Der Zensus 2022 hielt für Sachsens Kommunen einige Überraschungen bereit. Meist sehr unangenehme. Fast nirgendwo stimmten die Zählungen in den Melderegistern mit den Hochrechnungen aus dem Zensus überein. Den Kommunen drohen dadurch massive Kürzungen bei den Landeszuschüssen. Geld, das sowieso schon an allen Ecken und Enden fehlt. Aber ein anderer Fakt dürfte die Sorgen der Planer und Kämmerer noch weiter wachsen lassen: die wachsende Zahl der Ein-Personen-Haushalte.
„Zum Zensus-Stichtag am 15. Mai 2022 bestanden sächsische Haushalte durchschnittlich aus 1,9 Personen. Etwa 950.000 Personen lebten in Einpersonenhaushalten, darunter waren knapp 40 Prozent 65 Jahre und älter“, meldete das Statistische Landesamt am Montag, dem 11. August.
„In 129 Gemeinden wurde mindestens jeder zweite Einpersonenhaushalt von einer Seniorin oder einem Senior geführt. Das höhere Alter vieler Personen in Einpersonenhaushalten geht einher mit dem Familienstand ‚verwitwet‘. Dies trifft auf annähernd ein Viertel der Personen in Einpersonenhaushalten zu.“
Wenn das Amt dann auch noch meldet, dass die Zahl der Ein-Personen-Haushalte seit dem Zensus 2011 auch noch um 20 Prozent gestiegen ist, dann erzählt dieser Teil der Bevölkerungsstatistik eben auch von der wachsenden Überalterung der sächsischen Gesellschaft.
Weniger Familien, mehr Alleinerziehende
Aber es steckt auch noch eine andere Entwicklung darin, die zu berechtigten Sorgen Anlass gibt: „Wie das Statistische Landesamt weiter mitteilt, bestanden sächsische Familien 2022 aus durchschnittlich 2,6 Personen. Trotz eines Rückganges um ca. 14 Prozent im Vergleich zum letzten Zensus 2011 stellten Ehepaare mit oder ohne Kindern mit Abstand die häufigste Lebensform unter den Familien dar (69 Prozent).“
Das klingt wie ein Stoßseufzer, bedeutet aber eben trotzdem, dass die Zahl der Ehepaare mit und ohne Kinder seit 2011 um 14 Prozent zurückgegangen ist. Und auch wenn hier die Ehepaare ohne Kinder mit eingerechnet sind, wird deutlich, dass es in Sachsen immer weniger Familien mit Kindern gibt. Das Land überaltert und gleichzeitig kommen ihm die Kinder abhanden, was wohl mit den Krisen der Zeit zu tun hat, möglicherweise aber auch mit einem Arbeitsmarkt, der immer weniger Spielräume für eine Familiengründung lässt.
Und auch die Rahmenbedingungen für eine stabile Familie nach klassischem Muster haben sich verändert, wie das Statistische Landesamt feststellt: „Bei nahezu jeder siebten Familie (15 Prozent) handelte es sich um Familien von Alleinerziehenden. Davon stellen alleinerziehende Mütter weiterhin den überwiegenden Anteil (ca. 80 Prozent). Familien mit alleinerziehenden Vätern haben im Vergleich zu 2011 deutlich zugenommen (Anstieg um 32 Prozent).“
Das kann man als sichtbare Emanzipation interpretieren – Eltern, die es mit dem Partner nicht mehr aushalten – trennen sich lieber, auch wenn das gerade für Frauen oft heißt, dass sie dann Unterstützung im Jobcenter beantragen müssen. Das kann man aber auch als zunehmenden Druck auf Ehen und Partnerschaften interpretieren, in denen Familie und – doppelte – Erwerbsarbeit ohne gravierende Konflikte nicht mehr zu vereinbaren sind.
Wo die modernen Slogans von Flexibilität, Mobilität und permanenter Erreichbarkeit durch den Arbeitgeber das Familienleben regelrecht erodieren lassen. Eine Entwicklung mit über 25 Jahren Vorlauf, die jetzt ganz offensichtlich ihre negativen Folgen zeitigt.
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