Die Ferien neigen sich dem Ende entgegen. Es gibt wieder jede Menge Arbeit für die Leipziger Stadträte. Vom Umweltdezernat bekommen sie zum Beispiel dieser Tage den Umsetzungsbericht zur Bewerbung um den "European Energy Award". Den wollte Leipzig dieses Jahr eigentlich schon in Gold bekommen, hat sich aber lieber noch einmal Silber bestätigen lassen, weil die Punkte für Gold nicht zusammengekommen sind.

Darüber informierte das Umweltdezernat ja bekanntlich schon im Frühjahr in einer Vorlage, die auch zeigte, wo Leipzig einfach nicht die nötigen Punkte bekommen hat. 75 Punkte hätte man gebraucht, 66 sind es geworden. Das waren zwar vier mehr als 2011. Aber damals ging es eben nur um “Silber”. Und für “Silber” genügen schon 50 Prozentpunkte. Alles deutet darauf hin, dass Leipzigs Stadtverwaltung die Anforderungen für “Gold” völlig unterschätzt hat. Jetzt will man es 2016 wieder versuchen mit “Gold”.

Aber gerade in zentralen Handlungsfeldern kleckert Leipzig noch gewaltig hinterher, in einem hat die Stadt sogar Punkte eingebüßt.

Das passiert natürlich nicht nur, weil die Bewertung in der zweiten Runde strenger ist. Was zu erwarten war, denn der “EEA” ist keine Trostblume für Kommunen, die nicht wissen, was sie tun sollen. Wer die Goldplakette haben will, muss echte Fortschritte hin zu einer energiesparenden und klimaschonenden Kommune gemacht haben. Nachweisbar an klaren Fakten und Zahlen.

Die Broschüre, die die Stadträte nun in die Hände bekommen, enthält zumindest die Prozentwerte, die Leipzig geschafft hat, enthält auch eine Liste der umgesetzten Tatbestände. Aber bei vielen der aufgeführten Punkte fühlt man sich an Anträge verschiedenster Ratsfraktionen erinnert, die gemahnt, gedrängt, gefordert haben – und auf Watte oder Granit bissen, je nachdem.

Da steht das schöne Wort vom “autoarmen Wohnen” – seit 20 Jahren ein Thema in Leipzig.

Doch in der Stadtplanung kommt es bislang nicht vor. Zum Ärger aller Leipziger, die gern in Wohnquartieren leben möchten, in denen das Auto nicht alle Wege verstellt. “DA” steht hinter dem Punkt: Daueraufgabe.

Man kann auch Daueraufgaben dauerhaft aufschieben. Dasselbe gilt für das “Modellvorhaben klimagerechte Sanierung von Stadtquartieren”. Daueraufgabe. Noch nicht angepackt. Auf zwei Seiten erfreut diese schöne Grafik die Stadträte. Bei manchen Punkten werden sie sich in die Wolle kriegen, das ist jetzt schon absehbar. Etwa wenn die Parkraumbewirtschaftung ausgeweitet werden soll oder die LVB verdonnert werden sollen, Fahrradmitnahme zu erleichtern. Bei der Fahrradgarage am Hauptbahnhof könnte man sich einigen, beim Fußwegeentwicklungskonzept musste erst ein CDU-Stadtrat grimmig werden, bis der Tross so langsam in Bewegung kam.

Bei der Vorstellung des schönen bunten Umsetzungsberichtes 2011 – 2013 verwies Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal darauf, dass man besonders beim Thema Ver- und Entsorgung hinterher hinke. Tatsächlich hat die Stadt hier sogar richtig Punkte eingebüßt, ist von 69 auf 55 Punkte abgerutscht – und das liegt nicht wirklich nur am zögerlichen Ausbau des Fernwärmenetzes. Wer die Auswertung liest, merkt, dass hier vor allem die Stadtwerke und die Wasserwerke gefragt sind. Man bedauert sie eigentlich schon, weil sie unter den Aufgaben, die die Stadt ihnen aufhalst, irgendwann gar nicht mehr wissen, was sie zuerst tun sollen.

Im “Umsetzungsbericht” werden vor allem Dinge wie Mini-BKHW, Einbindung erneuerbarer Wärme und Energetische Nutzung von Bioabfällen als noch nicht erfüllte Punkte aufgeführt.

Wer die Analyse aus dem März gelesen hat, weiß, dass diese Punkte eigentlich Pillepalle sind, teilweise auch noch Zukunftsmusik.

Die Abstriche gab es ganz woanders – und zwar bei Themen, bei denen die Stadt hätte Nägel mit Köpfen machen können:

Da geht es um direkte Förderung von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien aus Konzessionseinnahmen der Stadt. Ist nicht mal angedacht. Null Punkte.

Der Verkauf von Ökostrom aus dem Stadtgebiet soll gesteigert werden. Null Punkte.

Die Energieeffizienz bei Wasserbereitstellung und Abwasserreinigung bei den Wasserwerken bekam nur wenige Pünktchen – insgesamt 1,8 von 12. Das klingt nach einem Berg zu erledigender Aufgaben.

Regenwasserbewirtschaftung und energetische Nutzung von Bioabfällen könnten besser werden.

Das klingt zwar alles wie lauter Einzelbaustellen. Aber wer nicht mit den Details anfängt, der bekommt keine ganzheitliche Betrachtung der Energieströme in einer Stadt wie Leipzig hin. Die Stadt ist ja auch nicht ohne Grund bis zu 6 Grad Celsius wärmer als das Umland. Großstädte wie Leipzig werden auch zu Wärmeinseln, weil gewaltige Energiemengen ungenutzt in die Umgebung abgegeben werden.

Das kann eine Stadt nicht in aller Gänze beeinflussen, es sei denn, sie holt alle Bürger mit hinein in das Projekt einer nachhaltigen Stadt. Aber sie kann es mit ihren eigenen Gebäuden und Anlagen vormachen. Aber auch da hat die Verwaltung seit 2011 viel zu zögerlich agiert und am Ende den Punktwert nur von 56 auf 62 steigern können.

Es klemmt bei der Sanierungsplanung für kommunale Gebäude, bei der Erschließung von Energieeinspareffekten, bei der Solaroptimierung … Man ahnt schon, wie eine Stadt zum Vorbild werden könnte, wenn sie bei ihren eigenen Gebäuden anfinge, so zu bauen und zu sanieren, dass man künftig immer weniger Energie braucht und gleichzeitig die Klimabelastung verringert.

Da fällt dann natürlich auf, wenn man auch bei Mobilität leicht eingebüßt hat von 74 auf 72 Prozent.

Das klingt zwar nun alles schön nach Schubkasten und nach Zukunftsträumen (wie die Schaffung einer Stelle für einen Mobilitätsmanager). Aber der “EEA” ist im Grunde der Versuch, eine große Stadt wie Leipzig einmal ganzheitlich zu betrachten als Energieverbraucher, Energieverteiler, Energieverschwender. Und um das zusammenzubinden, muss es in der Verwaltung ein funktionierendes Steuerungsprogramm geben samt klaren Umsetzungsprogrammen in der Stadtholding (Stadtwerke, Wasserwerke, LVB) und in der Verwaltung (Bauplanung, Raumplanung, Sanierung, Energiemanagement …). Einfach mal so “mitmachen”, das kommt schnell an seine Grenzen. Das hat Leipzig jetzt erlebt. Wenn es die Stadt wirklich ernst meint mit der Zeitenwende, dann muss der Umgang mit der Stadtenergie jetzt neu gedacht werden.

Und da Leipzig nach wie vor den größten Teil seiner Energie aus fossilen Quellen bezieht, sorgt das auch für eine deftige CO2-Bilanz. Die Heiko Rosenthal zwar schon als vielversprechend niedrig betrachtet. Aber der Blick ins Detail zeigt, dass Leipzig bei der Senkung seines CO2-Afkommens erst mal in der Sackgasse gelandet ist.

Dazu gleich mehr an dieser Stelle.

Die Potenzialanalyse zum Leipziger EEA.

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