"Wir sprechen in der Spielzeit 2014/2015 nicht von einem Defizit von 5,7 Millionen Euro, sondern von mindestens 7 Millionen", sagt Reik Hesselbarth, Vorsitzender FDP-Fraktion im Leipziger Stadtrat. Am Freitag, 13. April, hat die FDP ihren Antrag zur "langfristigen Sicherung und inhaltlichen Entwicklung der Leipziger Kultur" ins Verfahren gegeben.

Er beruht auf den zehn Punkten, die die Leipziger FDP im März beschlossen hatte. Hauptpunkt: die Zusammenlegung des Musiktheaters im Opernhaus. Was nicht nur im sanierungsbedürftigen Haus Dreilinden begründet ist. Um den langfristigen Spielbetrieb dort zu sichern, müssen noch zwischen 15 und 18 Millionen Euro ins Haus investiert werden. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) hat zwar kürzlich von 3 Millionen Euro gesprochen, die reichen würden, den Spielbetrieb zu sichern. “Aber das ist eigentlich nur die Summe, die man braucht, damit das Haus so weit hergerichtet werden kann, damit es nicht bauordnungsrechtlich geschlossen werden muss”, sagt Hesselbarth.

Dass das Haus für den Stadtteil eine Magnet- und Klebewirkung hätte, wie auch des öfteren argumentiert wird, hält er für ein falsches Argument. “Hier bleibt nichts kleben. Die Leute kommen zur Vorstellung und fahren nach der Vorstellung wieder weg. Es gibt im ganzen Umkreis keine Gaststätte, die vom Spielbetrieb in der Muko profitiert. Die einzige ist die Theaterkneipe im Haus Dreilinden selbst”, so Hesselbart.

Die Verlegung der Sparte Operette/Musical ins Opernhaus würde zwar eine Verringerung der Anzahl von Vorstellungen mit sich bringen. Das würde aber zumindest teilweise durch den größeren Zuschauerraum kompensiert. “Und wenn man sich den jetzigen Spielplan der Oper anguckt, dann sieht man, dass von Montag bis Mittwoch dort in der Regel gar nicht gespielt wird”, so Hesselbarth.

Der Antrag fordert die Verwaltung auch auf, ein Umsetzungskonzept zur Verwaltungsfusion von Oper und Schauspiel vorzulegen. Aber auch die Fusion von Schauspiel und Theater der Jungen Welt zu einem Stadttheater für alle Generationen soll geprüft werden. “Was den Vorteil hätte, dass das Schauspiel mit dem jetzt vom Lofft bespielten Saal einen Ersatz für die Scala hätte”, erläutert Hesselbarth. Bislang schwebt der Bau einer neuen 150-Plätze-Bühne in den frei gewordenen Räumen der Diskothek Schauhaus im Raum.”Die Millioneninvestition ist im Haushalt gar nicht darstellbar”, sagt der Fraktionschef. “So ein Projekt kann man sich vornehmen, wenn man an der Stelle stadtgestalterisch tätig werden will und das ganze Ensemble aufwerten will.” Das Theater der Jungen Welt sei außerdem schon längst auf dem Weg zu einem Mehrgenerationentheater.

“Wir werden über unsere Vorschläge mit allen Fraktionen reden”, sagt Hesselbarth. Die Diskussion müsse jetzt ins Laufen kommen. Burkhard Jung hätte zwar mit der Vorstellung des actori-Gutachtens im Dezember eine breite Öffentliche Diskussion angekündigt. “Aber mit seinem Vorschlag, alles so beizubehalten und die Zuschüsse aus dem Stadthaushalt um 2 Millionen Euro aufzustocken, hat er die Diskussion gleich wieder abgewürgt”, kritisiert Hesselbarth.

Und betont, dass es eigentlich keinen Zeitdruck gibt, noch im Frühjahr einen Beschluss zur Sicherung der Kultur zu beschließen. “Der einzige Zeitdruck, der besteht, das ist die OB-Wahl 2013”, so der FDP-Mann. Aber das dürfe den Stadtrat nicht dazu zwingen, eine Entscheidung kurzfristig übers Knie zu brechen. Am 18. April könne man sich in einem Minimalkonsens auf einen Sicherungsbetrag für 2013 einigen. “Aber dann sollte es eine breit geführte Diskussion geben”, so Hesselbarth.

Denn aus der Welt wären die Probleme der Eigenbetriebe mit der Etaterhöhung um 2 Millionen Euro nicht. Die Deckungslücke ab 2014/2015 bliebe. Verschärft durch die jetzigen Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst, die allein bei den Eigenbetrieben eine Erhöhung der Personalkosten um über 2 Millionen Euro bedeuten würden. Die kämen also noch obendrauf und seien vom actori-Gutachten noch gar nicht berücksichtigt. Die müssten also irgendwo in den Etats der Häuser kompensiert werden.

Doch genauso haben alle vier großen Häuser schon in den letzten Jahren gearbeitet. Sie haben schlankere Verwaltungsstrukturen aufgebaut, teilweise die Ensembles verkleinert und vor allem die Zahl von Premieren und Vorstellungen zurückgefahren. Die Leipziger bekommen also schon längst – bei steigenden Kosten – weniger Angebote für das Geld. “Ein Weiter so bedeutet tatsächlich einen Qualitätsverlust in den Angeboten der Häuser. Das kann nicht die Lösung sein”, so Hesselbarth.Und die Sanierungskosten für alle vier Häuser von über 50 Millionen Euro blieben trotzdem bestehen. Würden nur immer weiter in die Zukunft verschoben. Hesselbarth: “Denn ich glaube nicht, dass der Stadtrat etwa fürs Schauspiel diese Gelder zur Verfügung stellt, wenn andernorts – bei Kitas und Schulen – der Bedarf viel, viel drängender ist.”

Wenn aber Fusionen – wie die von Oper und Muko – gelingen könnten, dann würde man mittelfristig auch wieder Gelder frei bekommen, die man in die künstlerische Qualität investieren könne. Und zwar nicht nur bei den großen Häusern. Denn überfällig ist auch die Einlösung des Stadtratsbeschlusses “5 Prozent für die freie Szene”. Was der Chef der FDP-Fraktion auch nicht so recht verstehen kann: “Für die Eigenbetriebe sind schnell mal 2 Millionen zusätzlich da – aber um die sechsstellige Summe für die Freie Szene diskutieren wir endlos? Das kann nicht sein.”

Über die künftige Strategie für die Eigenbetriebe müsse es einfach eine breite, unabhängig moderierte Bürgerdiskussion geben. Das habe der OBM den Leipzigern versprochen. “Und ich sehe auch nicht, dass das nicht funktionieren sollte”, sagt Hesselbarth. “In Oberhausen hat man mit den Bürgern gemeinsam den kompletten Stadthaushalt saniert.” Zeitdruck hätte man keinen. Auch nicht durch die Wahl eines neuen Schauspielintendanten, mit der man sowieso schon um Monate hinter hänge.

“Wäre zwar schöner gewesen, wir hätten erst die zukünftige Struktur festgezurrt und dann den Intendanten gewählt – aber es ist nun mal, wie es ist”, seufzt Hesselbarth. Und fest steht auch: Egal, wer Nachfolger von Sebastian Hartmann wird – sie oder er müssen sich zwangsläufig auf veränderte Strukturen in der Landschaft der Leipziger Eigenbetriebe einstellen. Denn selbst wenn keines der jetzt von den Fraktionen vorgeschlagenen Fusionskonzepte umgesetzt wird – spätestens 2014/2015 sitzen sie alle wieder beisammen, die neuen Finanzlücken werden noch größer sein. Die Problemlösung ist dann nur drei Jahre in die Zukunft verschoben. Und in der Zwischenzeit werden weitere Premieren gestrichen und weitere künstlerische Mitarbeiter werden kündigen, weil ihre Arbeitsspielräume dem Finanzdruck zum Opfer fielen.

Den Antrag der FDP-Fraktion findet man hier: www.fdp-fraktion-leipzig.de

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