Da waren am 21. Januar eine Menge Leipziger sauer - auf die Stadt, die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) und die Organisatoren der Absperrungen rund um die LEGIDA-Demonstration. Das wird in der nächsten Ratsversammlung am 25. Februar Thema. Die Leipziger Kathrin Goth hat stellvertretend für viele andere eine Anfrage gestellt, die am Ende die Empörung über das Erlebte in GROSSBUCHSTABEN fasst.

Natürlich geht es am Ende auch um Zahlen – aufgeblasene Zahlen, falsche Zahlen und um Anmaßungen. Die Organisatoren von LEGIDA hatten für den 21. Januar ganz hoch gestapelt und ihren Umzug über den Leipziger Ring mit geradezu irrwitzigen 60.000 Teilnehmern angekündigt. Man wollte irgendwie gleich doppelt so groß werden wie PEGIDA in Dresden. Und das, obwohl bei der ersten Demonstration auf dem Sportforum-Gelände gerade einmal ein Häuflein von 2.000 Teilnehmern gekommen war. Auch da gab es hinterher schon Irritationen, weil auch da die Polizei im Nachhinein höhere Zahlen meldete.

Das ist ein eigenes Thema, aber es hat mit der LEGIDA-Problematik natürlich direkt zu tun. Denn nur hohe Teilnehmerzahlen einer solchen Demonstration, die auch heftigen Protest in der Leipziger Zivilgesellschaft auslöst, rechtfertigen auch den teuren Einsatz von mehreren Polizeihundertschaften. Stellt man die Zahlen in Frage und zählt gar selbst einmal nach, dann stellt man logischerweise auch die aufgebotenen Polizeikräfte in Frage.

Und das tat am 21. Januar nicht nur die L-IZ. Immerhin hatte Polizeipräsident Bernd Merbitz den größten Polizeieinsatz seit den 1990er Jahren angekündigt: Über 4.000 Polizisten waren aus mehreren Bundesländern angefordert worden, die dann ab den Nachmittagsstunden tatsächlich die City völlig abriegelten, um den erwarteten 60.000 LEGIDA-Anhängern das Marschieren zu ermöglichen. Gekommen sind am Ende knapp 4.000 bis 5.000. Eine Zahl, die für heftige Frustrationen auch bei der Polizei führten, die vollmundig 15.000 gezählt haben will, was dann auch eine professionelle Zählung aus der Uni Leipzig widerlegte. Die Diskrepanz war offensichtlich: Für 5.000 Demonstrationsteilnehmer hätte keine vernünftige Versammlungsbehörde die komplette Lahmlegung des ÖPNV in der Leipziger City genehmigt.

Und er war komplett lahmgelegt. Die LVB fuhren nicht einmal mehr ein einigermaßen funktionierendes Ersatzsystem. Die Straßenbahnen fuhren nur noch in den Stadtrandgebieten hin und her. Wer vom einen Ende der Stadt ans andere musste, musste auf die noch verkehrenden Ringbuslinien ausweichen oder konnte zumindest bis in die späten Nachmittagsstunden auch noch die S-Bahn nutzen. Bis ein paar vom Straßenkampf besessene Einzeltäter auch den Zugverkehr zum Erliegen brachten.

Nur wer sich noch einigermaßen mit den Busfahrplänen der LVB auskannte, kam noch relativ zeitnah ans gegenüberliegende Ende der Stadt. Und das betraf am 21. Januar eben auch tausende Erwerbstätige, die nicht einfach – wie die Geschäftsleute in der City – ab 14 Uhr den Laden schließen konnten. Und selbst wer mit dem Bussystem zurecht kam, brauchte Stunden, um das Geschehen in der City zu umfahren.

Wer sich lieber zu Fuß aufmachte, um das Geschehen zu begutachten, fand ein riesiges Polizeiaufgebot, das wirklich alle Zugangsstraßen zum Geschehen abriegelt, ohne dass vom überschaubaren LEGIDA-Volk auch nur etwas zu sehen war. Ganz ähnlich so auch am 30. Januar. Da gab die Polizei dann schon lieber gar keine eigene Schätzung ab und veröffentlichte nur die Zahl der Stadt Leipzig: 1.400 LEGIDA-Anhänger auf 2.000 Polizisten. Nur hatte LEGIDA diesmal kein Recht zugesprochen bekommen, über den Ring zu marschieren und damit den Verkehr lahmzulegen. Die Stadt hatte aus dem Debakel am 21. Januar gelernt.

Trotzdem wird Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke) am 25. Februar die Fragen von Katrin Goth beantworten müssen, die natürlich zu recht entsetzt war, als die LEGIDA-Organisatoren gleich noch angekündigt hatten, ihre Demonstrationen bis zum Jahresende wöchentlich durchzuführen. Jede Woche so ein “Nichts geht mehr” in Leipzig?

Kathrin Goth war wohl zurecht sauer und befürchtete das Schlimmste: “Ich konnte letzte Woche ab 14.00 Uhr die Strassenbahn stadtwärts nicht mehr benutzen, obwohl ich kein Auto besitze, und auch aus vorr. beruflichen Gründen durch die Stadt fahren muss, bzw. mit der Bahn nach Hause kommen muss am Nachmittag/Abend.

Ich kann nicht immer zu Hause bleiben, bzw. den Betrieb eher verlassen, weil man dann bis zum späten Abend ansonsten nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln (LVB) in seine Wohnung kommen kann, weil nichts mehr geht.

Welchen Vorschlag haben Sie als zulassende Behörde dieser Veranstaltungen uns Bürgern, die wir auf öffentlichen Verkehrsmitteln angewiesen sind, zu machen?????? Soll das ewig so weitergehen??”

Und dann kommt die Sache mit den Großbuchstaben, die die Ohnmacht der am 21. Januar betroffenen Leipziger in Worte fasst: “ICH KANN NICHTS DAFÜR; DASS HIER LEUTE DEMONSTRIEREN WOLLEN,  MUSS ABER DESHALB MEIN LEBEN HIER IN LEIPZIG TOTAL BEEINTRÄCHTIGT WERDEN??

WAS KANN ICH ALS BÜRGER DAGEGEN TUN; AN WELCHE STELLE KANN ICH MICH WENDEN, FALLS SIE NICHTS DAGEGEN ZU TUN GEDENKEN??”

Wichtige Fragen, die auch nachträglich einige Antworten brauchen.

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