In der „Leipziger Zeitung“ vom 12. Februar hat René Loch schon recht ausführlich über die recht dubiose neue „Bürgerwehr“ für Leipzig berichtet, die mit einer Facebook-Seite erst einmal um Sachspenden warb, um überhaupt irgendwie ein bisschen martialisch durch die Gegend ziehen zu können. Dabei wusste der Ersteller der Seite augenscheinlich nicht mal, wo es sich lohnen könnte, den dicken Maxe zu markieren.

Oder er rief die Besucher seiner Seite mit Absicht auf, Straßen in Leipzig zu benennen, durch die seine geplante „Bürgerwehr“ ziehen sollte. Das klang schon sehr deutlich nach der Schaffung einer „No go Area“ für Leute, die der neuen „Bürgerwehr“ nicht in den Kram passen könnten.

Es ist nicht der erste Versuch in Sachsen, eine „Bürgerwehr“ auf die Beine zu stellen. Selbst wenn die Gründer solcher selbsternannten Schutz- und Trutztruppen behaupten, sie würden irgendwie im Interesse der Allgemeinheit oder diverser verängstigter Bürger auf die Straße gehen, so hat diese Art Selbstermächtigung weder eine rechtliche Basis noch das Wohlwollen der Polizei. Nicht mal das des Innenministers, der zwar gern für harte Kanten ist, aber von selbsternannten Sheriffs in Sachsen gar nichts hält.

Darauf wies er auch jetzt wieder hin, als ihn der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Enrico Stange, nach dieser dubiosen Neugründung in Leipzig fragte. Auf die Frage, was die Staatsregierung von dieser neuen „Bürgerwehr“ halte, antwortete Innenminister Markus Ulbig denkbar kurz: „Es wird auf die Antwort der Staatsregierung auf die Frage 5 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6/971 verwiesen.“

Und da hatte er eigentlich schon alles dazu gesagt, was da zu sagen ist: „Die Sächsische Staatsregierung versteht unter einer ‚Bürgerwehr‘ einen Zusammenschluss von Bürgern zum Selbstschutz vor Kriminalität, der ohne rechtliche Grundlage agiert und gegen den Grundsatz des staatlichen Gewaltmonopols verstößt.“

Das hat denn auch die Polizeidirektion Leipzig sofort nach Bekanntwerden des Vorgangs auch dem Betreiber der Seite versucht beizubiegen, bestätigt Ulbig: „Am 21. Januar 2016 veranlasste die Polizeidirektion Leipzig über das Social-Media-Team der Polizei Sachsen einen Post auf der Facebookseite der ‚Leipziger Bürgerwehr‘ (siehe Anlage Screenshot). Ebenfalls am 21. Januar 2016 wurde durch Beamte des Polizeireviers Leipzig-Nord ein im Impressum der Facebook-Seite ausgewiesener Leipziger aufgesucht, welcher als Initiator der ‘Leipziger Bürgerwehr’ gilt. Mit jenem erfolgte ein Gespräch im Sinne einer Gefährderansprache. Er wurde darauf aufmerksam gemacht, dass die Polizei nicht mit der ‚Leipziger Bürgerwehr‘ kooperieren werde, sie nicht akzeptiert oder toleriert.“

Der Mann macht sich also von vornherein ziemlich unbeliebt. Ob er zum rechtsextremen Spektrum gehört, kann Ulbig nicht sagen. Was nicht an den Ermittlern liegt, sondern an den neuen Maskeraden der Rechten im Land, die sich eng vernetzt haben mit den Querfront-Aktiven, zu denen der Betreiber der Seite auf jeden Fall gehört – mit sichtbaren Vorlieben für Verschwörungstheorien und Antisemitismus. Die Grenzen zwischen rechtspopulistisch und rechtsextrem sind fließend.

Und genauso fließend sind die Absichten bei der Gründung solcher mit Schutzwesten lostrabenden Bürgerwehren, denn die können weit mehr als zur Beruhigung der scheinbar verängstigten Akteure dazu beitragen, die Straßen, durch die sie marschieren, erst so richtig in Angst und Schrecken zu versetzen. Und wenn dann gar noch echte Rechtsextreme in den Schutzwesten stecken, wird es ganz lustig.

Tatsächlich schüren genau solche Aktionen erst die Unsicherheit, die die Initiatoren behaupten, unterbinden zu wollen. Übrigens ein schon mehrfach in Europa angewandtes Konzept von Rechtsextremisten, die sich hier als Beschützer und Bewacher aufspielen, in Wirklichkeit aber ganze Regionen verunsichern und damit den öffentlichen Raum besetzen – ein eindeutiger Verstoß gegen das Gewaltmonopol, das in demokratischen Ländern nur der Staat ausüben darf.

Die Stellungnahme des Innenministers zu „Bürgerwehren“ aus dem März 2015.

Die Antwort von Innenminister Markus Ulbig zur Leipziger „Bürgerwehr“.

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