bedeutet.

Ein Grund dafür ist, dass die Geburtenzahlen in Sachsen nach dem absoluten Tief in den 1990er Jahren, als sie auf rund 29.000 bis 30.000 gefallen waren, von 1999 bis 2006 wieder auf 31.000 bis 32.00 stiegen – das sind die Jahrgänge, die heute noch einen Teil der Schülerschaft ausmachen.

Ab 2008 aber stiegen die Geburtenzahlen wieder deutlich über 35.000 und 36.000 an. 2008 – das sind die heutigen Viertklässler. Das heißt: Ein Teil des Zuwachses durch höhere Geburtenzahlen ist schon in den Schulen angekommen. Und zwar erst in den Grundschulen. Das heißt: Die Jahrgangsstärken in Oberschulen und Gymnasien werden ab dem nächsten Schuljahr schon deutlich wachsen. Ein Fakt, den die Prognose schon aufgenommen hat.

Zumindest bis 2025 ist dieser Anstieg nachvollziehbar.

Für 2030 nehmen die Landesstatistiker an, dass irgendwann in den 2020er Jahren auch die Geburtenzahlen wieder fallen und damit dann ab 2030 auch die Schüler in den Grundschulen wieder weniger werden.

Man sieht das Bemühen, das ganze Land über eine Prognose vorwegzuplanen. Was aber bekanntlich in der Vergangenheit immer wieder schiefgegangen ist. Gerade die Landesprognosen – zu Schülern oder Studierenden zum Beispiel – lagen immer wieder zu niedrig. Ergebnis: Zu wenige Lehrer, zu wenig Geld in den Hochschulen.

Augenscheinlich verstärken solche Prognosen sogar noch den sogenannten Schweinezyklus, der in allen Bundesländern zu beobachten ist. Statt beim Bildungspersonal mit einem nötigen Puffer zu planen, folgen auf Jahre mit eindeutig zu knappen Einstellungen und Ausbildungen wieder Jahre, in denen hektisch drauflos getrommelt wird, um Anwärter zu finden.

Sachsens Kultusministerium täte gut daran, mindestens die obere Variante zu planen und nicht denselben Fehler wie in den vergangenen 28 Jahren zu machen – wieder zu wenige Lehrer auszubilden und einzustellen.

Eine Muntermacher-LZ Nr. 61 für aufmerksame Zeitgenossen

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