Was war das für ein nervender Streit um die Vergütung der Tagespflegepersonen in Leipzig. Die Stadt wollte einfach nicht einsehen, dass auch Tagesmütter- und -väter richtige Menschen sind, die auch mal krank werden und auch mal Urlaub brauchen und dass man das auch bezahlen muss. Nun hat das Gericht die Stadt zur Vernunft gebracht, jetzt fehlt der nächste Schritt: Solche Fehlzeiten müssen auch abgesichert werden.

Im Grunde zeigt sich an der Stelle, wie sehr Leipzig seinen Versorgungsnotstand bei Kita-Plätzen immer möglichst preiswert versucht hat zu lösen – auf Kosten der Tagespflegeeltern. Was verständlich ist, bei den eh schon explodierenden Sozialkosten der Stadt. Dass das Land Sachsen hier eigentlich in der Pflicht ist, hat sich noch nicht wirklich durchgesetzt als Erkenntnis auf Regierungsebene.

Also muss Leipzig wieder eine Lösung finden.

„Die Kindertagespflege bildet ein wichtiges und gerade im Zuge der seit Jahren wachsenden Kinderzahlen unverzichtbares Standbein der Kinderbetreuung in Leipzig. Dennoch machen regelmäßig Leipziger Eltern Erfahrungen mit kurzfristigen Ausfällen ihrer Tagesmütter oder –väter, sei es durch Erkrankungen, Urlaub oder Weiterbildungen”, stellt Michael Schmidt, familienpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, fest. “Im Gegensatz zur Betreuung in Kitas und Horten, wo eine regelmäßige Vertretung abgesichert ist, werden Eltern, deren Kinder in der Kindertagespflege untergebracht sind, immer wieder – oft auch kurzfristig und unvorhergesehen – vor riesige Probleme gestellt, weil eine Ersatzbetreuung nicht möglich oder nicht vorgesehen ist. Dabei reden wir in Leipzig schon seit Jahren über die Notwendigkeit eines wirksamen Vertretungssystems für die Tagespflege, was jedoch immer wieder in Ansätzen stecken geblieben ist oder aufgrund der drohenden Mehrkosten von der Verwaltungsspitze schulterzuckend blockiert wird.”

Für ihn ist Fakt: “Leipzig hat gesetzliche Verpflichtungen im Bereich der Kinderbetreuung zu erfüllen und darf bei deren Umsetzung auch die Freien Träger, die neben dem kommunalen Eigenbetrieb VKKJ Träger der Kindertagespflege in Leipzig sind, nicht alleinlassen. Andere Städte zeigen, dass Vertretungssysteme funktionieren, jedoch auch natürlicherweise Mehrkosten mit sich bringen, die aber der Qualitätssicherung und der Familienfreundlichkeit zugute kommen.“

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Leipziger Stadtrat hat deshalb einen Antrag eingereicht, nachdem der Oberbürgermeister mit der Erarbeitung eines wirksamen und funktionierenden Vertretungssystems für die Kindertagespflege in Leipzig beauftragt werden soll.

Er baut auf dem jüngsten Gerichtsentscheid auf.

Nachdem die Stadt vom Verwaltungsgericht zu einer Neuregelung bei der Finanzierung der Kindertagespflege gezwungen wurde, bekommen Tagesmütter und -väter nunmehr 30 Nichtleistungstage pro Jahr gewährt und bezahlt. Nichtleistungstage umfassen dabei Urlaub, Krankheit und Fortbildung der Tagespflegeperson.

„Diese 30 Tage sind absolut gerechtfertigt und schon länger eine grüne Forderung gewesen”, betont Schmidt. “Was aber an der Stelle gut für die Tagesmütter und Tagesväter ist, wirkt sich erschwerend auf die Familien, deren Kinder durch ein fehlendes Vertretungssystem in diesen 30 Tagen ohne Betreuung sind, aus. Hier kann nur die Etablierung eines Vertretungssystems, was auch den Ansprüchen der Leipziger Eltern und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf genügt, Abhilfe leisten. Dazu erwarten wir einen zielführenden Vorschlag mit Umsetzung ab 2019.“

Der Antrag: Wirksames Vertretungssystem für die Kindertagespflege entwickeln

1. Die Stadt Leipzig entwickelt auf Grundlage landes-/bundesweit existierender best practice –Beispiele ein wirksames Vertretungssystem im Bereich Kindertagespflege und legt dem Stadtrat dazu einen Umsetzungsvorschlag bis spätestens Ende 2018 vor.

2. Im Doppelhaushalt 2019 und 2020 werden entsprechende Kosten zur Initiierung und Umsetzung des Vertretungssystems eingeplant.

Begründung:

In Leipzig existiert kein funktionierendes Vertretungssystem in der Tagespflege. Eltern, deren Kinder in der Tagespflege betreut werden, stehen vor teils extremen meist kurzfristigen und somit ungeplanten Herausforderungen, wenn die Tagesmutter oder der Tagesvater aufgrund Krankheit o.a. ausfällt. Entsprechend § 23 Absatz 2 SGB VIII hat ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Damit hat der Bund ausdrücklich die Gleichrangigkeit der beiden Betreuungsangebote formuliert, die auch bei der Umsetzung in Sachsen beachtet werden muss.

Dazu gehört es auch, die Qualität der Angebote sowohl in Kindertagesstätten als auch in der Kindertagespflege sicherzustellen. Die Ersatzbetreuung bzw. Vertretung ist dabei ein Qualitätsmerkmal im Hinblick auf die Verlässlichkeit des Angebotes. Es existiert in der Leipziger Praxis jedoch nur im Bereich der Kindertagesstätten eine funktionierende Vertretung, nicht jedoch in der Kindertagespflege, obwohl in §23 Absatz 4 Satz 2 SGB VIII festgeschrieben steht: „Für Ausfallzeiten einer Tagespflegeperson ist rechtzeitig eine andere Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherzustellen.“

Sachlich zuständig für die Erfüllung der Aufgaben nach SGB VIII ist der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Die Verantwortung, geeignete Modelle für die Ersatzbetreuung zu schaffen, liegt laut SGB VIII also zunächst beim örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe.

Die nicht existierende bzw. nicht funktionierende Vertretungsregelung in der Tagespflege in Leipzig widerspricht ebenso dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechend Artikel 3 GG, wonach Eltern bei der Inanspruchnahme eines Betreuungsangebotes nicht benachteiligt werden dürfen.

Möglichkeiten für Vertretungssysteme gibt es verschiedener Art, so unter anderem in Plauen und Heidenau. Beispielsweise könnte auf 6-8 Kindertagespflegepersonenstellen eine mobile Kindertagespflegeperson (KTP) als Vertretung fungieren, die im Vertretungsfall die Betreuung der ihr durch die feste KTP-Zuordnung im Vertretungssystem vertrauten Kinder in den Räumen der bspw. erkrankten KTP oder auch in den im Zuge des Vertretungssystems separat zur Verfügung stehenden Räumen übernimmt.

Wichtig wäre, dass durch die feste Zuteilung der Vertretungskräfte auch bereits eine Bindung zu den zu betreuenden Kindern gewährleistet wäre. Die langjährige Expertise der Informations- und Koordinierungsstelle Kindertagespflege in Sachsen (IKS) ist hier zu nutzen.

Wir erwarten bis spätestens Ende 2018 einen Umsetzungsvorschlag mit Wirksamkeit im nächsten Doppelhaushalt 2019 und 2020.

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