Nachhaltig ist nicht gleich nachhaltig. Manchmal muss man das auch mal so formulieren, fanden die Leipziger Grünen und packen zum Doppelhaushalt, den jetzt der neue Stadtrat diskutieren soll, einen ganzen Stapel Änderungsanträge auf den Tisch. Mit Betonung: "Strategische Haushaltsanträge." Denn Sparen allein hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun. Gar nichts.

Denn ein simpler Blick ins Stadtgeschehen zeigt, dass die Sparmaßnahmen von heute die Fehlstellen von morgen sind. Straßen gehen kaputt, Schulen müssen saniert oder neu gebaut werden, Brücken müssen ersetzt werden, elektrische Anlagen erneuert. Über 1 Milliarde Euro beträgt der Investitionsstau der Stadt Leipzig. Das klingt nach einem Berg, den man abarbeiten kann. Aber Leipzig hat das in den vergangenen 20 Jahren nicht geschafft. Erst seit wenigen Jahren ist OBM Burkhard Jung stolz darauf, die Investitionsquote wenigstens so hoch gestemmt zu haben, dass die Stadt keinen Wertverlust erfährt.

Aber allein die dringendste Sanierungsliste für Straßen und Brücken umfasst über 100 Posten. Und davon ist erst ein Drittel in den nächsten Jahren mit Geldern untersetzt.

Die Bürger merken es beim Weg durch die Stadt: Das sind nicht nur in die Zukunft verschobene Investitionen. Das sind Schulden, die die jetzigen Generationen den künftigen hinterlassen. Die müssen dann bezahlen, was heute liegengeblieben ist.

Aber wie packt man das Thema an, wenn ein Doppelhaushalt auf Kante genäht ist – ein echter Sparhaushalt irgendwie? Wieder einmal, sogar noch mit einem strukturellen Defizit von 20 Millionen Euro im Jahr 2015 und 22 Millionen Euro im Jahr 2016 im Finanzhaushalt.

Das mache, so stellen die Grünen fest, zwingend ein Haushalts-Konsolidierungskonzept notwendig, wie es die Stadt in der jüngeren Vergangenheit schon mal hatte. Die Verwaltung selbst muss zeigen, wie sie das Defizit ausgleichen will und entsprechende Konsolidierungsmaßnahmen vorschlagen. In den letzten Jahren hatte die Verwaltung Glück: Unterjährig tauchten doch immer wieder wundersamerweise die nötigen liquiden Gelder auf, um Mehrausgaben zu stemmen.

Was aus Sicht der Grünen darauf hindeutet, dass es doch mehr Puffer im Haushalt gibt, als auf den ersten Blick für den Laien – und das sind auch Stadträte, wenn sie sich das dicke Paket zum Haushalt vornehmen – ersichtlich wird. Der Finanzbürgermeister plant in großen Budgets, die den Dezernaten und Ämtern zugeteilt sind. Um aber zu erfahren, was in den einzelnen Budgets tatsächlich steckt an Kosten und Leistungen, müssen die Stadträte in den Ausschusssitzungen konkret nachfragen.
“So im Großen und Ganzen bekommen wir dann die Auskünfte, die wir haben wollen”, sagt der Grünen-Fraktionsvorsitzende Norman Volger. “Aber das ist manchmal auch ein hartes Stück Arbeit.”

Und sie funktioniert auch nur, wenn die Stadträte wissen, wonach sie fragen müssen und in welchem Haushaltstitel das Gesuchte stehen muss. Da gibt es dann zuweilen Überraschungen – auch Unangenehme, etwa wenn die Grünen sich die Gelder zum Luftreinhalteplan anschauen (Stichworte: Umweltzone, Feinstaubbelastung, Baumpflanzungen …). Dazu kommen wir noch.

Manches wurde dann auch im letzten Jahr aus Geldern bezahlt, die nicht geplant waren, aber trotzdem in die Kasse kamen. Wie die deutlich gestiegenen Einnahmen aus der Gewerbesteuer, die dem Finanzbürgermeister 2014 am Jahresende wieder einen Überschuss bescherten.

Nur – finden die Grünen – könne es nicht sein, dass die Verwaltung selbst entscheidet, was mit dem Geld geschieht. Das Budgetrecht läge noch immer beim Stadtrat. Und das beträfe auch die Mehreinnahmen aus der Gewerbesteuer.

Die Grünen stellen deshalb extra einen Antrag, dass die (nicht verplanten) Mehreinnahmen aus der Gewerbesteuer 2015 und 2016 in eine zweckgebundene Rücklage fließen sollen. Und der Zweck ist ein altbekannter: Diese Gelder sollen zur weiteren Schuldentilgung eingesetzt werden. Wenn unterjährig Bedarf besteht, könne der Stadtrat die Zweckbindung auch wieder aufheben.

Auch das ein Thema des nachhaltigen Umgangs mit den Geldern der Stadt: “Ein Konsolidierungskonzept existiert bisher nicht”, betonen die Grünen. “Deshalb sollen aus sämtlichen Gewerbesteuerüberschüssen gesonderte Rücklagen gebildet werden, deren Verwendung der Haushaltskonsolidierung und Entschuldung dienen.”

Das ist aber noch nicht der Puffer, den die Grünen im Doppelhaushalt entdeckt haben. Immerhin stellen sie gleichzeitig Anträge über zusätzliche Ausgaben von rund 15 Millionen Euro. Dazu kommen wir noch extra.

Wer als Fraktion Ausgaben beantragt, muss in der Regel auch deutlich machen, aus welchem Topf sie bezahlt werden sollen oder wo es Einsparmöglichkeiten in gleicher Höhe gibt.

Die Grünen haben im Haushalt einen Puffer von mindestens 16,7 Millionen Euro gefunden, 2016 sind es sogar 25 Millionen Euro.

Sie haben einfach mal ausgerechnet, welche Auswirkungen der seit dem 1. Januar geltende Mindestlohn für Leipzig hat. Dazu gibt es mehrere Studien – insbesondere auch eine vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesarbeitsagentur, die berechnet hat, dass der höhere Lohn für hunderttausende Niedriglöhner in Deutschland die Sozialkassen der Kommunen um 3 Milliarden Euro entlastet. Denn mit der besseren Entlohnung können auch tausende Leipziger ihre Lebenserhaltungskosten wieder selbst bezahlen und müssen keine Anträge mehr auf “Kosten der Unterkunft” (KdU) beim Jobcenter stellen. Oder Anträge über eine wesentlich geringere Summe.

Die Leipziger Stadtverwaltung hat aber für 2015 wieder mit 42.000 Bedarfsgemeischaften gerechnet, 2016 sogar noch mit ein paar mehr. Und sie nimmt auch höhere Kosten pro Bedarfsgemeinschaft an, weil die KdU-Sätze ja gestiegen sind. Also steigt die Summe, die die Stadt für KdU bereitstellt im Doppelhaushalt auf jeweils 167 Millionen Euro.

Nach Schätzungen des DGB profitieren allein in Leipzig 26.000 Vollzeitbeschäftigte vom Mindestlohn. Das wird den Sozialetat der Stadt entlasten. “Andere Kommunen – besonders im Westen – rechnen gleich mit 20 bis 30 Prozent Entlastung”, sagt die Grünen Stadträtin Nicole Lakowa. Im Osten sei die Lage ein wenig anders, hier sei der Niedriglohnbereich deutlich größer.

“Wir haben lieber ganz konservativ gerechnet”, ergänzt Norman Volger, “und sind 2015 mit zehn und 2016 mit 15 Prozent herangegangen. Es ist uns ein Rätsel, warum die Verwaltung hier sogar mit steigenden Kosten rechnet, statt mit Entlastung. Das ist immerhin seit Jahren zum ersten Mal, dass die Kommunen tatsächlich entlastet werden.”

Für 2015 kommen die Grünen auf einen Spielraum von 16,7 Millionen Euro, 2016 sind es dann 25 Millionen.

Was sie davon unbedingt bezahlt sehen möchten, dazu gleich mehr an dieser Stelle.

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